# taz.de -- Beethoven in breiten Streifen | |
> AUSSTELLUNG Der Architekt Sakari Laitinen bespielt mit seinen Bildern das | |
> Wolfsburger Kunsthaus, das sein Lehrer Alvar Aalto entworfen hat. Die | |
> Stadt weiß nicht recht, was sie mit dem Gebäude anfangen soll | |
Was soll aus dem Alvar-Aalto-Kulturhaus werden? Die Wolfsburger Nachrichten | |
fordern schon mal ihre Leser auf, ein Wörtchen mitzureden. Und auch | |
Ratsfrau Sandra Straube sowie ihrem Kollegen Hans-Joachim Throl reißt | |
langsam der Geduldsfaden. Grund des kollektiven Unmuts: Das Kulturhaus wird | |
seinen publikumsstärksten Nutzer, die Bibliothek, verlieren. Es ist | |
politischer Wille, dass die Bücherei Bestandteil eines neuen Bildungshauses | |
wird. Der Architektenwettbewerb dazu läuft. Für die leer werdenden Räume im | |
Kulturhaus aber fehlen Ideen. | |
Fast so, als wolle man von den Problemen ablenken, veranstaltet der | |
Kunstverein Wolfsburg derzeit mit großem Begleitaufwand eine Ausstellung | |
des finnischen Künstlers und Architekten Sakari Laitinen im Kulturhaus – | |
wohl auf Veranlassung des Forums Architektur des örtlichen Baureferats und | |
die Alvar-Aalto-Gesellschaft aus München. | |
Laitinen, geboren 1937, umweht die Aura, zu Beginn seiner Karriere noch | |
selber bei dem Übervater der finnischen Architektur, Alvar Aalto | |
(1898-1976), gearbeitet zu haben. Laitinen relativiert das: Als Student, um | |
1960 herum, sei er in Aaltos Büro gewesen. Am Nebentisch saßen damals die | |
Kollegen über den Plänen für das Wolfsburger Kulturhaus und die zeitgleich | |
am Ort gebaute Heilig-Geist-Kirche. | |
Später, in der Mitte der 1960er, war Laitinen dann Hochschulassistent bei | |
dem gern als Gewissen des finnischen Designs bezeichneten deutschstämmigen | |
Kaj Gabriel Franck (1911-1989). Danach folgten rund 50 Jahre freiberufliche | |
Praxis in Helsinki, die auch Möbeldesign, Innenarchitektur, kuratorische | |
Tätigkeiten im Finnischen Architekturmuseum und redaktionelle | |
Verpflichtungen für das Fachmagazin Arkkitehti umfasste. | |
Sakari Laitinens nun gezeigte freie künstlerische Arbeiten haben | |
unverkennbar ihre Wurzeln in Architektur, Innenraumgestaltung und Design. | |
Seit dem Ruhestand, kann sich der 77-Jährige in seine schönen Künste | |
vertiefen, wie der Ausstellungstitel Preoccupation III nachweisen soll. Als | |
praktizierender Architekt fand er dafür nie Zeit. | |
Laitinens Arbeiten sind allesamt ganz ansehnlich. Da sind etwa Reliefs aus | |
farbigem Karton, die wie abstrahierte Studien zu Baumassen oder | |
städtebaulichen Anlagen daherkommen. Man assoziiert die 1960er Jahre. | |
Kleine, in der Regel monochrome Konstruktionen spielen mit den ästhetischen | |
Konventionen von Architekturmodellen. Sie changieren zwischen konkreter | |
Raumdifferenzierung und kompakt reduziertem Monolithen. Sie sind als | |
Paraphrasen, beispielsweise auf den filmischen Expressionismus eines Fritz | |
Lang, zu verstehen. | |
Und auch die Temperamente bedeutender Musiker finden sich als collagierte | |
Abstrakta: Beethoven halt in breiten, strengeren Streifen, Miles Davis in | |
blumigem Pop. Das tut niemandem weh und erinnert auf rührende Weise an | |
pädagogische Versuche zur Aufmunterung im Kunstunterricht. Es sollte | |
deshalb auch nicht mit Verweisen auf die Kunstgeschichte, etwa den | |
Konstruktivismus geadelt werden. | |
Deren Protagonisten durchdrangen ganz andere Fragestellungen, rangen um | |
eine Erneuerung der Kunst als Spiegel gesellschaftlicher Umbrüche im frühen | |
20. Jahrhundert. Sie spielen in einer anderen Liga. Auch Parallelen zu | |
Alvar Aaltos kraftvoll humaner Künstlerpersönlichkeit und seiner immer | |
überraschend multiplen Produktivität verbieten sich. Für die in Wolfsburg | |
so sehnsüchtig herbeizitierte Weltklasse hat man aber ja dessen | |
architektonisches Vermächtnis – leider derzeit wenig geliebt. BETTINA MARIA | |
BROSOWSKY | |
Sakari Laitinen Preoccupation III: bis 4. Dezember, Wolfsburg, Alvar Aalto | |
Kulturhaus | |
18 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
BETTINA MARIA BROSOWSKY | |
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