# taz.de -- Torsten Frings, Kapitän: Der Lautsprecher | |
Kurz vor Schluss des Spiels gegen den FC St. Pauli gab es noch eine | |
Schrecksekunde. Torsten Frings, der neben dem dreifachen Torschützen Hugo | |
Almeida überragende Bremer, wurde schwer gefoult. Mit einer Verletzung des | |
Kapitäns wäre der Sieg schwer erkauft gewesen. Er ist die zentrale Figur im | |
Werder-Spiel – die Frage ist nur, ob als Teil des Problems oder der Lösung. | |
Vor dem Spiel verglich St. Paulis Max Kruse beide Trainer. „Stanislawski | |
ist der offenere Typ, Schaaf fordert mehr Eigenverantwortung. Ich bevorzuge | |
Stani.“ Das, was Kruse anscheinend nicht mag, wird seit 25 Jahren bei | |
Werder kultiviert: Der mündige Spieler. Schon Rehhagels letzte Truppe um | |
Beiersdorfer, Bratseth und Rufer war eine Art selbstverwaltetes Projekt und | |
auch Thomas Schaaf hat die meisten Konflikte von seinen Führungsspielern | |
klären lassen. Das waren meist zurückhaltende Kommunikationstalente wie | |
Ismaël, Bode oder Baumann. | |
Heute hat Werder einen Kapitän, über den es heißt, er könne alles, außer | |
die Klappe halten. Gerade zwei Trainingseinheiten hatte der damals | |
20-jährige Frings in Bremen absolviert, da nannte er den Routinier Andreas | |
Herzog „Lutscher“ – und hatte seinen eigenen Spitznamen weg. Seit er selb… | |
Führungsspieler geworden ist, knöpft er sich in schöner Regelmäßigkeit die | |
Jungen vor. Mit Sätzen wie: „Einige kapieren offensichtlich immer noch | |
nicht, was es heißt, für Werder zu spielen. Hier die ganze Woche | |
superlässig rumzulaufen und dann den Schalter umzulegen – das geht nicht so | |
einfach.“ | |
Sein Ansehen bei der Klubführung ist ungebrochen. „Er ist für uns ein ganz, | |
ganz wichtiger Spieler. Er hat die Fitness, um noch ein, zwei Jahre auf | |
diesem Level Fußball zu spielen“, sagt Klaus Allofs und überlegt sogar, | |
Frings mit einem Jobangebot im Werder-Management zur Vertragsverlängerung | |
zu locken. | |
Diese Wertschätzung hat Frings in der Nationalmannschaft längst verloren. | |
Dort gilt der Ballack-Freund als Stinkstiefel und Macho alter Schule. Ein | |
Blick auf Frings’ Homepage erklärt die Diskrepanz zur elegant-lässigen | |
Löw-Welt, in der Grätschen verboten ist. Dort stilisiert er sich in | |
Heavy-Metal-Outfit zum bösen Buben und sagt Sätze wie: „Ich schaukle nicht | |
nur meine Eier über den Platz“ und „Am besten grätschen wir die Brasilian… | |
schon bei der Hymne weg“. Auch in die Werder-Welt, in der man noch die | |
leisen Töne eines Frank Baumann im Ohr hat, scheint der ruppige | |
Führungs-Stil nicht immer zu passen. | |
Zuletzt bemühte der Kapitän sich sichtlich um Akzeptanz. In Tottenham, wo | |
er gesperrt war, drehte er sich überraschend noch einmal zu den | |
Journalisten um, als die ihm keine Frage stellten. „Was meint ihr denn?“, | |
fragte er leise. „Ich finde, die Jungs brauchen sich nichts vorwerfen | |
lassen.“ RALF LORENZEN | |
Leibesübungen SEITE 9 | |
29 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
RALF LORENZEN | |
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