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# taz.de -- Arendt-Preis für Israel-Kritiker
> Die Bremer Jüdische Gemeinde kritisiert die Vergabe des Hannah
> Arendt-Preises an den New Yorker Historiker Tony Judt. Der kritisiert die
> Israel-Lobby in den USA und plädiert für ein binationales Israel
Von KLAUS WOLSCHNER
Dass die Verleihung des Hannah-Arendt-Preises an den Historiker Tony Judt
zu Debatten führen würde, war klar – und anscheinend doch überraschend. In
der Begründung der Jury für die Wahl des Preisträgers wird auf dessen
kritische Position zu dem Staat Israel nicht eingegangen. Die Jury will
Tony Judt würdigen „als eine Persönlichkeit, die sich in der öffentlichen
Debatte über Europa und den Westen auf vielfältige Weise engagiert“. Er sei
ein „Historiker, der weiß, dass historische Ereignisse nicht ohne ihre
vielfältigen Kontexte verstanden werden können“, ein „politischer Denker,
der seine Sicht auf die Geschehnisse der Zeit in die öffentliche
Kontroverse einbringt“, schließlich sei er ein „politischer Essayist“ und
„streitbarer Zeuge seiner Zeit“. Die Jury bezieht sich auf sein 2005
erschienenes Buch „Geschichte Europas von 1945 bis zur Gegenwart“.
Im vergangenen Jahr sollte Judt, Leiter des Remarque Institute an der New
York University, im polnischen Konsulat einen Vortrag über
Israel-Lobbyismus in der amerikanischen Außenpolitik halten. Als das
polnische Generalkonsulat den Vortrag kurzfristig absagte, gab es eine
große Debatte um die Meinungsfreiheit in den USA.
Judt, in seiner Jugend Zionist, plädiert heute für einen „binationalen
Staat Israel“, in dem Palästinenser und Juden zusammenleben sollen. In
einem Essay für die New York Review hat er formuliert, Israel sei ein
Anachronismus und die Frage aufgeworfen, ob in der heutigen Welt für einen
jüdischen Staat Platz sei. Das ist der Punkt, an dem jetzt auch die
Jüdische Gemeinde Bremen mit einem offenen Brief interveniert. „Sein
Programm des binationalen Staates ist, nach treffenden Worten Leon
Wieseltiers, keine Alternative für Israel, sondern die Alternative zu
Israel“, schreibt Elvira Noa für das Präsidium der Jüdischen Gemeinde.
Dieser Aspekt der Bedeutung des Historikers Judt werde „in der
Jurybegründung mit einem großem Schamblatt zugedeckt“. Judt verbreite „die
offizielle palästinensische propagandistische Sicht auf die Geschichte“. Er
sei als Historiker bei weitem nicht so anerkannt und gepriesen wie als
Israel-Kritiker.
In der Tat ist Judt in den USA vor allem durch die Auseinandersetzung mit
der Israel-Lobby in den Medien bekannt geworden. Er verbindet seine Kritik
der Israel-Politik der USA mit einem Angriff auf die Legitimation der
amerikanischen Juden: „Amerikanische Juden sprechen nicht Jiddisch, auch
nicht Hebräisch, sie gehen nicht in die Synagoge, sie sind völlig
amerikanisch“, sagt er. „Ihr Judentum bestimmt sich durch zwei Momente:
durch eine Identität im Raum, das ist die Identifikation mit Israel, selbst
für jene, die niemals dort waren. Und durch eine Identität in der Zeit,
eine Identifikation mit Auschwitz. Jude sein in Amerika bedeutet, Auschwitz
erinnern und Israel unterstützen, weil Israel der beste Schutz vor einem
neuen Holocaust ist.“
Wohlwollende Kritiker nennen Judts Position zum gemeinsamen Staat von Juden
und Palästinensern naiv. „Tony Judts Vorschlag, der als Jugendlicher eine
hebräische Schule besuchte, im Haus seiner Großeltern mit jiddischer Kultur
erzogen wurde und nach der Schule ein Jahr in einem israelischen Kibbuz
lebte, ist eher der Ausdruck politischer Verzweiflung vor dem Hintergrund
einer lebenslang favorisierten linkszionistischen Utopie denn ein
ernsthaftes politisches Programm“, meinte etwa Micha Brumlik in der taz.
23 Nov 2007
## AUTOREN
KLAUS WOLSCHNER
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