Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- „Ich fürchte, dass es Ausschreitungen gibt“
> Der Führer der katholischen Kirche im Kongo, Erzbischof Monsengwo,
> verlangt politischen Dialog vor Kongos Wahlen und plädiert für die
> Möglichkeit einer Wahlverschiebung, „damit das Boot nicht sinkt, bevor es
> die Küste erreicht“
taz: Herr Mosengwo, Sie haben sich gegen die Festlegung der Wahlen im Kongo
auf den 30. Juli durch die Wahlkommission ausgesprochen. Warum?
Laurent Monsengwo: Wir riskieren einen Verfassungsbruch. Unsere Gesetze
sagen, dass die Übergangszeit seit Bildung der Übergangsregierung [am 30.
Juni 2003; d. Red.] 24 Monate beträgt. Letztes Jahr haben wir die in
Verträgen mögliche Verlängerung um zweimal sechs Monate beschlossen, womit
die Übergangszeit am 30. Juni 2006 endet. In der neuen Verfassung für die
Zeit nach den Wahlen steht nun im Artikel 222, dass die Institutionen der
Übergangszeit im Amt bleiben, bis die gewählten Institutionen ihre Ämter
aufnehmen. Aber der Artikel 222 verändert die Dauer der Übergangszeit
nicht. Laut Parlament bezieht sich die Bestimmung des Artikels allein auf
die Zeit zwischen den Wahlen und der Amtseinführung der neuen
Institutionen. Der neue Präsident und das neue Parlament nehmen ihre Ämter
ja nicht am Wahltag auf. Bis sie das tun, regieren die alten Institutionen
weiter. Aber nach wie vor endet die Übergangszeit am 30. Juni 2006. Wenn
die Wahlkommission sagt, dass die Wahlen erst später stattfinden können,
müssen sich die politische Klasse und die Zivilgesellschaft also
zusammentun, um zu klären, was nach dem 30. Juni geschieht. Niemand kann
das allein entscheiden. Deshalb schlagen wir Alarm. Sonst steht uns eine
Zeit der Turbulenzen bevor.
Manche Diplomaten werfen der Kirche vor, mit dem Feuer zu spielen, indem
sie glauben macht, man könnte die Wahlen verschieben. Sie sagen, man muss
die Wahlen jetzt abhalten.
Wir haben so viele materielle und menschliche Ressourcen in den Erfolg der
Wahlen investiert – es wäre dumm, sie jetzt scheitern zu lassen, bloß weil
man sich beeilen will, obwohl die Vorbereitungen nicht abgeschlossen sind.
Wir sind froh, dass das Verfassungsreferendum ein Erfolg war. Wir dürfen
nichts überstürzen. Wir, die Kirche, leben mit dem Volk. Wir gehen in die
hintersten Ecken des Landes, was die Politiker nicht tun. Wir wissen, wie
die Bevölkerung lebt. Wir dürfen die Gelegenheit, integre und ehrliche
Menschen an die Spitze des Landes zu stellen, nicht aufs Spiel setzen.
Sie sagen, das Land braucht einen Konsens über die Regeln für die Wahlen.
Aber eine der größten politischen Kräfte des Kongos, die UDPS (Union für
Demokratie und Sozialen Fortschritt), nimmt an den Wahlen gar nicht teil.
Muss man das akzeptieren?
In diesem Land hat man noch nie ein politisches Problem durch Ausschluss
gelöst. Die Folge waren immer Rebellionen, und danach ruft jeder zu einem
politischen Prozess auf, an dem alle beteiligt sind. Das heißt, dass
Etienne Tshisekedi und die UDPS beteiligt sein müssen. Sie wollten zwei
oder drei Wochen zusätzliche Registrierungszeit, das hat man ihnen
verweigert, und jetzt weisen sie darauf hin, dass die Wahlen sowieso länger
brauchen. Andereseits: Wenn Sie mich fragen, was ich Tshisekedi raten
würde, wäre es: Berücksichtige das höhere Interesse der Nation. Fordere
das, was das Gesetz dir erlaubt und vermeide alles, was unnötige
Turbulenzen herbeiführen könnte.
In Kinshasa, wo die UDPS und andere Oppositionskräfte stark sind, ist immer
mehr Feindseligkeit gegenüber der internationalen Gemeinschaft zu spüren.
Droht Gewalt?
Es gibt tatsächlich eine gewisse Gereiztheit. Die Leute haben den Eindruck,
als sei alles schon geregelt, als sei schon entschieden, wer die nächste
Regierung des Kongos stellen soll, und als wolle man das jetzt einfach
schnell durchziehen. Andere sagen: Wir sollten uns erst mal über die
Spielregeln verständigen, damit ein friedliches Klima für die Wahlen
geschaffen wird, denn sonst droht ein dritter Krieg im Kongo. Ich glaube
nicht, dass Gewalt gegen Ausländer droht. Ich fürchte eher, dass es
Ausschreitungen geben könnte, wenn die Bevölkerung den geringsten Eindruck
von strukturiertem oder organisiertem Wahlbetrug bekommt.
Ist der Vorwurf der UDPS, die geplante europäische Truppe im Kongo solle
Repression gegen das Volk ausüben, im Land selbst verbreitet?
Es ist Sache der europäischen Truppe, den Zweck ihrer Mission zu erklären.
Wenn die UDPS so etwas behauptet, gibt es ein Missverständnis. Die
internationale Gemeinschaft muss sich erklären, und wenn der gegenteilige
Eindruck dennoch da ist, muss sie den Sinn dieser Truppe, die nützliche
Arbeit tun kann, noch besser erklären.
Könnte es passieren, dass die Wahlen zum Gegenteil des Erhofften führen,
dass das Ergebnis schon feststeht und korrupte Führer legitimiert werden?
Manche sagen, das sei nicht der Fall. Wir sollten im Zweifel ihnen glauben
und alles tun, damit das Ergebnis nicht schon feststeht und die Wahlen in
einem Klima des Friedens, der Transparenz und der Wahrhaftigkeit
stattfinden, mit Wahlfreiheit und der vollen Verantwortung des Volkes.
Daran müssen alle arbeiten, und das kann man nicht überstürzen. Wir
brauchen vielleicht noch ein, zwei Monate, damit das Boot nicht sinkt,
bevor es die Küste erreicht.
Haben Sie politische Ambitionen?
Dann hätte ich selbst kandidiert. Vier Millionen Menschen in Kinshasa haben
dafür eine Petition an den Vatikan unterschrieben, aber ich habe gesagt,
dass das Zeitverschwendung ist, denn ich habe keinerlei Absicht, mich um
Politik zu kümmern.
INTERVIEW: FRANÇOIS MISSER
24 May 2006
## AUTOREN
FRANÇOIS MISSER
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.