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# taz.de -- Der lange Schatten der Vergangenheit
> HAMBURGER SPURENSUCHE Der FC St. Pauli und der Eimsbütteler Turnverband
> arbeiten ihre Rolle im Nationalsozialismus auf
„Als wir das Jubiläum konzipierten, war für uns klar, dass wir die dunklen
Jahre nicht außer Acht lassen werden“, sagt Bernd-Georg Spies,
Vizepräsident des FC. St. Pauli, über die frühen Planungen der
100-Jahr-Feier des Vereins. Mit Gregor Backes wurde ein Historiker
gewonnen, der die nicht immer rühmliche Vergangenheit des Clubs ausleuchten
sollte; jenes Clubs, der später als erster Fußballverein
rechts-rassistische Tendenzen in seiner Stadionordnung ausschloss.
Weil die Vereinsarchive größtenteils den alliierten Bombardements im
Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen waren, lag diese Vergangenheit zu
weiten Teilen im Dunkeln, beschäftigten die Verantwortlichen aber immer
wieder. So wurde die 1970 nach dem früheren Vereinspräsidenten Wilhelm-Koch
benannte Spielstätte 1998 nach kontroverser interner Diskussion in
Millerntor-Stadion umbenannt: Koch war jahrelang Mitglied der NSDAP
gewesen.
„Kein Nazi-Verein“ sei der FC St. Pauli gewesen, lautet im Kern das
Ergebnis der nun unter dem Titel „Mit deutschem Sportgruß, Heil Hitler!“
bei Hoffmann und Campe erschienenen Studie, die vom Verein finanziert aber
nicht mit inhaltlichen Vorgaben bepflastert wurde. Allerdings habe sich der
FC sehr wohl „dem Regime angepasst und unterworfen“. Der Verein habe darauf
verzichtet, „aktiv die ideologische oder politische Nähe zum NS-Regime zu
suchen“ und sich auch „nicht an der Entfernung der deutschen Juden aus dem
Sport“ beteiligt, schreibt Backes. „Auf der anderen Seite ließen sich die
Verantwortlichen des FC St. Pauli aber auch nicht auf offene Konflikte mit
den nationalsozialistischen Machthabern ein.“
Weiter heißt es: „Insgesamt akzeptierte der Verein die bestimmende Rolle
des NS-Staates und organisierte seine Jugendabteilung nach den Vorgaben der
Hitler-Jugend.“ Daher treffe auch den FC St. Pauli Schuld „durch Anpassung
und durch Unterlassung. Der Verein ordnete sich zum eigenen Nutzen einem
verbrecherischen Regime unter“.
Die Studie bestätigt, dass Pauli-Präsident Wilhelm Koch zwar 1937 in die
NSDAP eintrat, aber nie aktiver Nazi war. Im Fokus der Aufarbeitung indes
steht der 1992 verstorbene ehemalige Ligaspieler und Vereinsfunktionär Otto
Wolff, eine Hamburger NSDAP- und SS-Größe, der vom Verein für sein Wirken
die goldene Ehrennadel verliehen bekam. Die Personalie Wolff dürfte den
Bundesligisten auf der nächsten Mitgliederversammlung im November
beschäftigen – auch wenn Vizepräsident Spies zufolge „bislang kein Antrag
vorliegt, ihm die Ehrennadel abzuerkennen“.
Der FC St. Pauli ist mit der Studie der zweite Hamburger Traditionsclub,
der innerhalb weniger Wochen seine Vergangenheit schriftlich dokumentiert.
Anfang Oktober hatte der 1910 gegründete Eimsbütteler Turnverband (ETV)
seine Verstrickung in das NS-Regime dokumentiert, nachdem eine lokale
Initiative lange zu dieser Aufarbeitung gedrängt hatte. Vor wenigen Tagen
erst benannte Hamburgs derzeit drittgrößter Sportverein zwei seiner
Sportplätze um: Sie hatten die Namen von Vereins- und Nazigrößen getragen.
MAC
25 Oct 2010
## AUTOREN
MARCO CARINI
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