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# taz.de -- Teures Nachspiel, langes Nachspiel
> ATOMKRAFT Der Abriss des AKW Würgassen kostet fünfmal so viel und dauert
> fünfmal so lange wie der Bau. Von der versprochenen grünen Wiese ist auch
> nach offiziellem Ende der Arbeiten nichts zu sehen
GÖTTINGEN taz | Keine grüne Wiese, nirgends. Spätestens 2014, so hatte es
Betreiber Eon versprochen, würden wieder Kühe grasen, wo das Atomkraftwerk
Würgassen jahrelang Strom und Atommüll produzierte. Stattdessen ragt eine
Industrieruine wie ein Wahrzeichen 60 Meter hoch in den Himmel über dem
nordrhein-westfälischen Weserdorf Würgassen: das wuchtige Reaktorgebäude,
das Maschinenhaus, beide entkernt, dekontaminiert und weitgehend leer
geräumt. Direkt daneben zwei weitere große Hallen, die einst das
Nachkühlsystem und Transportfahrzeuge beherbergten – heute lagern dort
Tausende Fässer und Hunderte Container mit Atommüll, für die es derzeit
keine dauerhafte Lagerstätte gibt.
Offiziell ist der Rückbau des Atomkraftwerks abgeschlossen. „Wir haben es
geschafft“, sagte Ralf Güldner, Geschäftsführer von Eon Kernkraft und im
Nebenjob Präsident der Lobbyorganisation Deutsches Atomforum, vor wenigen
Tagen. Bereits Ende August seien die letzten Kontrollmessungen erfolgt.
Seit Anfang Oktober gilt die Anlage nicht mehr als „Kernkraftwerk im
Rückbau“, sondern als Zwischenlager für schwach und mittelradioaktiven
Abfall. Das dafür vorgesehene Endlager Schacht Konrad wird keinesfalls vor
2022 in Betrieb gehen. Frühestens dann kann Würgassen tatsächlich wieder
zur grünen Wiese werden.
Der mit einer elektrischen Leistung von 630 Megawatt vergleichsweise kleine
Siedewasserreaktor war das erste vollständig kommerziell genutzte AKW in
der Bundesrepublik. Es ging 1971 nach knapp vier Jahren Bauzeit ans
Stromnetz. Noch während der Inbetriebnahmephase strömten mehr als 1.000
Kubikmeter stark verstrahltes Wasser in den Sicherheitsbehälter und weiter
in die Weser. 1973 lösten Risse an einer Frischdampfleitung Besorgnis bis
in höchste Regierungskreise aus. Nach Ansicht des damaligen Innenministers
Hans-Dietrich Genscher (FDP) kam der Schaden einem GAU bedenklich nahe.
Ursprünglich war in Würgassen ein Betrieb bis 2010 geplant. Doch 1994
entdeckte der TÜV bei einer Routineinspektion bis zu sechs Zentimeter lange
Haarrisse in einem Stahlzylinder am Reaktorkern. Die Atomaufsicht verlangte
den Austausch des Zylinders. Das hätte 200 Millionen Mark gekostet und zwei
Jahre Stillstand bedeutet. Weil sich das nach Ansicht des Betreibers
PreussenElektra, eines Eon-Vorläufers, nicht lohnte, entschied sich das
Unternehmen für die dauerhafte Abschaltung.
Drei Jahre später begann der Rückbau. Die Brennelemente wurden entfernt und
zur französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague gekarrt; Maschinen,
Rohre und der Reaktor selbst in handliche Stücke zerlegt, gereinigt und
teilweise eingeschmolzen; die Betonwände auf Radioaktivität hin untersucht
und, wenn nötig, abgetragen. Bauschutt aus Würgassen landete teilweise auf
Deponien in Sachsen. Hunderte Beschäftigte von Eon und Fremdfirmen hatten
in den vergangenen 17 Jahren gut zu tun.
Mehr als 1 Milliarde Euro hat der Abbau bislang verschlungen, fünfmal so
viel wie der Bau und viermal so viel wie ursprünglich veranschlagt. Das
lässt Rückschlüsse zu auf die Kosten, die beim Abriss der großen
1.300-Megawatt-Reaktoren entstehen werden – und darauf, dass die von den
Energiekonzernen dafür gebildeten Rückstellungen vorne und hinten nicht
reichen. Die britische Unternehmensberatung Arthur D. Little hatte die
Abrisskosten pro Meiler kürzlich mit 670 Millionen bis 1,2 Milliarden Euro
beziffert.
Rentiert hat sich das AKW Würgassen aber trotzdem, sagt Eon-Sprecherin
Petra Uhlmann. „Sonst hätten wir es ja nicht betrieben.“ Rund 75 Milliarden
Kilowattstunden Strom habe der Reaktor erzeugt. REIMAR PAUL
20 Oct 2014
## AUTOREN
REIMAR PAUL
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