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# taz.de -- „Ich riskiere schlechte Überschriften“
INTERVIEW KLAUS JANSEN UND MARTIN TEIGELER
taz: Herr Wüst, Sie gehen gerne auf die Jagd. Wie können Sie da etwas gegen
Killerspiele haben?
Hendrik Wüst: Ich habe mit 16 Jahren meinen Jagdschein gemacht, in einer
Zeit, in der von Killerspielen noch niemand geredet hat. Und ich mache auch
heute noch einen deutlichen Unterschied dazwischen, ob jemand Spaß daran
hat, auf Leute zu schießen – oder ob er im Wald einen Abschuss tätigt.
Macht es Ihnen Spaß, abzudrücken?
Wir könnten jetzt sicher lange über den forstwirtschaftlichen Nutzen der
Jagd oder das Naturerlebnis reden. Aber ja: Ich würde lügen, wenn ich sagen
würde, dass das Beute machen bei der Jagd keinen Spaß macht – auch wenn ich
selbst keinen opulenten Trophäenschrank habe.
Versuchen wir es anders: Hatten Sie mit 16 einen Game Boy?
Nein, hatte ich nicht. Aber nicht, dass Sie mich falsch verstehen: Ich habe
prinzipiell nichts gegen Computerspiele.
Auf Ihrem CDU-Landesparteitag am Wochenende in Siegburg wollen Sie ein
Verbot von Ballerspielen ins Parteiprogramm schreiben.
Ja. Bei einigen Killerspielen haben wir mittlerweile einen Punkt erreicht,
an dem man Eltern dabei helfen sollte, ihre Kinder davor zu schützen.
Sie wollen Jugendliche auch vor Alkohol, Drogen und „sexueller
Verwahrlosung“ schützen. Sind Sie ein ängstlicher Mensch?
Weiß ich nicht. Aber es gibt für viele Menschen immer mehr Ecken, in denen
sie sich nicht wohl fühlen und auch Angst haben. Das ist meist ein
subjektives Empfinden. Wir wollen solche Angst-Räume nicht mehr dulden.
Wann haben Sie sich zuletzt subjektiv in einem Angst-Raum gefürchtet?
Im Angstraum Auto, als ich zu spät gebremst habe. Ist aber alles gut
gegangen.
Ist es Ihre Form von Gesellschaftskritik – zu sagen, dass man Angst haben
muss?
Wir haben uns an vielen Stellen der Gesellschaft eine Gleichgültigkeit
angewöhnt, die zu Lasten der Schwachen geht. Jugendliche können sich nicht
immer schützen, zumindest wenn Sie von ihren Eltern keinen
verantwortungsvollen Umgang mit Dingen wie Killerspielen und
Gewalt-Fernsehen gelernt haben.
Also war es ein Fehler der CDU, in den 80ern Privatfernsehen zugelassen zu
haben?
Diese Frage habe ich mir auch oft gestellt. Natürlich will ich nicht nur
Staatsfernsehen – aber ich finde es nicht gut, wenn Kinder nach dem
Mittagessen in Gerichtsshows Einspielfilme über Vergewaltigungen und
ähnliches zu sehen bekommen. Wir sollten uns zumindest überlegen, ob man
solche Dinge nicht wieder in den Abend verschiebt – dorthin, wo sie früher
zu Recht waren.
Sind die Programmanträge für den Parteitag absichtlich besonders
konservativ formuliert worden?
Ich würde mir wünschen, dass alle Parteien so denken wie wir. Aber wenn wir
mit unseren Vorschlägen den einen oder anderen besonders konservativen
Wähler abholen, nehme ich das gerne mit.
Ist es konservativ, Familien die Kinder wegzunehmen, um sie in ein
Erziehungscamp zu stecken?
Das ist sicher nicht die traditionelle CDU-Politik. Aber wir müssen
einsehen, dass heute viele Familien überfordert sind. Da muss sich auch ein
Konservativer fragen, ob er den Wert der Familie in jedem Einzelfall über
alles stellt. Ich bin dafür, dass der Staat sich auch kümmert – notfalls
auch mit Zwang.
Der konservative Schwerpunkt: Ist das Ihr persönliches Anliegen in der
nordrhein-westfälischen CDU?
Ich habe das Thema Innere Sicherheit und hier die Bekämpfung der
Jugendgewalt ganz bewusst gesetzt. Insofern ist es mein Projekt.
Ist das nicht ein ganz altes Spiel: Ein junger Politiker macht Karriere in
der CDU, steigt schnell auf und versucht dann, sich mit
Law-and-Order-Themen zu profilieren?
Über die Rasanz meiner Karriere kann man viel philosophieren, da gab es
sicher auch Atempausen. Es gibt kein Handbuch für Generalsekretäre.
Da hätte bestimmt auch nicht dringestanden, dass man Arbeitslose dazu
auffordern sollte, Hundekot, Drogenspritzen und Glasscherben auf
Kinderspielplätzen aufzusammeln. Trotzdem sind Sie mit dieser Forderung
über die Bild-Zeitung bekannt geworden.
Ich habe mich damals gewundert, bei wie vielen Leuten ich mich damals
unbeliebt gemacht habe. Die Reaktionen waren damals schon krass, dabei habe
ich nur die Realität beschrieben: Ich habe nur gesagt, dass es auch einem
Akademiker zuzumuten ist, einen Kinderspielplatz sauber zu machen. Erst
dann kam der deskriptive Teil des Satzes. Und auf Spielplätzen liegen eben
häufig Hundekot und Spritzen, daran gibt es nichts zu rütteln.
Die Zumutbarkeit gilt also auch für den von Ministerpräsident Jürgen
Rüttgers so umsorgten 55-Jährigen, der fast 40 Jahre lang gearbeitet hat?
Wenn es nach uns geht, bekommt der ja immerhin ein Jahr länger
Arbeitslosengeld I.
Das Spritzen-Beispiel: Ist das Ausdruck Ihres Temperaments oder Ihrer
Politikergeneration?
Vielleicht ist das eine Generationenfrage. Ich riskiere eben auch schon
einmal eine schlechte Überschrift, wenn ich mir in der Sache sicher bin.
Unterscheidet Sie das vom eher langsamen Rüttgers?
Ich finde ihn nicht langsam. Fragen Sie mal, was im Moment an den Schulen
los ist. Die erzählen Ihnen etwas anderes, was unser Tempo angeht.
Trotzdem ist Rüttgers langsamer und weniger polarisierend als etwa
Friedrich Merz.
Er ist Regierungschef. Er muss den Laden zusammenhalten.
Wer ist eher ein Vorbild: Der vorsichtige Rüttgers oder der wilde Merz?
Die beiden eint mehr, als man meint. Und man kann von beiden etwas lernen.
Zum Beispiel?
Von Merz kann ein junger Politiker lernen, pointiert zu reden und seinen
Standpunkt klar zu machen. Und von Rüttgers kann man lernen, dass zu
Politik mehr gehört als Pragmatismus. Er kann den Dingen eine Idee geben,
einen Überbau. Deshalb kann er die Leute mitnehmen.
Was ist der Überbau?
Im Fall von unseren Vorschlägen zum Arbeitslosengeld geht es darum,
Eigenverantwortung zu stärken. Wer das will, kann den Leuten im Fall der
Arbeitslosigkeit nicht ihre Vorsorge wegnehmen – zumal es in Zukunft kaum
noch stete Arbeitsbiografien geben wird. Da kann es passieren, dass jemand
auch mal länger als 13 Monate arbeitslos ist.
Sie wären aber nicht auf die Idee gekommen, das Thema in der Sommerpause
nach vorne zu bringen, oder?
Ich war überrascht, wie intensiv der Ministerpräsident in seinem Urlaub
arbeitet.
Mittlerweile sind Rüttgers‘ Vorschläge zur Hartz-Generalrevision tot.
Nein. Die stehen jetzt sogar im Grundsatzprogrammentwurf der CDU.
Rüttgers selbst plant keine Bundesratsinitiative für ein längeres
Arbeitslosengeld I.
Wenn Franz Müntefering das in der großen Koalition in Berlin nicht will,
macht es keinen Sinn, da jedes Mal vor die Pumpe zu laufen.
Sie sind 30 Jahre jünger als viele Parteifreunde. Worüber unterhalten Sie
sich mit Rüttgers nach dem Wochenende? Über die Party vom Samstag?
Ich glaube nicht, dass Jürgen Rüttgers Interesse an meinem Samstagabend
hat. Aber ich will zurückweisen, dass wir in der CDU nur über 60-Jährige
haben. Im Gegenteil: Wir haben die jüngsten Funktionsträger.
Und mit denen reden Sie über Ihre Lieblingsmusik?
Meine Plattensammlung ist seit einigen Jahren nicht mehr gewachsen.
Was war das letzte, das Sie sich gekauft haben?
Ich habe vor kurzem eine Höhner-CD geschenkt bekommen.
Und davor? Nirvana oder Modern Talking?
Aaah. Nee. Modern Talking bestimmt nicht. Nirvana hab ich schon manchmal
gehört. Und viel Queen.
Die hört Unions-Bundestagsfraktionschef Volker Kauder auch gerne. Wechseln
Sie etwa bald nach Berlin?
Nee, in Berlin habe ich schon gearbeitet. Düsseldorf ist schön. Eine
Kandidatur für den Bundestag schließe ich aus.
5 May 2007
## AUTOREN
KLAUS JANSEN / MARTIN TEIGELER
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