# taz.de -- ORTSTERMIN: BEIM HUNDETRAINER AUS DEM FERNSEHEN: Herr Rütter weiß… | |
Ist die Klamottenverkäuferin aus der Marktstraße vielleicht auch hier? Die, | |
die mir einige Stunden zuvor im Geschäft anvertraute: „Eigentlich sind mir | |
ja Hunde viel lieber als Menschen! Das darf ich bloß wohl nicht so laut | |
sagen?“ Im HSV-Revier in Stellingen haben sich rund 6.000 Menschen | |
versammelt, um Martin Rütter – sozusagen die Supernanny für Hunde aus dem | |
Fernsehen – live zu sehen. Die Rampe zur O2-World drängen Eltern mit ihren | |
Kindern, Pärchen ohne Kinder (und dafür mit Hund?), Arbeitskolleginnen und | |
geschäftig aussehende Männer mit Handy und Zigarette hinauf. | |
Drinnen die vollen Ränge des überdachten Stadions, zwei Großleinwände, auf | |
denen später die Gesichtszüge des Profis übertragen werden, eine | |
überdimensionale Hundehütte auf der Bühne. Dann – die Ehrfurcht einflöße… | |
Lichtershow, die den Auftritt des Profis ankündigt. So viele Menschen auf | |
einem Haufen: Sie werden einen guten Grund dafür haben, hier zu sein. | |
Über Hund und Halter weiß Martin viel zu erzählen. Schoten von Kötern, die | |
bellen bis der Arzt kommt. Ja, so einen Hund kennen oder haben wir doch | |
auch! Schoten von Hundehaltern, die ihren Hund für überdurchschnittlich | |
intelligent halten. Ob er Platz macht? Haha! Natürlich nicht! Wir lachen. | |
Ganz selbstverständlich unterteilt Herr Rütter die Welt in zwei Sorten | |
Mensch: welche mit – und welche ohne Hundeaffinität. Ja, wir lieben unsere | |
Hunde! Und Herr Rütter weiß auch wie. Wir geben den Hunden Kindernamen, wir | |
machen ihnen Geburtstags- und Weihnachtsgeschenke, streicheln sie mehr als | |
unsere nächsten Mitmenschen und verzeihen ihnen alles! | |
Fanatisch wie Briefmarkensammler füllen wir eine Riesenhalle und sind unter | |
Unseresgleichen. Und mit nicht allzu viel Ironie oder Tadel steht Herr | |
Rütter auf der Bühne, „der tut nix“ auf dem T-Shirt, und führt uns unser | |
Verhalten vor. Wie gut es tut, auf die Schippe genommen zu werden! Wann er | |
wohl das Potenzial einer solchen Hundefangemeinde begriffen hat? Mit dem | |
ersten TV-Vertrag vielleicht? | |
Ab und an wirft er Leckerli des Wissens in die Manege: Warum der Hund | |
seinen Besitzer anspringt und dabei fast umhaut? – Aus Liebe sicher nicht, | |
sondern aus Dominanz. Aha! Ob der Hund aufs Sofa und aufs Bett darf? – | |
Natürlich, solange er nicht aus Dominanz da ist, sondern weil es bequem | |
ist. Ein Raunen geht durch die Menge! Wilder, unkontrollierter Applaus! | |
Denn: So sehr wir unsere Hunde lieben, so wenig haben wir eine Ahnung, was | |
in ihnen vorgeht, und umso mehr freuen wir uns über Maestro Martin, der uns | |
das Abenteuer Hund erklärt. | |
Vielleicht war auch dieses Unverständnis der Grund, warum Martin Rütter vor | |
die Kamera und auf die Bühne ging. Selbsterklärtermaßen auf jeden Fall. Ist | |
es dann auch diesem Aufklärungswillen geschuldet, dass sämtliche | |
Rütter-Bücher in den Pausen dominant auf den Leinwänden der Bühne flackern? | |
Wie Herr Rütter gut erkannt hat: Wir Hundemenschen sind Fanatiker. Und dazu | |
gehören Bücher, ketzerisch oder heilig, wie dem auch sei, und ein gehöriges | |
Maß an Besserwisserei. | |
Martin Rütter ist ’ne Marke. Mit einer frechen Schnauze macht er sein | |
Publikum zu Komplizen. Rütter erzählt in einer oh-so-erfrischend-direkten | |
Art. Immer wieder laufen seine Pointen darauf hinaus, dass jeder Hund in | |
der Familie besser behandelt wird als der Ehemann. Und immer wieder lacht | |
ein Publikum, von dem anzunehmen ist, dass es seine Hunde besser behandelt | |
als seine Ehemänner. REBECCA CLARE SANGER | |
8 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
REBECCA CLARE SANGER | |
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