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# taz.de -- The name of the game is fame
> Im Kunstraum Kreuzberg widmet sich „Backjumps“ der Street Art als Kunst
> im öffentlichen Raum. Ein Vorabspaziergang mit Kurator Adrian Nabi
VON TIM ACKERMANNN
Street Art gibt’ auch beim „Kaiser’s“ am Kotti: Lachende Zitronen und
Kirschen auf den Außenwänden sorgen für Farbe in der Betontristesse. „Das
sind Auftragsarbeiten des Unternehmens, um die Tags von anderen Writern
fernzuhalten“, sagt Adrian Nabi. Aber das ist kein Problem für den
37-Jährigen. „Ich will das nicht verurteilen. Das muss jeder selbst wissen,
ob er das macht.“ Adrian Nabi ist eine Berliner Autorität in Sachen Street
Art. Er hat, so erzählt er, 1989 als „Sprüher-Manager“ für die berühmte…
Boys Crew aus Paris selbst den ersten „Kaiser’s“-Auftrag an Land gezogen.
Heute ist der Mann mit der Old-School-Hornbrille Kurator von „Backjumps –
The Live Issue #3“. Diese Ausstellung präsentiert ab Samstag im Kunstraum
Kreuzberg/Bethanien aktuelle Entwicklungen der Sprühdosenkunst. Jetzt soll
Nabi allerdings bei einem Spaziergang erst einmal etwas zu Graffiti in
Kreuzberg erzählen. Und während Nabi also erzählt, fährt ein Lieferwagen
vorbei, auf dessen Seite jemand gelbe Lettern gesprüht hat. Ein
unentzifferbarer Code. „Ein geiler Throw-up“, sagt Nabi. Throw-ups sind in
einem Linienzug aufgetragene Bubble-Buchstaben. „Das ist die Ästhetik des
New York Subway Graffiti.“
Der Kreuzberger Spaziergang führt tiefer in die Eingeweide des Kottbusser
Tors. Eine Drogerie, ein paar Kebab-Buden, dann an einem Eissalon vorbei.
Auch Nabis Erzählungen sind verschlungen: Sprayer-Begriffe, Makrobiotik,
Baudrillards Graffiti-Theorie. Der Backjumps-Kurator ist jedenfalls extrem
begeisterungsfähig. 1985 kam er zum Sprühen. „Beim Graffiti geht es darum,
den eigenen Namen so individuell und so oft wie möglich zu schreiben“, sagt
er. „The name of the game is fame.“ Zwar hat er selbst schon lange keine
Farbdose mehr in der Hand gehalten, aber dafür mit seinem Magazin
„Backjumps“ ein Forum für die Writer geschaffen, das weltweit Beachtung
findet. Das gleichnamige Ausstellungsprojekt will mit einem Netzwerk
kooperierender Projekte und Galerien „die Stadt zu einem lebendigen Magazin
werden lassen“. Vorträge, Stadtspaziergänge und Performances gehören zum
Programm.
In einer kleinen Gasse hinter dem Kotti hält Nabi an. „Stinky Corner“ nennt
er die Ecke. Es riecht hier manchmal nach Abfällen. An einer Wand sind zwei
Flächen für Werbeplakate reserviert, die der „Backjumps“-Kurator angemiet…
hat, um hier während der Schau Street-Art-Künstler zu zeigen. „Die Frage
ist doch: Wie viel Traffic hat ein Spot?“, sagt er. „Deshalb ist die Straße
wichtig. Wie viele Leute schauen sich schon eine Graffiti-Ausstellung in
einer Institution an?“ Berechtigte Frage, auch wenn 2005 zur zweiten
„Backjumps“-Ausstellung 30.000 Besucher kamen. „Stinky Corner“ hat trot…
mehr Durchlauf und einen repräsentativeren Bevölkerungsquerschnitt.
Vielleicht hatten das auch die unbekannten Writer im Kopf, die sich auf den
Betonwänden der Gasse mit Tags verewigt haben. „Riko“, „Sam“, „Kurde…
-55-“. Auf dem weiteren Spaziergang durch die Adalbertstraße werden die
Graffiti kryptischer: „Swar“, „HB“. Dazwischen eine Ratte von
Schablonen-Star Banksy. Ein wuselnder antihierarchischer Zeichenkosmos, der
regelmäßig übertüncht wird. „So ist die Großstadt“, sagt Nabi. „Alle…
und geht wieder.“ Sein eigener Name ist schon längst von den Straßen
verschwunden.
Mit einer Ausnahme in der Adalbertstraße 20: Ein kunstvolles
Wild-Style-Piece in Beige, Hellblau und Tarngrün – 1989 formvollendet
gesprüht vom legendären „Amok“, alias Veysel Önder. Das Werk entstand mit
Einverständnis der Hausbesitzer. Deshalb steht heute noch „Amok“ auf der
einen Seite der Toreinfahrt und „Adrian“ auf der anderen. Eine
Freundschaftsgeste von Amok für seinen Kumpel, mit dem er sogar eine Zeit
zusammengewohnt hat.
Ein paar Jahre davor war Nabi noch obdachlos. Mit 16 ist der Sohn eines
afghanischen Vaters und einer iranischen Mutter von zu Hause abgehauen, hat
in Hauseingängen geschlafen. Wenn Nabi sagt, dass seine Inspiration von der
Straße kommt, ist das durchaus wörtlich zu nehmen. Heute lebt der
37-Jährige von Hartz IV. Für das Kuratieren lasse er sich kein Honorar
auszahlen, sagt er. Ziemlich prekär, irgendwie.
Wichtiger als Geld ist ihm aber, etwas in der Stadt zurückzulassen, was
bleibt. Deshalb informiert die „Backjumps“-Schau mit ihren Workshops und
Spaziergängen nicht nur über Street Art, sondern verändert auch konkret das
Aussehen der Metropole. Nabis Kreuzberg-Promenade endet im Wrangelkiez, wo
2005 einige „Backjumps“-Künstler öde Brandmauern als „visuelle Oasen“
gestalteten. Hinter einem Spielplatz an der Görlitzer Straße etwa prangt
ein haushohes Mural, das ein Fantasielandschaft mit blauen Bäumen, rosa
Himmel und kugelrunden Tieren zeigt. Auch im Rahmen der aktuellen
Backjumps-Schau werden in Kreuzberg 36 wieder vier Fassaden bemalt. Nabi
verhandelt mit Hausbesitzern noch über weitere Flächen. Am liebsten würde
er 10 bis 15 Brandmauern pro Jahr gestalten lassen, sagt er: „Es gibt so
viel Aggression in der Großstadt – da bin ich froh, wenn mich die Bilder
zum Lächeln bringen.“
„Backjumps – The Live Issue #3“. Vom 23. Juni bis 19. August im Kunstraum
Kreuzberg/ Bethanien, Mariannenplatz 2. Katalog: 320 Seiten, 29 €
21 Jun 2007
## AUTOREN
TIM ACKERMANNN
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