# taz.de -- „Hm, schon wieder Schäuble“ | |
> CLAN Thomas Schäuble ist der kleine Bruder von Wolfgang – und Chef der | |
> großen badischen Brauerei Rothaus. Ein Gespräch über Bier, Sucht, Politik | |
> und den Hass auf Helmut Kohl | |
INTERVIEW GEORG LÖWISCH FOTOS STEFAN PANGRITZ | |
Rothaus im Hochschwarzwald, kurz vor elf, die Sonne scheint. Thomas | |
Schäubles Zimmer liegt im Verwaltungsgebäude der Staatsbrauerei, das | |
Fenster steht offen, unten wurde gerade Malz von einem Laster abgeladen, | |
aber jetzt ist draußen alles ruhig. Seine Stimme und ihre badische | |
Einfärbung erinnern stark an seinen älteren Bruder Wolfgang. | |
taz: Herr Schäuble, ist der so lange regnerische Sommer für Ihr Bier, Ihr | |
Tannenzäpfle, eine Katastrophe? | |
Thomas Schäuble: Wir hatten ein wahnsinnig schönes und damit erfolgreiches | |
Frühjahr. Und der Mai war exzellent. Wie auch die anderen Brauereien lagen | |
wir im Plus. Der Juli, der hat allerdings zugeschlagen, da haben wir | |
erheblich weniger verkauft. Bier ist ein Durstlöscher, und da ist die Sonne | |
der beste Verkäufer. | |
Und sonst ist noch alles in Ordnung hier oben? | |
Der Absatz ist im vergangenen Jahr etwas zurückgegangen. Aber wir sind so | |
erfolgreich, dass es schwierig ist, jedes Jahr die eins mit Sternchen zu | |
machen. Wir haben eine Umsatzrendite von über dreißig Prozent. Gigantisch. | |
Normal sind bei Brauereien vielleicht drei, vier Prozent. | |
Ich meinte mit der Frage eher die Wende in Baden-Württemberg. Grün-Rot | |
regiert. Die Brauerei ist im Besitz des Landes. Und einen ehemaligen | |
CDU-Politiker wie Sie müsste es so erschüttern, dass das Bier aus den | |
Fässern schwappt. | |
Also ich bin 63 Jahre alt und bald 40 Jahre im Berufsleben, davon 20 Jahre | |
als Oberbürgermeister beziehungsweise Minister. Mich erschüttert so schnell | |
nichts. Außerdem habe ich als Chef hier in Rothaus immer auf ein gutes | |
Verhältnis zu allen Fraktionen im Landtag geachtet. Ich habe ihnen die | |
Brauerei gezeigt, und alle haben schon damals gesagt: Am Status der | |
Brauerei würde sich nichts ändern, wenn wir rankommen. | |
Warum gehören eigentlich alle Rothaus-Aktien dem Staat? | |
Wir sind eine Gründung des Benediktinerklosters in Sankt Blasien. Der Abt | |
war auch der weltliche Herr. Durch die Säkularisation kam Rothaus zum | |
Großherzogtum Baden: Dieses hat die Brauerei also nicht gegründet. Dann | |
blieb sie beim Staat, und da wir nie einen Dukaten, Groschen, Pfennig, Cent | |
gekostet haben, war es immer recht. | |
Was halten Sie vom indirekten Nachfolger des Großherzogs? | |
Sie meinen Herrn Kretschmann? Also ich schleich ihm jetzt nicht nach, weil | |
er Ministerpräsident ist, da steigt ja die Zahl der Freunde schlagartig. | |
Aber ich kenne ihn verhältnismäßig gut aus der Zeit, als er | |
Fraktionsvorsitzender war – ein sachliches, kollegiales Verhältnis ohne | |
persönliche Schärfen. | |
Sie fürchten nicht, dass er Ihren Laden umkrempeln will wie den | |
Energiekonzern EnBW, der ebenfalls mehrheitlich dem Staat gehört? | |
Das ist eine ganz andere Nummer. Die Energiewende und die Prioritäten von | |
Grün, von Rot – inzwischen ja auch von Schwarz – werden sich in der | |
Unternehmensphilosophie wiederfinden. Bei uns wäre es nur ein Problem, wenn | |
wir eine Regierung hätten, die sich den Kampf gegen den Alkohol auf die | |
Fahnen geschrieben hat. Aber zum Glück schätzen die Damen und Herren von | |
Grün-Rot ab und zu ein Tannenzäpfle oder ein Bier von einer anderen guten | |
Brauerei. | |
Böte Rothaus nicht für Grün-Rot ein paar schöne Posten? Ihren zum Beispiel? | |
Mein Vertrag läuft bis September 2014. Ich habe auch vor, ihn zu erfüllen. | |
Es gibt jetzt zwar Veränderungen im Aufsichtsrat. Aber da geht die | |
Regierung behutsam vor. Von sechs Aufsichtsräten, die das Land als Aktionär | |
bestimmt, sind zwei neu gekommen. Der junge Landwirtschaftsminister, Herr | |
Bonde, und der Finanzstaatssekretär, Herr Rust. | |
Ein Christdemokrat muss doch schockiert sein über die neuen Verhältnisse in | |
Stuttgart! | |
Ich habe Ihre Frage auf die Brauerei bezogen. Dass ich als ein CDU-Mann | |
nicht glücklich über die letzte Landtagswahl bin, ist klar. Aber ich halte | |
mich mit Äußerungen zur politischen Lage zurück. | |
Neutralität auf tausend Metern im Hochschwarzwald. | |
Ich habe mir schon seit meinem Wechsel aus der Politik hierher 2004 jeden | |
ungebetenen Rat verkniffen. Ratschläge sind auch Schläge. Meine Kollegen in | |
der Brauerei und ich sehen unsere Aufgabe darin, ein gutes Bier zu machen. | |
Und es zu verkaufen, damit das Land weiter Spaß an seiner Dividende hat. | |
Insgesamt führen wir bei einem Umsatz von etwa 85 Millionen Euro an | |
Dividende und Steuern über dreißig Millionen an den Staatssäckel ab. | |
Dabei wirkt hier alles so entschleunigt wie in diesem | |
Jack-Daniels-Werbespot, wo die alten Schnapsbrenner gemächlich mit Korken | |
ein Zielwerfen veranstalten. | |
Weil es ein Donnerstagvormittag ist. An einem schönen Wochenende schaffen | |
wir den Andrang gar nicht. Aber wir freuen uns, wenn die Leute in unseren | |
Gasthof einkehren, einen Blick durchs Fenster ins Sudhaus werfen oder den | |
Zäpfleweg abgehen. Das ist wie beim Wählerverhalten: Die Zahl der | |
Stammwähler nimmt ab und die Markentreue auch. Da muss man was tun. Und | |
hier in der Region sind wir verwurzelt. Der Hype, den wir in Berlin fast | |
geschenkt bekommen, wird sich irgendwann zugunsten eines anderen Getränkes | |
ändern. Kult hält nicht ewig. | |
Ihr Bier schaffte es nach Berlin, Ihr Bruder ist auch dort. Warum sind Sie | |
nie dort gelandet? | |
Schlecht recherchiert! Ich hab ein Semester in Berlin studiert. Und als | |
Landesminister bin ich oft hingeflogen. Ich bin sehr gern in Berlin. | |
Aber Sie sind im Schwarzwald geboren, in Hornberg, 4.000 Einwohner. Und 63 | |
Jahre später sitzen Sie im Schwarzwald, in Rothaus, zirka zehn Einwohner. | |
Drei. Der Braumeister, seine Frau und ich. | |
Der Schwarzwald ist Ihr Leben. | |
Als Kind war das ganz anders. Wenn ich eine nicht so gute Note schrieb, bin | |
ich von meinem Vater Gott sei Dank nicht verhauen worden, aber ich musste | |
dann bei einer Wanderung mitmachen. Das war auch eine kleine Strafe. | |
Ihr Vater soll gesagt haben: „Vom Durchschnitt haben wir genug.“ | |
Ja, da habe ich in einer Klassenarbeit eine drei geschrieben und gesagt: | |
„Durchschnitt war aber 3,2.“ Wir sind schon gestriezt worden. Ist uns ja | |
nicht schlecht bekommen. | |
Auch das Strafwandern im Schwarzwald nicht. | |
Ich habe das damals nicht gehasst, aber der Schwarzwald nervte mich. Ich | |
wollte raus. Ich war bei der Bundeswehr in der Nähe von Hamburg, in | |
Freiburg zum Studium und eben in Berlin. Aber mit vierzig ist mir die | |
Gegend hier wieder wichtig geworden. Ich habe eine Wandergruppe aufgemacht | |
und die Liebe zum Schwarzwald wiederentdeckt. Ohne das wäre ich nicht nach | |
Rothaus gegangen. Wenn Sie Pech haben, fängt der Winter hier oben im | |
Oktober an. | |
In Hornberg wuchsen Sie als jüngster von drei Brüdern auf. Hat es Sie | |
gestört, der „kleine Schäuble“ genannt zu werden? | |
Wir waren drei Brüder, der älteste ist jetzt im Mai gestorben. Der kleine | |
Schäuble – so was bezog sich ja nur auf das Verhältnis von Wolf zu mir. Am | |
Anfang, als ich 1984 die Wahl zum Oberbürgermeister in Gaggenau gewonnen | |
habe, war er noch nicht bekannt. Aber später, als ich Landesminister war, | |
schon. Der Wolf ist eine andere Liga – einer der drei, vier entscheidenden | |
Köpfe der letzten Jahre in der Politik. Da musste ich mit solchen | |
Äußerungen leben. Natürlich war der Name auch ein Vorteil. Natürlich ist so | |
was aber auch gefährlich. Hätte ich einen Unsinn daherverzapft, hätte das | |
mehr reingeschlagen als ohne so einen Bruder. | |
Aber bei den Schäubles ist die Familie doch eher ein Vorteil. | |
Na ja, nehmen Sie mal die Tochter meines Bruders, die Christine. Als sie | |
Hauptabteilungsleiterin beim Südwestrundfunk geworden ist, hieß es: „Hm, | |
schon wieder Schäuble.“ | |
Obendrein wurde im Juli Christines Mann Thomas Strobl auch noch | |
CDU-Landesvorsitzender in Baden-Württemberg. | |
Genau, jetzt kommt auch noch der Schwiegersohn! Haha, da wird’s manchen | |
schon ein bisschen viel. | |
Ist vielleicht auch ein bisschen viel. | |
Nein. Der Name ist ein Türöffner und dann wieder eine Bürde – aber | |
letztlich geht’s gerecht aus. Die Leistung muss man selbst bringen. | |
Wie war das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Bruder in der Jugend? | |
Er ist ja sechs Jahre älter, in der Jugend eine Menge Holz. Als ich in die | |
siebte Klasse kam, machte er Abitur. Von da an war er nur noch besuchsweise | |
zu Hause, in den Semesterferien, und ab und zu kam er aus Freiburg am | |
Wochenende hoch. Die wichtigste Gemeinsamkeit war eigentlich, dass wir in | |
Hornberg in derselben Mannschaft im Tennisclub gespielt haben. | |
Durften Sie auch mal gewinnen? | |
Ohne ihm zu nahe zu treten: Ich war besser. | |
Klingt nach einer kleinen brüderlichen Rivalität. | |
Nein. Am Anfang hat er mich geschlagen, weil er früher angefangen hat. | |
Diese Konstellation kennt man vor allem im Vater-Sohn-Verhältnis. Natürlich | |
schlägt der Vater am Anfang den Sohn oder versucht ihn ein bissel rankommen | |
zu lassen, damit er ihm nicht die Lust verdirbt. Aber wenn der Sohn einmal | |
gewonnen hat, ist der Durchbruch geschafft, und so war es auch bei uns. Als | |
ich ihn das erste Mal geschlagen hab, hat er nie mehr gegen mich gewonnen. | |
Und beim Gehalt haben Sie ihn inzwischen auch übertrumpft. | |
Das liegt aber daran, dass die Spitzenpolitiker im Vergleich zur Wirtschaft | |
zu wenig verdienen. Ich habe jetzt das Einkommen des Chefs einer | |
mittelgroßen Sparkasse. | |
350.000 Euro im Jahr. | |
Es differiert ein bissel wegen der Leistungskomponente, aber da habe ich | |
kein schlechtes Gefühl, am Ende meines Berufslebens auf dem Niveau eines | |
Kreissparkassendirektors zu sein. | |
Manchmal hatte man den Eindruck, Wolfgang und Thomas Schäuble seien nicht | |
Konkurrenten, sondern Verbündete. Wie die Sagenhelden Castor und Pollux, | |
diese Zwillinge, die sich gegen Feinde helfen. | |
Im Prinzip haben Sie recht. | |
Das bekannteste Beispiel ist der Satz, den Sie 2001 sagten, als Ihr Bruder | |
in der CDU-Spendenaffäre zurücktreten musste: „Ich verabscheue Helmut Kohl, | |
und ich kann da für die ganze Familie sprechen.“ | |
Der Satz ist jetzt gerade ein schlechtes Beispiel, weil er meinem Bruder | |
nicht recht war. Aber ich hab ihn vorher auch nicht um seine Erlaubnis | |
gefragt. Ich war betroffen von seinem Schicksal. Ich hab den Satz nicht | |
spontan gesagt, sondern hab eine Nacht drüber geschlafen. Als Innenminister | |
hatte ich am nächsten Tag in Stuttgart zufällig eine Pressekonferenz über | |
Kriminalstatistik oder so etwas. Und bevor ich eingeschlafen bin, habe ich | |
mir zwei, drei Sätze notiert, darunter den. Den hab ich dann auch gesagt. | |
Helmut Kohl hat später gesagt, er habe Ihre Erklärung wirklich überhaupt | |
nicht verstanden. | |
Ob er das verstanden hat oder nicht, ist mir persönlich egal. Ich nehme die | |
Erklärung auch nicht zurück. Ich würde das wahrscheinlich meinem Bruder | |
heute vorher sagen. Wenn er dann sagt: „Lass es sein“, könnte es sein, dass | |
ich Rücksicht darauf nehm. | |
Wo kooperieren Sie denn eng? | |
Wir telefonieren sehr oft, im Grunde wöchentlich. Früher, als ich noch | |
Minister war, habe ich ihn viel mehr gesehen als heute. Natürlich hat uns | |
auch die lange Krankheit unseres Bruders oft zusammengebracht. Wenn wir uns | |
sehen, diskutieren wir viel über Politik. Ich weiß, wie er tickt. Als ich | |
Minister war, wusste ich zu mehr als neunzig Prozent der Fälle schon | |
vorher, was er zu einer Frage sagen würde. Wir sind keine Zwillinge, aber | |
wir sind Brüder, die sich nicht ganz unähnlich sind. | |
Als Ihr Bruder vergangenes Jahr krank war, sind Sie auch an die | |
Öffentlichkeit und haben gesagt, wie die Lage ist. | |
Das war eine Sauerei. Da habe ich mich mit einem Journalisten, den ich | |
lange kenne, vertraulich unterhalten. Und der hat darüber geschrieben. Es | |
ist nicht meine Aufgabe, in der Öffentlichkeit zu sagen, wie schlecht es | |
ihm geht. | |
Sie können an seiner Stelle eine Äußerung tun, die ihn nicht bindet. | |
Nein, so läuft das nicht. Dass er sagt: „Erzähl jetzt mal öffentlich | |
Folgendes“, ist abwegig. Wir tauschen uns aus. Familiär, persönlich, | |
politisch. Aber ich kann dem Bundesfinanzminister nur wenig helfen, denn | |
von der Materie versteh ich viel zu wenig. Ich kann nur zuhören, wie er | |
mir’s erklärt, und sagen, ob ich es schlüssig finde. | |
Und? Können Sie seine Euro-Rettungsaktionen nachvollziehen? | |
Ich habe Vertrauen in seine Arbeit. | |
Klingt wie ein politischer Beichtvater. | |
Das ist falsch. Er hat ja seine Frau und seine Familie. Besonders zu seiner | |
ältesten Tochter Christine hat er in diesen Dingen ein enges Verhältnis. | |
Ihr Bruder wurde nie Kanzler, weil Helmut Kohl nicht aufhörte. Und Sie | |
wurden vom damaligen Ministerpräsidenten Erwin Teufel ausgesessen und nie | |
Regierungschef in Stuttgart. Ist das ein gemeinsamer Fluch? | |
Beim Ostereiersuchen würde ich Ihnen sagen: nicht ganz kalt, aber auch nur | |
lauwarm. Ich habe aus dem Schicksal meines Bruders meine Konsequenzen | |
gezogen und gesagt: So soll es mir mal nicht gehen. Deshalb bin ich nach | |
Rothaus gegangen – anfangs gegen den Willen von Teufel. Mir war klar: Erwin | |
Teufel wollte nicht aufhören. Ich wollte nicht als dienstältester | |
Landesinnenminister in die Geschichte eingehen. | |
Sind Sie gar nicht politiksüchtig geworden? | |
Ich habe die Politik gern gemacht, aber sie ist für mich keine Sucht. | |
Und Ihr Bruder? | |
Bei meinem Bruder ist das sicherlich der Fall. Den würde ich als | |
politiksüchtig bezeichnen. | |
Zurück zum Brauen: Mögen Sie eigentlich Bier? | |
Sehr. Ich bin ein Weinkenner, was badische Weine angeht. Aber ich habe auch | |
immer Bier getrunken, zum Beispiel nach dem Tennis. Und wenn ich jetzt | |
abends hier Gäste habe – tags trink ich keinen Alkohol –, kann ich nicht | |
sagen: Ich nehm jetzt ein Wasser. | |
Sie als Fachmann für ein erfolgreiches, konservatives Produkt: Wo wollen | |
die Leute Veränderung und wo nicht? | |
Bei uns wollen sie bestimmt keine. Viele Brauereien suchen ihr Heil in | |
Mischgetränken. | |
Sie doch auch: Sie haben gerade erst das Radler Zäpfle eingeführt. | |
Der Radler ist nur eine kleine Sünde, weil er ein traditionelles | |
Mischgetränk ist. Aber dass wir unser Bier mit Cola, mit Himbeere, mit | |
Orange vermischen – nein, wirklich nicht. Da würden wir unsere | |
Stammkundschaft verärgern. Die will, dass wir eine klassische Pilsbrauerei | |
sind. | |
Sogar gegen alkoholfreies Bier haben Sie sich bis 2009 gewehrt. | |
Wir haben das immer abgelehnt. Dann haben Max Sachs, unser Brauereimeister, | |
und ich fast gleichzeitig gesagt: Wir müssen das machen. Das Bewusstsein | |
für Gesundheitsfragen steigt. Wir dürfen nicht machen, was Gorbatschow mit | |
dem Satz beschrieben hat: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Das | |
heißt für uns: alkoholfreies Pils und alkoholfreies Weizen einführen. | |
Sie wollen im Ernst sagen, dass der Alkohol einmal etwas Überkommenes sein | |
wird? | |
Der Trend wird immer stärker vom Alkohol weggehen. Da bin ich mir sicher. | |
Es wird gleitend geschehen, aber es wird geschehen. Schwierig für alle, die | |
Alkohol herstellen. | |
Was halten Sie von den Biertrinkverboten in der Öffentlichkeit oder in Bus | |
und Bahn? | |
Darüber wird aus guten Gründen diskutiert. Aber das Bier ist doch das | |
geringere Problem. Die eigentliche Gefahr liegt in den harten Sachen. Für | |
unsere Brauerei hat aber die Diskussion keine Bedeutung. | |
Und der Ökotrend? | |
Wir nehmen Malz nur aus integriert-kontrolliertem Anbau, möglichst wenig | |
gedüngt. Wir würden sogar ausschließlich Ökomalz nehmen, kriegen die Menge | |
aber nicht zusammen. Wir brauen ja acht- bis neunhunderttausend Hektoliter, | |
da brauchen wir 16.000 Tonnen Malz im Jahr. | |
Rothaus hat ja geschafft, was der CDU misslingt: strikt konservativ, aber | |
in den Städten ein cooles Image. Wie ist das gelungen? | |
Das ist nicht einfach zu beantworten. Wir müssen uns ja inzwischen von | |
Universitäten und Marketinginstituten untersuchen lassen. Da liegen wir | |
quasi auf der Couch. In Freiburg ist das die Heimatverbundenheit, in Berlin | |
muss es etwas anderes sein. Auf beiden Märkten hat es sich ausgezahlt, dass | |
wir an unserer Werbelinie festhalten. | |
Der Name Zäpfle und diese Trachtenfrau namens Biergit Kraft, die seit | |
Jahrzehnten auf den Etiketten abgebildet ist. | |
Die Leute müssen das irgendwie putzig finden. | |
Wenn es nur an Biergit liegt, heißt das: Außerhalb Ihres Stammlands sind | |
Sie nur wegen der Frontfrau erfolgreich? | |
Wir wecken dadurch die Aufmerksamkeit, die Leute probieren unser Bier, und | |
dann schmeckt’s. Aber ich will Sie davon abhalten zu denken, dass die CDU | |
von uns lernen kann. Gar nicht. Die Prozesse in einer Volkspartei sind von | |
einer Komplexität, die man mit unserer Aufgabe gar nicht vergleichen kann. | |
Wo liegt denn der Unterschied zwischen einem Tannenzäpfle und einem | |
CDU-Abgeordneten? | |
Das Tannenzäpfle ist eine Flasche – und der CDU-Abgeordnete hoffentlich | |
nicht. | |
Jemand aus dem Schäuble-Clan, der Mann Ihrer Nichte, soll die CDU | |
Baden-Württemberg retten. Was muss er tun? | |
Er braucht sich nicht meinen Kopf als Brauereidirektor zu zerbrechen. Und | |
ich zerbrech mir nicht seinen als Landesvorsitzender. Ich sag’s mal so: Ich | |
bewundere seinen Mut, dass er diese Aufgabe gesucht hat. | |
Was müsste er Ihnen bieten, damit Sie tauschen und noch einmal in den Ring | |
steigen? | |
Hoffnungslos. Ich würde nie tauschen. | |
■ Georg Löwisch leitet die sonntaz-Redaktion. Schätzt Rothaus Weizen. | |
Lieblingsbier: Leffe Blonde | |
■ Stefan Pangritz, freier Fotograf, lebt im südbadischen Lörrach im | |
Zäpfle-Stammland | |
27 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
GEORG LÖWISCH | |
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