# taz.de -- Kandidat mit Vergangenheit | |
> ■ Vom Frauenbelästiger zum SPD-Bezirks-Vorsitzenden in spe: Johannes | |
> Kahrs macht Partei-Karriere. Von Marco Carini in Zusammenarbeit mit „HH | |
> 19“ | |
Wenn Anfang nächsten Jahres Ex-Wirtschaftssenator Volker Lange den | |
SPD-Vorsitz im Bezirk Mitte abgibt, steht der Nachfolger schon Gewehr bei | |
Fuß. Als aussichtsreichster Kandidat für den einflußreichen Parteiposten | |
gilt der 32jährige Johannes Kahrs, Intimus und Assistent von | |
SPD–Fraktionschef Günter Elste. | |
Der Youngster des rechten Hamburger SPD-Flügels sorgte in der Vergangenheit | |
schon des öfteren für Schmuddel-Schlagzeilen: Der Sohn des langjährigen | |
Bremer Justizsenators Wolfgang Kahrs terrorisierte mit nächtlichen Anrufen | |
eine politische Kontrahentin, profilierte sich als Bundessprecher des | |
„Wingolfbundes“ und als machtbesessener Polit-Taktiker. | |
Doch Kahrs überlebte bisher jeden Skandal um seine Person. Bereits im | |
August 1992 hatten über 50 hochkarätige Hamburger SozialdemokratInnen Kahrs | |
aufgefordert, von „sämtlichen Ämtern und Mandaten“ zurückzutreten und �… | |
prüfen, ob er einen weiteren Verbleib in der SPD (...) für sinnvoll hält“. | |
Der Grund für den „offenen Brief“, der unter anderem von der heutigen | |
Bundestagsabgeordneten Angelika Mertens, den BürgerschaftlerInnen Anke | |
Kuhbier und Günther Mertens, sowie einem Dutzend SPD-Distriktsvorsitzenden | |
und Kreisvorständen unterzeichnet wurde: Kahrs war überführt worden, die | |
linke Juso-Landesvorständlerin Silke Dose mit anonymen nächtlichen Anrufen | |
terrorisiert zu haben. | |
Dose hatte, nachdem sie monatelang durch nächtliche anonyme Drohanrufe – | |
“Ich krieg Dich, Du Schlampe" – tyrannisiert worden war, eine Fangschaltung | |
legen lassen, in der sich ihr politischer Kontrahent im Mai 1992 zweimal | |
verfing. Kahrs Begründung für seinen Telefon-Terror gegenüber Silke Dose: | |
„Wegen der anstehenden Juso-Wahl in Hamm hatte ich ein Interesse, über | |
Deinen tatsächlichen Wohnort Kenntnis zu haben.“ | |
Kahrs überstand die Telefon-Affäre nahezu unbeschadet. Er nahm sich den | |
heutigen Hamburger CDU-Fraktionschef Ole von Beust zum Anwalt, zahlte 800 | |
Mark Bußgeld und bastelte gemütlich an seiner Parteikarriere weiter. Der | |
Elste-Schützling gilt als rücksichtsloser Karrierist, der kein Mittel im | |
politischen Machtkampf scheut. Den Vorwurf eine Juso-Wahl in Bremen | |
manipuliert zu haben, konnte Kahrs nicht entkräften – der Urnengang mußte | |
wiederholt werden. Nach einem Bericht der Zeitschrift „BISS“ speichert er | |
im Computer die politische Orientierung von SPD–Mitgliedern. Eine | |
Augenzeugin: „Linke bekommen ein Sternchen, Rechte bleiben sauber“. | |
Politisch gilt Kahrs in der SPD als Rechtsaußen. So forderte er auf dem | |
letzten Landesparteitag vehement die Wieder-Einführung geschlossener | |
Kinderheime: Problem-Kids gehören weggesperrt. | |
Privat hat Kahrs ein besonderes Hobby. Der Reserveoffizier, der gerne damit | |
prahlt, daß er es „jedes Jahr auf drei Monate Reserveübungen gebracht“ | |
hätte, posiert gerne in vollem Wichs für die studentische Verbindung | |
„Wingolf-Bund“ (Wahlspruch: Gott, Freiheit, Vaterland). Jahrelang war er | |
gar Bundessprecher der deutschtümelnden Männer-Gilde. | |
Den angestrebten Bezirks-Vorsitz – Kahrs: „Ein sehr interessanter Posten“… | |
sieht der Polit-Karrierist nur als Zwischenstation an. Längst hat er sich | |
für den Bundestag ins Gespräch gebracht. Schon 1998, heißt es, wolle er den | |
Bundestagsabgeordneten Freimut Duve beerben. | |
1 Dec 1995 | |
## AUTOREN | |
Marco Carini | |
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