# taz.de -- Neue Herren, alte Probleme | |
> Gambias Militärjunta, die jetzt die Rückkehr zur Demokratie plant, hat in | |
> zwei Jahren Herrschaftszeit die Hoffnungen der Bürger enttäuscht ■ V… | |
> Bright Johnson | |
Der gegenwärtige Herrscher von Gambia, Kapitän Yahja Jammeh, putschte sich | |
im Juli 1994 an die Macht. Seine Militärjunta begründete damals in ihrer | |
ersten Rundfunkansprache den Sturz des bisherigen Präsidenten D. K. Jawara | |
mit der Notwendigkeit, die Nation zu retten. Die Bevölkerung Gambias | |
begrüßte daraufhin den Putsch in der Erwartung, nun werde sie gerettet. | |
Denn es gab gute Gründe, Jawara zu stürzen. | |
Unter Jawara, der das Land seit der Unabhängigkeit 1965 regierte, hatte | |
Gambia ein parlamentarisches System, aber Demokratie war mehr Mythos als | |
Wirklichkeit. Wahlen wurden gefälscht oder durch Einschüchterung der Wähler | |
vorentschieden. Die Justiz wurde von der Regierung nicht respektiert. Die | |
Pressefreiheit war eingeschränkt. Jawara liebte die Wahrheit nicht, und wer | |
ihm die Wahrheit sagte, galt als Feind und wurde entsprechend behandelt – | |
das betraf auch Kabinettsminister. | |
Auf seinen vielen Weltreisen stellte sich Jawara als Kreuzzügler für | |
Demokratie und Menschenrechte dar. Die USA und die frühere Kolonialmacht | |
Großbritannien halfen ihm finanziell bei der Einrichtung eines | |
„Afrikanischen Zentrums für Demokratie- und Menschenrechtsstudien“ in der | |
gambischen Hauptstadt Banjul 1986. Viele Gambier hielten das jedoch für | |
einen Schwindel. Denn zugleich vernachlässigte Jawara das Bildungswesen | |
völlig. Die Analphabetenrate stieg unter seiner Herrschaft. In seinen | |
dreißig Jahren Regierungszeit gründete er keine einzige Universität in | |
seinem Land. Die Intellektuellen Gambias sind alle im Ausland ausgebildet | |
worden, und die Jawara-Regierung verhielt sich intellektuellenfeindlich. | |
Das verursachte einen massiven „brain drain“. Viele Gambier sind überzeugt, | |
daß Jawara seine Bevölkerung bewußt in Dummheit halten wollte. | |
Die Jawara-Zeit hatte positive Seiten. Der Tourismus blühte, ausländische | |
Investoren strömten ins Land. Die Währung war stabil, die Inflation | |
niedrig. Aber in den meisten Hinsichten war das Jawara- Regime negativ zu | |
beurteilen. Unter Jawaras Herrschaft wurden Regierungsgegner auf erfundene | |
Beschuldigungen hin verhaftet, vor Gericht gestellt und ins Gefängnis | |
gesteckt. Das Ausmaß an grundlosen Festnahmen von Bürgern ließ Jawaras | |
internationalen Kreuzzug für Menschenrechte noch fragwürdiger erscheinen. | |
Jawara machte sich auch anderweitig unbeliebt. So ärgerte er seinen eigenen | |
Vater Almamy Jawara, als er sich vom Islam abwandte und zum Christentum | |
konvertierte, um seiner englischen Freundin Miss Mahoney zu gefallen, die | |
er dann heiratete. Der Vater verwünschte seinen Sohn. Schließlich ließ sich | |
der Präsident scheiden. Frau Mahoney starb später in einer Londoner Klinik. | |
In Schlüsselsektoren der Wirtschaft zogen Ausländer ein, während Gambier | |
arbeitslos blieben. Außerdem wurde ein Nigerianer oberster Kommandeur der | |
gambischen Armee, womit Gambia nicht nur in seiner Souveränität gefährdet | |
war, sondern die Regierung auch einen unpatriotischen Eindruck machte. | |
Aus all diesen Gründen entschlossen sich Soldaten schließlich zum Putsch. | |
Als Kapitän Jammeh und seine Kameraden im Juli 1994 die Macht ergriffen, | |
beschuldigten sie die gestürzte Regierung der Korruption, | |
Disziplinlosigkeit, Entscheidungsunfähigkeit, Mißwirtschaft und | |
Führungsschwäche. Sie versprachen eine Rückkehr zu ziviler Herrschaft in | |
zwei Jahren. | |
Das Militärregime startete eine Reihe von Kampagnen: Gegen Korruption, | |
gegen Disziplinlosigkeit, gegen Nepotismus, gegen Tribalismus, gegen | |
Drogenabhängigkeit, gegen Prostitution und andere Dinge, die als | |
Charakteristika der Jawara-Ära angesehen wurden. Im Geiste dieser | |
Kampagnenherrschaft wurde den gambischen Frauen sogar die Verwendung von | |
Hautaufhellern untersagt, aus Gesundheitsgründen. | |
Untersuchungskommissionen wurden eingesetzt, um die Korruptionsaffären der | |
Jawara-Ära zu durchleuchten. Viele hochrangige Staatsdiener haben seitdem | |
ihren Job verloren. Jawara und seine Freunde mußten ihre illegal | |
angeeigneten Besitztümer, darunter Großfarmen, an den Staat abtreten. | |
Die Mehrheit der Gambier, das zeigte sich jetzt bei der Abstimmung über | |
eine neue Verfassung, ist offenbar der Meinung, daß das Militärregime in | |
zwei Jahren mehr für Gambia geleistet hat als das zivile Regime in dreißig. | |
Die Militärregierung hat seit ihrer Machtergreifung fünf Oberschulen und | |
zwei Hochschulen gebaut. Neue Straßen und Brücken sind entstanden, | |
Programme zur Strom- und Trinkwasserversorgung der Landbevölkerung werden | |
umgesetzt, es gibt neue Gesundheitszentren. Kleinbetriebe florieren, die | |
landwirtschaftliche Produktion steigt. | |
Doch zugleich gibt es Entwicklungen, die zur Sorge anhalten müssen. Die | |
neue Regierung versprach Sicherheit, aber die Gambier leben in einem Klima | |
der Unsicherheit. Raubüberfälle nehmen zu, die Sicherheitskräfte tun wenig. | |
Der erste Finanzminister der Jammeh-Junta wurde von Unbekannten umgebracht. | |
Die Militärregierung steht mit der freien Presse auf Kriegsfuß. Ein neuer | |
Erlaß zur Zeitungsregistrierung erschwert die Gründung unabhängiger Medien. | |
Vor drei Monaten wurden sieben Chefredakteure verhaftet und des Verstoßes | |
gegen das neue Zeitungsgesetz angeklagt. Später wurde die Anklage nach | |
öffentlichen Protesten zurückgezogen. Ein respektierter liberianischer | |
Zeitungseigentümer wurde verhaftet und in seine bürgerkriegsgeschüttelte | |
Heimat deportiert, weil er ein „Sicherheitsrisiko“ darstelle. | |
Kapitän Jammeh hat mit seiner sogenannten Bewegung 27. Juli, benannt nach | |
dem Tag seines Putsches, eine embryonische politische Partei gegründet, und | |
viele Gambier meinen, dies beweise, daß er eigentlich an der Macht bleiben | |
will. Wenn Jammeh aber seine Versprechen nicht hält, riskiert er, Gambia in | |
einen Zustand der Gesetzlosigkeit zu versetzen. Er muß wissen, daß die | |
Gambier ihn nach seinen Taten beurteilen werden. | |
16 Aug 1996 | |
## AUTOREN | |
Bright Johnson | |
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