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# taz.de -- Ideologischer Eiertanz der DKP
> ■ DKP–Vorstandsmitglied Steigerwald referierte über Gorbatschows neuen
> Kurs, hielt Kritik an den alten Verhältnissen jedoch für „gefährlich“ /
> Korrespondent in Moskau „lernt gerade Russisch“
Von Michael Weisfeld
Bremen (taz) - Die DKP sei ein Gorbatschow–Fan–Club, habe er vor den
Kameras des sowjetischen Fernsehens gesagt, berichtete Robert Steigerwald,
Experte für ideologische Fragen im Vorstand der DKP. Und die sowjetischen
Genossen hätten das nach einigem Stirnrunzeln auch gesendet. Bis ins
Treppenhaus standen etwa 150 „Gorbatschow–Fans“, Parteimitglieder und
Sympathisanten im Bremer DKP–Zentrum, um das Referat des Genossen
Steigerwald über den neuen Kurs in der Sowjetunion zu hören. Sie waren mit
Hoffnungen gekommen, und Steigerwald gewann ihre Her zen, solange er ihren
Hoffnungen Nahrung gab: Die Reformen in der Sowjetunion könnten einen
revolutionären Schub im Westen auslösen, wie es ihn bisher nur nach den
beiden Weltkriegen gegeben habe, sagte er. Denn die sozialistische
Demokratie wäre der bürgerlichen zwar immer schon um eine geschichtliche
Etappe voraus, aber es wäre schwierig gewesen, den Menschen in der
Bundesrepublik das konkret zu beweisen. Das würde jetzt durch die Reformen
in der Sowjetunion anders. Zum Beispiel gehe man dazu über, die
Gebietsparteisekretäre zu wählen, ebenso wie Betriebsdirektoren. Ein
UZ–Leser, der in der Parteizeitung Unsere Zeit nur die Ju belberichte aus
der Sowjetunion gefunden hat, in denen er die jetzt aufgebrochenen
Widersprüche nicht vorgefunden hatte, kritisierte: „Wenn ich nur die UZ
kennen würde und nicht in Moskau lange mit Studenten über die Probleme dort
diskutiert hätte, dann wäre ich heute wohl nicht mehr hier auf einer
DKP–Versammlung!“ Beifall der Betrogenen. Soweit der Moskauer
UZ–Korrespondent in die Schußlinie geriet, versuchte Steigerwald ihn mit
dem Hinweis in Schutz zu nehmen: „Der lernt gerade Russisch.“ Gelächter.
Steigerwalds Ausführungen über die Entwicklung in der Sowjetunion zeigten
den altgedienten Funktionär: „Ein riesengroßer Fehler wäre, wenn wir denken
würden: Früher war alles Mist. Gorbatschow hat gesagt: Wir müssen jedes
Jahr der Vergangenheit schätzen. Also: schätzen, betone ich, und nicht
kritisieren!... Es gibt nämlich jetzt eine Kritk von rechts, und die
Ideologen in der Sowjetunion müssen aufpassen, daß sich hinter einer
solchen Kritik nicht der Gegner sammelt, wie das beim sogenannten Prager
Frühling 1968 in der CSSR war.“ Besonders beim jungen Parteinachwuchs im
Saal war über diesen ideologischen Balanceakt, der das Neue lobt, ohne das
Alte kritisieren zu wollen, wenig Begeisterung zu spüren.
3 Mar 1987
## AUTOREN
Michael Weisfeld
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