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# taz.de -- Schäume sind Albträume
> CHEMIE In der Nähe von Flughäfen haben Behörden erhöhte Werte des
> Schadstoffs PFT im Grundwasser gefunden, die aus Löschmitteln stammen.
> Sanierungen werden teuer
VON MORITZ SCHRÖDER
KÖLN taz | In den 80er Jahren, da sah der Linsenbach manchmal aus wie
Spülwasser. Teils meterhohe Schaumflocken blieben in den Sträuchern und auf
den Wiesen am Rande des kleinen Flusses kleben, der durch die Stadt
Binsfeld in Rheinland-Pfalz fließt. So erinnert sich der Anwohner Günther
Schneider, Landwirt und Umweltaktivist. Dann wusste er: Auf dem nahen
amerikanischen Militärflugplatz hatten sie wieder mit Löschschaum geübt.
„Damals dachten wir ja noch, alles ist im grünen Bereich. Die passen schon
auf.“ Doch die Löschschäume brachten eine gefährliche Fracht mit.
Bei regelmäßigen Grundwassertests sind rund um den Flugplatz erhöhte Werte
der gesundheitsschädlichen Chemikalien PFT gemessen worden – teils betragen
sie das Zwanzigfache des Richtwerts. Das gleiche Bild zeigte sich an
weiteren Flughäfen in Rheinland-Pfalz. Bei einem Feuerlöschübungsplatz auf
dem Militärflughafen in Ramstein lag der PFT-Wert um mehr als das
2000-Fache zu hoch. Die Erklärung: In allen Gebieten wurden PFT-haltige
Schäume eingesetzt. Sie bringen brennende Flüssigkeiten wie Kerosin schnell
zum Erlöschen.
Laut den Messergebnissen ist das Trinkwasser nicht gefährdet. Doch über den
Verzehr von belastetem Fisch oder mit verunreinigtem Wasser gegossenem
Gemüse können Menschen die Chemikalien aufnehmen. Für Fische aus einem
Weiher in Binsfeld hat das Land daher vor dem Verzehr gewarnt. Auch auf das
Bewässern von Gärten aus dem Linsenbach sollten die Haushalte verzichten.
PFT stecken außer in Löschschäumen auch in Wanderkleidung oder
Imprägniermitteln. In Tierversuchen zeigten sie sich als krebserregend. Sie
sind giftig und können womöglich die menschliche Fruchtbarkeit negativ
beeinflussen. Außerdem sind sie fast unzerstörbar: „PFT-Verbindungen werden
nicht abgebaut, sie werden in der Umwelt verteilt“, sagt Christoph Schulte,
Chemikalienexperte beim Umweltbundesamt.
Seit Juli 2011 dürfen Feuerlöschschäume mit der besonders riskanten
PFT-Variante PFOS zwar nicht mehr verwendet werden; bis dahin hatten sich
aber bereits große Mengen der Chemikalie in der Umwelt angereichert. Mit
den Altlasten kämpfen daher nicht nur die Behörden in Rheinland-Pfalz. Auch
beim Flughafen in Nürnberg oder in mehreren Regionen Düsseldorfs
überschreiten die Konzentrationen im Grundwasser massiv den Vorsorgewert.
Beispiel Düsseldorf Gerresheim: Dort brannte im Jahr 2001 eine Halle mit
Kunststoffteilen. Die Feuerwehr verspritzte Dutzende Kubikmeter des
kritischen Löschschaums – der über Böschungen, Abwasserleitungen und Risse
im Betonboden versickerte. Hinzu kommen belastete Gebiete nahe dem
Düsseldorfer Flughafen.
Die Hersteller haben mittlerweile Schäume ohne PFT auf den Markt gebracht,
die das Umweltbundesamt noch prüfen will. Die Städte stehen derweil vor
einer anderen Herausforderung: den aufwendigen Sanierungen, die sich über
viele Jahre hinziehen werden. Düsseldorf will das belastete Grundwasser in
Gerresheim an die Oberfläche pumpen und durch Aktivkohlefilter leiten, um
es zu reinigen. „Die Filter müssen anschließend in Sonderanlagen verbrannt
werden“, sagt Inge Bantz, Leiterin des Düsseldorfer Umweltamts. „Bei
Temperaturen um die 1.200 Grad“ – alles darunter reicht nicht aus, um die
widerstandsfähigen PFT-Verbindungen aufzubrechen. Die Kosten können laut
Bantz einen zweistelligen Millionenbetrag erreichen, pro Sanierungsfall.
Für den Düsseldorfer Flughafen stellt sich ein noch größeres Problem: Der
belastete Boden um das Löschübungsbecken soll beseitigt werden. Für das
Verbrennen sind die Mengen zu groß. Eine mögliche Option ist es, die Erde,
in abschließbare Boxen gefüllt, „endzulagern“.
Auch in Rheinland-Pfalz sollen Experten nun Ideen für die Sanierung der
betroffenen Gebiete sammeln. Das Umweltministerium dämpft aber die
Hoffnungen: „Da der Stoff sich überhaupt nicht abbaut und bereits überall
zu finden ist, werden wir unsere Umwelt nicht mehr in einen unbelasteten
Zustand zurückversetzen können.“
14 Jan 2015
## AUTOREN
MORITZ SCHRÖDER
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