# taz.de -- Afrika vor dem Einmarsch in Liberia | |
> ■ Westafrikanische Friedenstruppe aus ungefähr 2.500 Soldaten sammelt | |
> sich in Sierra Leone / Charles Taylor lehnt ihren Einsatz ab / | |
> BRD-Botschaft in Monrovia evakuiert | |
Abidjan/Freetown/Bonn (afp/ap/wps/taz) - Seitdem die Truppen von Charles | |
Taylor und seiner „Nationale Patriotic Front“ (NPF) in einer Offensive | |
wiederum bis auf wenige Kilometer vor den Präsidentenpalast in Monrovia | |
vorgedrungen sind, entwickelt sich ein Streit um die Rolle der | |
Westafrikanischen Friedenstruppe, die den Bürgerkrieg in Liberia beenden | |
soll. Während sich die Soldaten dieser multinationalen Streitmacht im | |
benachbarten Sierra Leone sammeln, wird ihr vorgeworfen, im liberianischen | |
Bürgerkrieg Partei zu ergreifen. Der Doe-treue liberianische Botschafter in | |
Nigeria hatte am Wochenende um den raschen Einsatz der Friedenstruppe | |
gebeten und die USA beschuldigt, Charles Taylor militärisch zu | |
unterstützen. Taylor lehnt eine afrikanische Intervention als ausländische | |
Einmischung ab. | |
Ein NPF-Sprecher äußerte die Befürchtung, daß Mitglieder der Friedenstruppe | |
denselben ethnischen Gruppen angehören wie die kämpfenden Liberianer und | |
deswegen nicht neutral sein könnten. Momodu Munu, Exekutiv-Sekretär der | |
Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS), welche die Truppe | |
zusammenstellt, sagte dazu, die Truppe greife als „Freund des | |
liberianischen Volkes“ ein. Gleichzeitig griff er die NPF scharf an: | |
„Liberia befindet sich in einem Zustand der Anarchie. Die Rebellen halten | |
die gesamte Bevölkerung als Geisel fest.“ | |
Währenddessen gingen in Sierra Leone die Vorbereitungen für den diese Woche | |
geplanten Einmarsch weiter. Drei ghanaische Schiffe mit 1.000 Soldaten an | |
Bord trafen im Hafen der Hauptstadt Freetown ein. 800 Soldaten aus Guinea | |
befinden sich bereits in der Stadt. Rund 30 gepanzerte Fahrzeuge sollen an | |
der Grenze zwischen Guinea und Liberia stehen. Insgesamt soll die Truppe | |
aus 2.500 Mann bestehen, die von Gambia, Ghana, Guinea, Nigeria und Sierra | |
Leone gestellt werden. Die Elfenbeinküste, für deren Unterstützung sich | |
Charles Taylor kürzlich öffentlich bedankte, beteiligt sich nicht an der | |
Aktion und gibt auch keine Landeerlaubnis für nigerianische Flugzeuge. Das | |
Ziel der Friedenstruppe ist es, eine Übergangsregierung einzusetzen, die | |
binnen sechs Monaten Wahlen organisieren soll. | |
Freetown, mit einer halben Million Einwohnern, ist nur etwas über 300 | |
Kilometer von Monrovia entfernt. Die Ankunft von etwa 50.000 liberianischen | |
Flüchtlingen hat die Stadt durcheinandergebracht. Nahrungsmittelprobleme | |
wie in Guinea gibt es jedoch wenig: die Flüchtlinge in Freetown gehören zu | |
den reicheren Einwohnern Monrovias. Unter ihnen befinden sich viele | |
Kabinettsmitglieder aus der alten Regierug Doe, die jetzt in der | |
US-Botschaft mit Dutzenden anderer Exilanten zusammenleben. Auch die | |
asiatischen und arabischen Unternehmer, die in Friedenszeiten das | |
Geschäftsleben Monrovias dominierten, warten in Freetown auf das Ende des | |
Krieges. „Sie kommen aus einem relativ reichen Land in eines mit vielen | |
Problemen“, sagt ein Rot-Kreuz-Mitarbeiter. „Sie erwarten Essen und | |
Gesundheitsfürsorge, aber es entspricht nicht ihren Erwartungen“. Vor dem | |
Rot-Kreuz-Büro steht ein Flüchtling im Nadelstreifenanzug. Er arbeitete | |
einmal im liberianischen Finanzministerium. „Es war fürchterlich“, erzählt | |
er. „Ich mußte einfach gehen, als man uns zwang, die Leichen zu vergraben“. | |
Aus der BRD-Botschaft in Monrovia sind am Sonntag auf Weisung von | |
Außenminister Genscher rund 400 Zufluchtsuchende evakuiert worden. Die | |
Evakuierungsaktion wurde von US -Stellen koordiniert, die mit Charles | |
Taylors NPF in Funkkontakt standen. Die Zufluchtsuchenden standen unter dem | |
Schutz einer NPF-Eskorte. Sie sollten gestern in der liberianischen | |
Hafenstadt Buchanan eintreffen und von dort auf die US-Kriegsschiffe | |
gebracht werden. Die US-Marine wird sie dann nach Freetown bringen. | |
D.J. | |
14 Aug 1990 | |
## AUTOREN | |
d.j. | |
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