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# taz.de -- Tod eines Mythos
> Am Sonntag starb in Madrid die bekannte Kommunistin und Kämpferin im
> spanischen Bürgerkrieg Dolores Ibarruri  ■ P O R T R A I T
Aus Madrid Antje Bauer
Die Ideen, für die sie ihr Leben lang gekämpft hat, haben ihre Bedeutung
verloren, und am Sonntag abend starb mit 93 Jahren ihre große
Verteidigerin: Dolores Ibarruri, genannt La Pasionaria.
Bekannt wurde sie als unerschrockene Kämpferin auf seiten der Kommunisten
im spanischen Bürgerkrieg, ihre Parole „No pasaran!“, mit der sie die
Kämpfer anfeuerte, wurde weltberühmt. Sie war das Idol der internationalen
Brigaden in Spanien und das personifizierte Feindbild der Frankisten. Nach
ihrer Rückkehr aus einem langjährigen Exil in Moskau im Jahre 1977
arbeitete sie - wenngleich weniger spektakulär weiter in ihrer Partei, dem
PCE. Doch war es in den letzten Jahren still um sie geworden. Die
Vorsitzende des PCE hatte zwar an Sitzungen weiterhin teilgenommen, sich
jedoch nicht mehr öffentlich in die Diskussionen um den Kurs der Partei
eingemischt. Nachdem sie bereits im vergangenen Septemper mit einer
Lungenentzündung ins Krankenhaus eingeliefert worden war, von der sie sich
jedoch wieder erholt hatte, starb sie nun an einem Rückfall. Im Dezember
wäre sie 94 Jahre alt geworden.
Im Jahre 1895 war Isidora Ibarruri Gomez als achtes Kind eines baskischen
Minenarbeiters geboren worden. Erst später übernahm sie den Vornamen ihrer
Mutter Dolores, auch aus religiösen Gründen: Sie nannte sich damit „die
Schmerzensreiche“. Sie wäre gerne Lehrerin geworden, doch ihr armes und
streng katholisches Elternhaus trieb ihr die Flausen aus. Statt dessen
arbeitete sie einige Jahre als Hausangestellte und heiratete mit 20 den
Minenarbeiter Julian Ruiz Gavina, einen überzeugten Sozialisten. Sechs
Kinder brachte sie zur Welt, von denen jedoch nur zwei, der einzige Sohn
Ruben und die Tochter Amaya, überlebten. Es waren Zeiten der Armut und des
Hungers. 1920 wurde sie Mitglied der Kommunistischen Partei PCE. In einer
Passionswoche begann sie, für eine Zeitung von Minenarbeitern zu schreiben
und legte sich dafür das Pseudonym Pasionaria zu. 1930 wurde sie Mitglied
der Komintern. Während des Bürgerkriegs war Dolores Ibarruri die
unermüdliche Kämpferin, die überall gleichzeitig auftauchte, die Truppen
anfeuerte, Verwundete pflegte. Von ihr stammt der Satz: „Lieber stehend
sterben, als auf Knien leben.“ Sie ist jedoch auch mitverantwortlich für
die Verfolgung der trotzkistischen POUM-Mitgleider und der Anarchisten
während des Bürgerkriegs, sie war die treue Vertreterin des Autoritarismus
stalinistischer Prägung. Nach dem Sieg der Franco-Truppen 1939 ging sie
nach Moskau ins Exil, wo sie 1942, nach dem Tod von Jose Diaz,
Generalsekretärin der PCE wurde. Im selben Jahr starb ihr Sohn Ruben als
Kämpfer in Stalingrad.
Die Einheit der Partei und die Treue zu Moskau waren ihre Hauptanliegen.
Während viele ihrer Genossen, die ebenfalls aus Spanien in die UdSSR
geflohen waren, in den stalinistischen Lagern endeten, lebte Dolores
Ibarruri, bereits ein Mythos, unangefochten. Zum Einmarsch der sowjetischen
Truppen nach Ungarn 1956 schwieg sie. Doch der Einmarsch in die
Tschechoslowakei 1968 wurde von ihr öffentlich kritisiert, obwohl sie
damals noch in Moskau lebte. Die inzwischen weißhaarige Dame in schwarzen
Trauergewändern gab auch in Moskau ihre Aktivitäten nicht auf. Im Exil traf
sie sich mit Fidel Castro, mit Ho Tschi Minh und Mao Zedung. 1966 wurde ihr
der höchste Orden der Sowjetunion, der Leninorden, verliehen. Nach dem Tod
Francos kehrte die Pasionaria im Mai 1977 nach Spanien zurück. Ihre
Rückkehr wurde ebenso stürmisch gefeiert wie die des kommunistischen
Dichters Rafael Alberti oder der Schriftstellerin Maria Zambrano. Im
gleichen Jahr wurde sie Abgeordnete ihrer Partei und Vizepräsidentin des
Parlaments. Ihre Rückkehr nach Spanien war ein Symbol für den Beginn der
Demokratie und das Ende der „zwei Spanien“, die sich im Bürgerkrieg
bekämpft hatten.
Auch nach ihrer Rückkehr war die Einheit der Partei für sie vorrangig. Sie
war eine der Protagonistinnen des Parteiausschlusses des jetzigen
Kulturministers Jorge Semprun wegen Abweichlertums. In die
Auseinandersetzungen innerhalb der Partei zwischen dem stalinistischen
Flügel und den Reformern, die in den letzten Jahren geführt wurden, mischte
sie sich nicht mehr ein.
Ihr Tod hat in Spanien das Bewußtsein geweckt, daß mit Dolores Ibarruri
eine Epoche definitiv zu Ende geht. „Heute bist du endgültig in die
Geschichte Spaniens eingegangen“, schreibt Enrique Curiel, ehemaliges
PCE-Mitglied, der sich den Sozialisten zugewandt hat.
Während es in der Bekanntmachung ihres Todes durch den PCE heißt: „Dolores,
diese Blume des 20.Jahrhunderts, lebt in der Aktivität tausender Männer und
Frauen Spaniens und der ganzen Welt...“, erklärte die Regierungssprecherin
Rosa Conde, die Pasionaria sei das größte Symbol der Arbeiter im Spanien
des 20. Jahrhunderts gewesen. Mit der Pasionaria ist ein Stück von Spaniens
Vergangenheit endgültig Geschichte geworden.
14 Nov 1989
## AUTOREN
antje bauer
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