# taz.de -- Leonardo Sciascia gestorben | |
> Ein sizilianischer Intellektueller, politisch engagiert, dem Klüngel | |
> Feind: ein Querdenker ■ Aus Rom Werner Raith | |
Unter Italiens international bekannten Schriftstellern war er der | |
sperrigste, am schwersten entzifferbare und herausforderndste - ein | |
Querdenker, dem das Bürsten gegen den Strich zum Lebenselement geworden | |
war: Leonardo Sciascia, geboren 1921 im sizilianischen Racalmuto, ist am | |
Montag in Palermo an Blutkrebs gestorben. | |
Zu seinen Werken gehören - auch verfilmte - Romane über die Mafia (Tag der | |
Eule, Tote auf Bestellung), den Terrorismus (Todo Modo, Die Affäre Moro), | |
zur wissenschaftlichen und politischen Ethik (Der Fall Majorana, | |
Hexengericht). | |
Doch seine Bedeutung liegt nicht nur im Literarischen: Sciascia gehörte zur | |
aussterbenden Spezies politisch engagierter Intellektueller, die selbst in | |
die Entscheidungsklüngel eintreten, ihnen jedoch nie verfallen. | |
In Palermo war er Stadtrat für die Kommunisten - und trat nach heftiger | |
Polemik über den Opportunismus der Partei zurück; in Roms Parlament rückte | |
er als Abgeordneter der kleinen Radikalen Partei ein - und schied aus, als | |
er nach drei Jahren „genug von dieser Quatschmaschine mitgekriegt hatte“. | |
Als der christdemokratische Parteipräsident Aldo Moro 1978 von den Roten | |
Brigaden entführt worden war, erfand Sciascia die berühmte Formel „Weder | |
mit den Terroristen noch mit der Staatsmacht„; als Sizilianer, der die | |
Mafia wie kein anderer literarisch bearbeitet hatte, polemisierte er aber | |
auch gegen die „Antimafiakarrieristen“, die häufig ihre Beförderung dem | |
nach außen lauten, aber folgenlosen Kampf gegen die organisierte | |
Kriminalität verdanken. | |
Daß er dabei mitunter die falsche Adresse wählte - für den | |
„Antimafiakarrierismus“, z.B., einen untadeligen Staatsanwalt und den | |
täglich sein Leben riskierenden Bürgermeister Orlando von Palermo -, nahm | |
er in Kauf: „Nonkonformismus“, sagte er mir Ende vorigen Jahres in einem | |
Gespräch, „ist ja nicht Selbstzweck, sondern soll Ausdruck tiefster | |
Beunruhigung über den Konformismus sein. Wenn man diese Beunruhigung zu | |
übertragen versteht, kann man im Einzelfall durchaus danebenhauen.“ | |
21 Nov 1989 | |
## AUTOREN | |
werner raith | |
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