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# taz.de -- Das Autorennen
> ELEKTRIK Auf der einen Seite arbeiten Regierung, Autofirmen und
> Atomindustrie. Auf der anderen tüftelt Karl Nestmeier, Hersteller des
> elektrischen Dreirads City EL
AUS BALDERSHEIM UND WOLFSBURG JOHANNES GERNERT
Das Gute ist, dass Karl Nestmeiers Firma jetzt beschleunigt wie ein
Porsche. Wenn alles weiter so läuft, wird auch 2011 wieder ein noch viel
besseres Jahr werden als alle davor.
Das nicht ganz so Gute ist, dass das alles wohl nichts bringen wird,
weltrettungsmäßig.
Ein herrlicher Tag, wenig Verbrennungsmotoren auf den Landstraßen. Die
Sonne scheint auf spitze Kirchtürme, auf Fachwerkhäuser und auf Karl
Nestmeiers Fotovoltaikanlage in Baldersheim in Franken. Vor den Hallen
seiner Firma glänzen die bunten Elektro-Kleinstwagen, Einsitzer mit drei
Rädern. Sie sehen aus wie eine Mischung aus Liegerad und Mini-Ufo: City
ELs. Karl Nestmeier, 45 Jahre alt, Vollbart, sitzt an einem Bürotisch
voller Papierstapel, stößt geringe Mengen Zigarettenrauch aus und erklärt,
was das Thema ist, „der Punkt“, wie er gern sagt.
Der Punkt ist, dass Karl Nestmeier 3.500 City ELs auf deutsche Straßen
gebracht hat. Damit ist er der größte Elektrofahrzeughersteller
Deutschlands. Die Nuckelpinne liegt vorn. Seine Firma verkauft neuerdings
auch Tazzari Zeros, italienische Miniautos, und den indischen Kleinwagen
Reva. Die Firma wird auch dieses Jahr wachsen. Trotzdem sieht es nicht gut
aus für Nestmeiers Idee. Diese Vision von Millionen ultraleichten,
batteriebetriebenen Autos, die so wenig Abgase ausstoßen und so wenig
Energie verbrauchen, wie es angesichts der Klimawandels nötig wäre.
„Deutschland ist ein autoindustriegesteuertes Land“, sagt Nestmeier. Er
drückt seine Zigarette in einen schwarzen Ascher.
## Der Konzern tut, als hätte er die Zukunft im Griff
Wolfsburg, das Werksgelände von VW. An einem eisigen Wintermorgen parkt
mitten in der Autostadt ein perlweißer Wagen, der aussieht wie ein
gewöhnlicher Golf. Nur der Auspuff fehlt. Und vorne, unter den silbernen
VW-Buchstaben, hat er eine Ladedose. Eike Feldhusen hat sich vor dem Golf
postiert. Er steht fast da wie ein Prediger, in Anzug und Trenchcoat – die
Hände vor dem Oberkörper, als halte er eine Botschaft im Arm.
Feldhusen ist technischer Projektleiter bei VW. Er will Journalisten aus
den USA, aus Großbritannien, Dänemark und Schweden zeigen, wie die
elektronische Zukunft aussieht. Er nimmt ein aralblaues Kabel und steckt es
vorn in den Golf namens BlueMotion. Da, wo sonst die Abgasanlage sitzt,
sagt er, seien die Batterien. Die Batterieladung ist der Treibstoff des
E-Golfs.
Der E-Golf, verkündet der Projektleiter, habe gerade in Großbritannien beim
Future Car Challenge gewonnen, als umweltfreundlichstes Auto. Feldhusen
nimmt die Fäuste hoch und ballt sie ganz kurz. Es sieht nach echter Freude
aus, aber auch ein bisschen unbeholfen.
Bis 2018 will VW der größte Autokonzern der Welt werden. Zum Imperium
gehören nicht nur die Marken Audi, Seat oder Skoda, sondern auch Bentley,
Lamborghini und Porsche. Der Konzern besitzt Fabriken auf vier Kontinenten,
er baut Familienkutschen, Geländekisten, Sportblitze. Allein der Golf hat
sich 2010 in Deutschland mehr als 250.000-mal verkauft. Karl Nestmeier hat
im selben Zeitraum kaum 100 City Els ausgeliefert.
In Wolfsburg klappt Eike Feldhusen die Motorhaube des E-Golfs auf. Kabel,
viele Kästen, alles sieht ölfrei und gepflegt aus wie eine Stereoanlage im
Wohnzimmer. Feldhusen muss hier zeigen, dass Volkswagen prinzipiell dazu
fähig ist, Nestmeier zu überholen. Denn die kleine fränkische Firma hat
einen Entwicklungsvorsprung vor dem Weltkonzern aus Wolfsburg.
„Ein umgebauter Golf ist physikalischer und ökologischer Blödsinn“, sagt
Nestmeier. Sonnenstrahlen fallen auf die Pressspanplatten, die Wände seines
Büros. Niedrigenergiestandard.
Der Punkt sei doch der: Die Konzerne behaupten, sie würden an
umweltfreundlichen Wagen arbeiten. Versuchen zufolge verbrauchen aber schon
Elektrowagen wie der smart e-drive mehr als 20 Kilowattstunden Strom auf
einen Kilometer. Diesen Strom herzustellen, kostet etwa so viel
Kohlendioxid wie ein Verbrennungsmotor auf derselben Strecke verbraucht:
100 Gramm CO2. Das ist nicht so sensationell. Karl Nestmeiers City ELs
brauchen vier bis fünf Kilowattstunden Strom. 25 Gramm Kohlendioxid. Viel
weniger.
In Wolfsburg öffnet Feldhusen den Kofferraum des E-Golfs, vollgepackt mit
Batterien. Die Journalisten tragen Funktionsjacken und professionelle
Begutachtungsmienen. Als einer fragt, was passiert, wenn man vorne in die
Ladedose pinkelt, antwortet ein Ingenieur, so was mache man nur einmal.
Stromschlag. Ende. „Da passiert natürlich nix“, muss er sich später
korrigieren. Alles abgesichert. Sie müssen sich noch vortasten in die neue
Welt, die Techniker von VW.
Erst 2013 soll der E-Golf auf den Markt kommen. Schon 2011 könnte ein
entscheidendes Jahr für das Elektroauto werden. Bisher gibt es vor allem
den E-Mini und den E-Smart, alles in Modellprojekten. Doch nun beginnen die
ersten Mitsubishi-Händler, den iMiev in ihre Hallen zu stellen. Dazu kommt
der Leaf von Nissan. Von VW reisen fünf E-Golfs um die Welt, in Wolfsburg
sagen sie „E-Gölfe“. Einen nimmt der Konzernchef Martin Winterkorn zu
Vorträgen mit, zu Autoshows, und PR-Wettrennen.
Karl Nestmeier hält dagegen. Mit Präsentationsecken, die ihm einige
Autohäuser einrichten.
Der E-Golf und der City EL, es sind zwei völlig unterschiedliche Ansätze.
Die Grundidee des City EL ist, dass sich die Autowelt ändern muss, damit
sie der Umwelt weniger schadet. Die Grundidee des Golf ist, dass alles so
bleiben soll wie bisher – nur künftig elektrisch und damit auch irgendwie
umweltfreundlich.
„Es kann doch nicht das Ziel sein, Spritverschwendung durch
Stromverschwendung zu ersetzen“, sagt Karl Nestmeier, ganz sachlich. Er
regt sich nicht mehr auf. Das kurzärmelige Hemd ist papahaft verknittert.
Sein Fuß wippt. Der Stress, vielleicht die Zigaretten, haben das Gesicht
etwas rötlicher gemacht. Oft setzt er sich schon morgens um vier an den
Schreibtisch, in Jogginghosen.
Die größte Schwierigkeit bei der Entwicklung von Elektroautos sind die
Batterien. Sie halten zurzeit selten viel länger als 100 Kilometer und vor
allem sind sie extrem teuer. Je mehr ein Auto wiegt, desto mehr Masse
müssen die Batterien bewegen, desto klobiger und massiver werden die
Energiespeicher.
Man muss die Wagen leicht machen, um die Batterien klein zu halten, dann
kosten sie weniger. Ein gewöhnlicher Golf wiegt gut 1.000 Kilo, ein E-Golf
schon 1.545 Kilogramm. Ein City EL wiegt 230 Kilo. Mit Batterien. Er ist zu
leicht für die Pkw-Statistik.
Doch Deutschland hat über Jahrzehnte große Limousinen in die Welt verkauft.
Mercedes, BMW. Sicherheit, Verdrängung, Wohlstand. Luxus. Mit der Größe der
Autos wächst nicht nur der Batteriebedarf, es wachsen auch die
Gewinnspannen. Image kostet extra. Der E-Golf ist gewichtsmäßig die Grenze,
an die die Autokonzerne gehen können. Sie wollen keine kleineren Wagen. Sie
haben mehr zu verlieren als Nestmeier je gewinnen kann.
Die Politik macht Druck. Das Ziel der Bundesregierung lautet, dass 2020
eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs sein sollen.
Im Jahr 2010 waren nur 1.588 Elektroautos angemeldet, der City EL nicht
mitgerechnet. Es könnte ein Rennen werden zwischen der Strategie des
Weltkonzerns VW und der Vision des Tüftlers Karl Nestmeier aus Baldersheim.
Aber hat der Herausforderer wirklich eine Chance?
## Verbrennungsmotor? Der stinkt und ist gefährlich
Während die Autojournalisten in der Wolfsburger Konferenz-Lounge versuchen,
die richtigen Pulversäckchen in die Espressomaschine zu fummeln, läuft sich
ein zweiter VW-Techniker warm. Christoph Kielmann drückt den Rücken gerade.
Er will die Geschichte von der sauberen Welt erzählen. Darin fahren seit
vierzig Jahren alle Menschen E-Fahrzeuge. Nichts stinkt, keine Ölflecken,
abends den Stecker in die Garagensteckdose, morgens losfahren. „Und dann“,
sagt Christoph Kielmann, „kommt jemand und erfindet den Verbrennungsmotor.“
Er lächelt sanft. „Das stinkt, das ist gefährlich. Da muss man
hochexplosives Benzin mit Lastern durch die Gegend fahren. Wer ist denn so
verrückt und kauft so ein Auto?“
Kielmann ist seit Mitte der Neunziger bei VW. Er entwickelt den E-Golf mit.
Seine Uhr ist rund und schwer, sein Anzug eng. Er könnte ein Werber sein,
aus einer US-Serie. Den E-Golf begleitet er ab und an durch die Welt. „Wir
wollen erst mal einen Golf darstellen, um Elektromobilität erlebbar zu
machen“, sagt er. Der verlässliche Golf als konkreter Elektrotraum. Als das
Vehikel in einer Welt, in der Fahrzeuge nicht riechen und eher summen als
röhren. Einer Welt, in der Autos nicht mehr schaden. Es ist eine Welt, die
etwa so erreichbar ist wie ein Zwölfzylinder für einen Hartz-IV-Empfänger.
Der ehemalige Chef des Umweltbundesamts, Axel Friedrich, hat in mehreren
Studien vorgerechnet, warum die E-Auto-Offensive in seinen Augen Unfug ist.
Abgesehen davon, dass eine Million Elektroautos nur einen Bruchteil der bis
2020 erwarteten 50 bis 60 Millionen Fahrzeuge ausmachten, würden die
Blechkolonnen in den Städten durch Elektroautos nicht kleiner. Vor allem
aber seien es keine Null-Emissions-Autos, sondern
„Anderswo-Emissions-Autos“. Das Kohlendioxid entsteht dort, wo der Strom
hergestellt wird. Solange das keine regenerative Energie ist, sieht die
CO2-Bilanz der Elektroautos teils sogar schlechter aus als bei
Verbrennungsmotoren. Beim derzeitigen deutschen Strommix, stellt selbst die
Bundesregierung fest, ist der CO2-Ausstoß von E-Wagen kaum niedriger als
bei modernen Dieselfahrzeugen. Wo aber soll all die erneuerbare Energie
herkommen, in einem Land mit einer Atomkraftregierung?
Karl Nestmeier ist gegen Atomkraft, gar nicht so sehr gegen
Verbrennungsmotoren. Er hat selbst einen VW-Bus. Das geht mit fünf Kindern
nicht anders in Baldersheim, wo die Busse zur Hauptverkehrszeit nur alle
drei Stunden fahren. Nestmeier besaß schon in den Siebzigern einen Bus, als
Gymnasiast. Da sind sie auf Festivals gefahren. Er hat das
Elektrotechnik-Studium abgebrochen, um den Elektroladen der Eltern zu
übernehmen und Fotovoltaik-Anlagen zu verkaufen, Solarthermie. Er engagiert
sich in der Kirche, liest im Gottesdienst. Thema Schöpfungserhalt. Die
Leute lästerten, als er mit den Solaranlagen anfing. Dann kam das
Erneuerbare-Energien-Gesetz. Als er 1994 die Idee des City EL aus Dänemark
importierte, haben sie ihn belächelt. Das war lange vor der
Elektrooffensive der Regierung.
## Im Dreirad mit 60 km/h Spitzengeschwindigkeit
Karl Nestmeier ist ein christlich-ökologischer Rationalist. Er mag es, wenn
etwas Sinn ergibt.
Es geht in Autodingen aber nicht nur rational zu, in einem Land, in dem
selbst Gerd Lottsiepen, der Fahrzeugexperte des ökologischen Verkehrsclubs
Deutschland, über den City EL sagt: „Unter einem Auto versteht man ja
gemeinhin doch etwas anderes.“ Auch Lottsiepen wünscht sich, dass „solche
Fahrzeuge einen viel größeren Raum haben in unserer Verkehrswelt“.
Gleichzeitig muss er feststellen: „Viele Leute haben Angst, sich in so ein
Auto zu setzen – wenn sie umgeben sind von Panzern.“
Man braucht etwas Gelassenheit, um sich in diesem Autoland nicht als
Verkehrshindernis zu fühlen, wenn man mit 60 Stundenkilometern
Höchstgeschwindigkeit auf den drei Rädern des City EL über die Bundesstraße
braust. In einem Land, in dem Jugendliche mit tiefergelegten GTIs
abendelang übers Dorfpflaster röhren.
Es bräuchte kleine, leichte Fahrzeuge, sagt Karl Nestmeier. Damit die
Ressourcen dieser Erde wirklich geschont werden. Es bräuchte einen
Strukturwandel.
Der Verkehrsminister, der einen solchen Wandel finanziell fördern könnte,
er fährt im E-Golf vor. Und die Kanzlerin begutachtet das Modell am Rande
des CDU-Parteitags. Das sind Zeichen: Die Regierung will, dass alles bleibt
wie bisher. VW, BMW und Mercedes sollen große Wagen bauen. RWE, Vattenfall
und Eon sollen den Strom liefern, den diese Autos brauchen. Es müssen
Starkstromzapfsäulen her. Deshalb sind die Energiekonzerne an den
Elektromodellprojekten beteiligt, die die Elektrooffensive fördert. Ein
gutes Geschäft.
Karl Nestmeier muss sich selbst fördern. Einige Fahrer hätten ihre alten
Autos 2009 gern gegen einen City EL getauscht, obwohl er als Einsitzer mit
10.000 Euro ziemlich teuer ist. Nestmeiers Fahrzeuge wurden aber mit der
Umweltprämie nicht finanziert. Zu klein. Zu leicht. Als der damalige
Umweltminister Sigmar Gabriel den Betrieb auf dem fränkischen Hügel besucht
hat, sei dem die Kinnlade einen halben Meter runtergeklappt, sagt
Nestmeier.
Die Firma wächst dennoch. Nestmeier läuft durch die hellen Büroräume, zur
Landkarte mit den Fähnchen. Überall in Deutschland will er in die
Autohäuser. Er hat dafür die Smiles AG gegründet, mit einem grinsenden
Gesicht als Logo. Es haben sich hunderte Bewerber gemeldet. Man muss
aufklären, sagt er, dann verkauft man auch: „Die Leute müssen einen
Aha-Effekt im Kopf kriegen.“ Es ist nur nicht so klar, welche Art von Aha
den Leuten zu vermitteln ist.
Der Autoclub ADAC hat seine Mitglieder gefragt, was sie von Elektroautos
halten. 90 Prozent finden sie gut. Aber 40 Prozent würden dafür nicht mehr
Geld ausgeben. Rational betrachtet ist Nestmeiers City EL ideal. Er ist
gemacht für eine Person, die nicht allzu weit fährt. Im Schnitt sitzen in
Deutschland 1,3 Menschen in einem Auto. Gut 45 Prozent aller Berufspendler
legen dem Statistischen Bundesamt zufolge Strecken von weniger als zehn
Kilometern zurück. Trotzdem, schreibt der Umweltexperte Axel Friedrich in
einem seiner Reports, wollen Großstadtsingles meist lieber einen Fünfsitzer
– falls sie doch mal einen Ausflug machen oder zu Ikea fahren. Und dann ist
da die Angst, liegenzubleiben, gerade im Winter. Man kann in so einem Fall
keinen Stromkanister holen.
Es könnte sein, dass Karl Nestmeiers größter Gegner gar nicht die Industrie
ist und nicht die Politik, sondern der Kunde und seine Träume, seine
Sorgen.
Im Restaurant des Wolfsburger Ritz-Carlton klappert am Mittag leise das
Besteck auf den Tellern mit der Maispoulardenbrust. Ingenieure in Anzügen
reden über eine Autowelt, die noch nicht ihre ist. Gut, sagt einer, bisher
habe man die Elektroentwicklung eher auf Sparflamme gehalten. Aber nun gehe
es los.
Als sie studiert haben, gehörten zu einem Wagen Zylinder, Zündkerzen,
Abgasanlagen. Sie sind unsicher. Lädt man in zwei, drei Stunden per
Starkstrom oder in sieben, acht mit normalem? Wo sollen die Ladedosen hin?
An den Motor? Ist da nicht die Schmutzzone, der Dreck?
Der E-Golf fährt mit einer einzigen Aufladung nur bis zu 150 Kilometer weit
und bis zu 135 Kilometer pro Stunde schnell. Wenn in Deutschland einer
Tempo 130 auf Autobahnen fordert, reagieren viele, als hätte er die
Einführung der Todesstrafe verlangt. Kauft da jemand einen Golf, der gerade
mal 135 fährt? Bei VW haben sie keine Ahnung, ob das klappt. Nach außen
sagen die PR-Leute nicht, wie viele genau am E-Golf arbeiten.
Sie müssen jedenfalls so tun, als setzen sie viel aufs Elektroauto, sonst
können sie von der Politik keine Entwicklungsmillionen fordern, keine
Kaufprämie für E-Autos, wie es sie etwa in Frankreich gibt. Die
Autoindustrie, die sich jahrzehntelang jede Einmischung der Politik
verbeten hat, als es um die Senkung von CO2-Werten ging, plötzlich fordert
sie diese Einmischung – finanziell.
Noch vor dem E-Golf soll der Opel Ampera auf den Markt kommen, ein
Kleinwagen für 42.900 Euro. Es müsste ein kleines Batteriewunder geschehen,
wenn der E-Golf viel billiger werden soll. Mittlerweile gibt es
Überlegungen, E-Autos nicht zu verkaufen, sondern zu verleasen. Weil so
teure Wagen sonst keiner kauft. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle von der
FDP ist gegen eine Kaufprämie. Doch selbst wenn sie käme: Mit einem
Zuschuss von 5.000 Euro wäre ein Opel Ampera dreimal so teuer wie ein
ähnlicher Verbrenner.
Wahrscheinlich ist der Kunde ein Gegner, den VW und Nestmeier gemeinsam
haben.
## Der E-Golf bleibt liegen, der City EL scheppert
„Es muss funktionieren“, sagt Christoph Kielmann nach einem
Mandel-Amarettini-Eis mit getrockneten Moosbeeren, hinter sich weite
Fenster und rote Fabriktürme. „Es muss immer funktionieren.“ Das ist ihr
Anspruch. Am Vormittag sind sie mit den Journalisten im E-Golf durch
Wolfsburg gefahren. Sie haben die verschiedenen Beschleunigungsstufen
probiert, die Anzeige mit der blau leuchtenden Golfsilhouette begutachtet,
vorne, neben dem Lenkrad. Durch den virtuellen Golf flossen Energieströme,
und wenn man bremste, lud er sich auf, die Ströme wurden grün. Die Reifen
brummten über den Asphalt, gedämpft und dumpf. Stiller als Nestmeiers City
EL, der ein wenig scheppert. Seine Fahrerzelle ist nicht besonders
isoliert, die Bremsen sind nicht verstärkt. Man muss die Beine ein wenig
anstrengen, um das fränkische Dreirad anzuhalten.
Aber dann ist beim Testfahren ein E-Golf einfach liegen geblieben. Wieso?
Sie wissen es nicht. Es sei noch „sehr viel Handarbeit“, sagen sie. Es ist
ein Golf, den sie aus der normalen Produktionsstraße geholt haben, bevor
der Motorblock, bevor die Abgasanlage eingebaut worden waren. Sie werden
noch etwas brauchen, damit es funktioniert.
Der City EL läuft.
„Ach, die Kiste!“, ruft einer der VW-Ingenieure. Habe er nie als Auto
betrachtet. Sei doch beim leichtesten Aufprall Schrott.
Schrott? Karl Nestmeiers Füße federn in die Halle hinein. Er packt einen
Hammer, greift einen Brocken aus Kunststoff, knallt ihn auf den Boden und
drischt darauf ein. Sein Gesicht färbt sich rot. Das Eisen klopft auf den
Brocken, tockt, viel zu hell, fast wie ein Tischtennisball auf der Platte.
Nestmeier hält inne. Keine Delle im Kunststoff. „Polyurethan“, sagt er.
Ganz leicht der Stoff, trotzdem kaum kaputtzukriegen. Daraus sind die
Fahrerkabinen des City EL gemacht.
Noch so ein Thema, Nestmeier erzählt jetzt, energisch: Ein
Mercedes-Sprinter überfährt ein Stoppschild und „jubelt“ einem City EL vo…
in die Seite, die es dabei richtig „schrotet“, wobei die Wanne
„aufspreißelt“. Dem Fahrer sei nichts passiert. Das hat mit der
Massenträgheit zu tun und damit, dass der City EL leicht weggeschoben
werden kann. Im Gegensatz zu einem 1,5-Tonnen schweren E-Golf, der eher
stehen bleibt und zerquetscht wird.
Trotzdem: Der Golf ist das meistverkaufte Auto in Deutschland. Und auch
wenn Nestmeier seine Umsätze weiter verdoppelt und verdreifacht: Spätestens
im Jahr 2014 dürfte der E-Golf den City EL überholen, zahlenmäßig.
Ganz sicher ist es nicht.
Nestmeier steigt in einen Tazzari Zero, einen ultraleichten italienischen
Sporthüpfer, den er auch verkauft, sparsam und „piepeinfach zu fahren“. Er
drückt erst auf den grünen Knopf, Öko-Modus, dann schaltet er auf Rot,
Boostbetrieb, und schießt in den Ort hinein. Der Tazzari pfeift wie ein
Formel-1-Wagen. Mitten auf dem Dorfplatz von Baldersheim zieht Nestmeier
die Handbremse. Der Tazzari schleudert um 180 Grad herum. Karl Nestmeier
triumphiert: „Ja, ein Elektroauto ist keine Nuckelpinne!“
In diesem Moment ist er ein Mann, der einmal ein Teenager war, der in einem
Autoland aufwächst. Dort, wo Halbstarke hinter getönten Windschutzscheiben
sinnlos Benzin verbrennen. Weil es Spaß macht. Und Lärm. Und stolz.
■ Johannes Gernert, 30, sonntaz-Redakteur, fährt ein Diamant-Rad
15 Jan 2011
## AUTOREN
JOHANNES GERNERT
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