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# taz.de -- Kein Feminismus in der taz?
> Oder alles im lila Bereich? Beides ist falsch. Warum die
> Frauenberichterstattung der taz ist, wie sie ist
von HEIDE OESTREICH
Klar, feministisch. Links, ökologisch, feministisch sollte das Profil der
taz sein. Mit dem sie jederzeit gern hausieren ging und immer noch geht.
Aber die Geschichte der Frauen und ihrer Themen in der taz ist – wundert’s
wen? – eine Geschichte der Geschlechterkämpfe. Mehrere Frauenstreiks zieren
unsere Historie, eine 52-Prozent-Quote und diverse Frauen- und Genderseiten
waren die Folge.
Also alles im lila Bereich? Mitnichten. Vierzehn FrauenredakteurInnen (ein
Genderredakteur ist dabei) hat die Zeitung inzwischen gesehen, macht eine
durchschnittliche Verweildauer von 1,6 Jahren. Nicht wenige verabschiedeten
sich mit langen Texten über die Unmöglichkeit, in der taz
Frauenberichterstattung zu etablieren.
## Mehr Frauenberichte!?
Das Vertrackte am Geschlechterkampf war immer, dass der Gegner nicht in der
sicheren Entfernung luftiger Konzernetagen sitzt, sondern am Schreibtisch
gegenüber. Und der meint es doch gar nicht böse! Der vertritt lediglich die
ganz normale Meinung zu Frauenthemen: Lamentierend und langweilig, war
lange Zeit der übliche Kommentar.
„Mehr Frauenberichterstattung!“ heißt es dagegen immer noch oft in
Leserinnenbriefen. Das ist leicht und schnell gefordert, stößt aber nicht
nur auf Hindernisse innerhalb der Zeitung. Zu klären ist die Frage, was
Frauenberichterstattung heute sein kann und wie sie sein muss.
Reichte etwa 1980 ein Porno in der taz um einen Frauenstreik zu
provozieren, so geht das Interesse an Sexismus-Auseinandersetzungen
mittlerweile gegen null. Männerfantasien werden auch von Frauen heute nicht
mehr als unmittelbare und zu bekämpfende Bedrohung wahrgenommen.
Abstumpfung oder Reife?
Dazu kommt die Schwierigkeit, als Sprachrohr einer nicht mehr vorhandenen
Bewegung fungieren zu sollen: Aus dem gesellschaftlichen Großkampf hat sich
die Mehrheit der Frauen zurückgezogen. Das spiegelt sich auch in der taz.
Frauenthemen kommen vor, aber nicht revolutionär häufig. Und das hat
Gründe.
Einer der weniger schmeichelhaften: Wir können es nicht mehr hören. Die
allgemeine Unterdrückung des Weiblichen sichtbar machen, das war lange das
Ansinnen feministischer Medien: Der Ignoranz entgegentreten durch ein
Signal: „Frauenland“ hieß die erste Frauenseite der taz. Allerdings: Was
bewusstseinsbildend wirken sollte, erklärten schließlich die
Frauenredakteurinnen selbst, wurde zum Reservat. Heute drucken wir nur
selten und mit Seufzen die bahnbrechende Erkenntnis der
sozialdemokratischen Frauen ab, dass immer noch viel zu wenig ... – Tragen
Sie bitte selbst ein, was Sie lesen wollen.
Doch der Rückzug aus der ideologischen Auseinandersetzung bedeutet nicht,
dass Frauen sich nicht mehr bewegen. Sie tun es geräuscharm und
stromlinienförmig – aber nicht uneffektiv. Zum einen sind auch die Frauen
durch die Institutionen marschiert und haben dort an den Schrauben gedreht.
Zum anderen sind sie nach wie vor im Spiel. Nur die Strategie hat sich mit
der neuen Generation geändert: Sie spielt weniger gegen das Patriarchat als
mit ihm. Statt feministischer Pamphlete heißt es Ratgeber lesen.
„Ich will nicht hören, wie unterdrückt ich bin, ich will wissen, wie ich da
rauskomme!“, sagt Nina Hauer, 32-jährige SPD-Abgeordnete im Bundestag. Die
Lehre junger Frauen an die Riege der Vorkämpferinnen: Macht könnt ihr nicht
fordern, Macht müsst ihr nehmen. Sie werden Finanzpolitikerinnen,
Managerinnen, Existenzgründerinnen, ja, auch Soldatinnen. Lieber als eine
Selbsterfahrungsgruppe wollen sie eine Mentorin. Vom alten Paradigma der
Differenz bleibt bei ihnen das Gefühl, dass Frauen es irgendwie anders
machen und Frauenseilschaften deshalb sinnvoll sind. Wenn es gut läuft,
sind sie sichtbar, weil sie mitspielen, nicht, weil sie außerhalb stehen
und Sichtbarkeit einfordern. Über die jungen Pragmatikerinnen muss man
nicht unbedingt dauernd jubeln. Wer nur noch am Selbsttuning arbeitet,
verliert schnell den Blick für Strukturen, die einem das Leben schwer
machen. First learn the rules, then change them – den zweiten Teil dieser
neufeministischen Weisheit sind sie bis jetzt schuldig geblieben.
Weg mit der Frauenseite, hieß es parallel dazu in der taz, jetzt soll auch
bei uns Gender überall mitmischen. Beide Geschlechter werden in den Blick
genommen, also nicht nur zugerichtete Frauen analysiert, sondern auch die
Zurichtungen von Männern und anderen Geschlechtern. Konkret heißt das:
Statt über Gewaltopfer mal darüber schreiben, warum es keine vernünftige
Jungenarbeit gibt, um die Knirpse von der Gewaltschiene zu holen. Oder
gucken, was mit den Soldaten passiert, wenn Frauen einrücken beim Bund. Und
siehe da: Plötzlich fällt es auch der Armee auf: „Warum fällt es uns so
schwer, Frauen so zu behandeln, wie wir die Männer schon immer hätten
behandeln sollen?“ (Bundeswehr-Arbeitspapier über den Umgang mit Frauen).
Auch die taz liefert nicht immer den Beweis, dass es ihr Ernst ist mit den
Geschlechtern. Am ehesten klappt das „durchgendern“ hinten im Blatt: Die
Kultur druckt mit Selbstverständlichkeit feministische Filmanalysen und
bemisst beiläufig den Machofaktor von HipHop-Gangs. Im taz.mag beschäftigt
sich nicht nur die Genderseite mit neuesten Geschlechterverwirrungen.
## Frauen? BSE!
Im „vorderen“ Teil wird es schwieriger. Aktualität rules. Wie oft fallen
Themen aus dem Blatt, weil leider sofort eine aktuelle BSE-Seite her muss?
Und kann man von einem im Moment nach langer Zeit wieder rein männlichen
Parlamentsbüro einen weiblichen Blick erwarten? Zudem muss die mittlerweile
naturwüchsig wirkende „Frauenthema-nein danke“-Mauer jedes Mal neu
überklettert werden. Aber der Klettersport, so ist zu hören, soll ja für
Frauen auch immer attraktiver werden.
27 Jan 2001
## AUTOREN
HEIDE OESTREICH
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