# taz.de -- Brigitte Werneburg schaut sich in den Galerien von Berlin um | |
Der Fotograf William Klein überlegte einmal, dass er bei 250 | |
bemerkenswerten Fotos von einem Lebenswerk sprechen könne, das aber, weil | |
die meisten seiner Bilder mit einer 1/125 Sekunde gemacht seien, gerade mal | |
den Zeitraum von 2 Sekunden umfasse. Von solchen Belichtungszeiten konnte | |
der Fotopionier Henry Fox Talbot (1800–1877) nur träumen. Dennoch ist der | |
Zeitraum, der den Zeichnungen von Gerhard Faulhaber nach Fotografien von | |
Talbot eingeschrieben ist, gewaltig größer als der der Fotografien selbst. | |
Das zeigt die Unzahl winziger Schraffuren, mit denen Faulhaber die Ansicht | |
von Lacock Abbey in diffizilsten tonalen Abstufungen von Hell und Dunkel | |
hervorlockt. | |
Die eigene Zeit des jeweiligen Mediums wahrzunehmen, ist eine der stupenden | |
Erfahrungen, die uns Faulhaber in seinem Nachdenken über Bilder in Bildern | |
ermöglicht. Seine Bilder sind nicht einfach nur Zeichnungen, die wir als | |
solche mehr oder weniger faszinierend empfinden. Sie sind immer | |
Meta-Bilder, visuelle Überlegungen zu den Theorien und Annahmen, die wir | |
mit der Zeichnung und ihren spezifischen Anforderungen und Möglichkeiten | |
verbinden – vor dem Hintergrund ihrer Geschichte, in der das Aufkommen der | |
Fotografie eine der ganz großen Herausforderungen bildete. Vor der | |
Fotografie etwa war die Zeichnung das visuell schnellste, flexibelste | |
Medium. Ein paar rasch hingeworfene Linien, und schon stand die Szene oder | |
der Gegenstand fest. Indem nun Gerhard Faulhaber in seiner | |
Auseinandersetzung mit der Fotografie die Zeichnung irritierenderweise zu | |
einem ganz und gar langsamen Medium macht, weil er sich nicht der für die | |
Zeichnung gerne als grundlegend und spezifisch betrachteten Linie bedient, | |
sondern mimetisch die Grauabstufungen des Konkurrenzmediums nutzt, ist | |
seine Schau eine der derzeit intellektuell und ästhetisch anregendsten | |
Berlins. | |
■ Gerhard Faulhaber: Zeichnungen, bis 24. Mai, Di–Fr 14–19 Uhr, Sa 12–18 | |
Uhr, Zwinger Galerie, Gipsstr. 3 | |
28 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Brigitte Werneburg | |
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