# taz.de -- Eine Jungfrau beim Gefängnisrodeo | |
> „Golden Girls“, jeden Freitag um 23.00 Uhr in der ARD ■ Von Manfred | |
> Riepe | |
Es gibt da einige Fixsterne am Fernsehhimmel. Zum Beispiel Glasauge | |
Columbo, der uns immer wieder mit seiner stereotyp einfältigen Mine | |
überzeugt, wissen wir doch allzu gut, daß er derjenige ist und bleibt, der | |
aus diesen vertrackten, nicht selten an den Haaren herbeigezogenen | |
Denkerduellen mit den überheblichen Schurken als Sieger hervorgeht. Der | |
gute Jim Rockford, dessen Erkennungsmelodie der Nachbar in der U-Bahn | |
ebenso wie der Streifenpolizist beim Strafzettelverteilen summt —, dieser | |
halbschräge Privatdetektiv aus dem Wohnwagen, steht am Ende zwar nicht | |
immer als Sieger da. Dafür bekommt er jedesmal von diesen schmierigen | |
Gorillas was auf die Schnauze, die beim zweitenmal den Trick mit der | |
falschen Visitenkarte durchschauen. Er weiß das, und er haßt das. Wir | |
wissen das auch. Das ist schön. | |
Zu diesen uneigentlichen, leicht abgedrehten amerikanischen Serials gehört | |
auch die Touchstone/Disney- Produktion Golden Girls, die zwar bis heute | |
unter den zehn erfolgreichsten Programmen im US-Fernsehen rangiert, doch es | |
muß ja nicht alles schlecht sein, was ankommt. 32 Folgen gingen seit | |
Jannuar über den Sender, Grund genug, um besorgt festzustellen, daß die | |
verbleibenden 46 Termine knapp bemessen sind. Aber noch besteht kein | |
wirklicher Grund zur Klage. Jeden Freitagabend, pünktlich um 23.00 Uhr, | |
ertönt die Erkennungsmelodie, die auf subtile Weise an das Springen einer | |
Schallplatte erinnert. | |
Für Einsteiger: Die drei Torschluß-Singels Dorothy (Beatrice Arthur), | |
Blanche (Rue McClanahan) und Rose (Betty White), die zusammen mit Dorothys | |
achtzigjähriger Großmutter Sophia (Estelle Getty) und einem homophilen Koch | |
in Blanches Haus in Miami wohnen, sind die psycho-pathologischste und | |
nihilistischste Wohngemeinschaft seit Alfred Tetzlaf (Ein Herz und eine | |
Seele). Rose, die notorisch frustrierte Seelsorgerin, betrachtet die Dinge | |
des Lebens mit unerschütterlicher Naivität, als gäbe es keine Bosheit auf | |
dieser Welt. Blanche hingegen frönt einer manischen Einstellung zur | |
körperlichen Liebe und ist für gewöhnlich „so hibbelig wie eine Jungfrau | |
beim Gefängnisrodeo“. Dorothy, die Zurückhaltendste und Vernünftigste, | |
kommentiert mit scharf plazierten Bemerkungen das Treiben der übrigen, | |
während ihre ebenso rüstige wie nekrophile sizilianische Großmutter Sophia | |
mit fatalistischer Einsilbigkeit verbale Tretminen legt. — Rose: „Mrs. | |
Montes wird sehr glücklich sein, sie hat ihre Katze wiedergefunden.“ | |
Sophia: „Nicht so ganz. Sie hat sie unter einem Geländewagen | |
wiedergefunden.“ | |
Nicht nur die Sprüche, die von Synchronfuchs und Comedy-Autor Henry | |
Kielmann sorgfältig übertragen werden, haben es in sich. Obgleich Schminke | |
und Haarspray nicht abgeneigt (letzteres verwechselt Blanche zuweilen mit | |
dem Tränengas), machen die Damen keinen Hehl aus Fältchen, Fettpölsterchen | |
und Midlife-Crisis. Themen wie Homosexualität und Tod, auf deren | |
angemessene Darstellung man bei den übrigen Seifenopern lange warten kann, | |
werden gnadenlos verbraten. Etwa wenn Dorothys lesbische Freundin zu Rose | |
ins Bett hüpft oder Dorothys mal nebenher mit dem Spiegel prüft, ob ihre | |
Mutter noch atmet: „Man kann ja nie wissen“... | |
Die mal zärtlich-liebevollen, mal boshaft-ruppigen Wortgefechte drehen sich | |
natürlich nach wie vor um Männer. Das Wort „emanzipiert“ ist bei diesem | |
femininen Pendant zu „Männerwirtschaft“ deplaziert, zugegeben. Doch findet | |
sich auf der hiesigen Mattscheibe keine vergleichbar offenherzige | |
Damenriege: „Es schien immer schon passiert zu sein, bevor ich ins Zimmer | |
kam“, pointiert Dorothy ihre Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht. Da | |
hilft natürlich erst recht kein Psychiater: „Ich wollte die ganze Zeit | |
gehen. Sein Aquarium war voller toter Fische“, faßt Sophia ihre einzige | |
Sitzung zusammen. Der heikelste Punkt für nicht „Eingeweihte“ ist natürli… | |
die unverzichtbare Lachspur, denn eine Comedy-Serie ohne die berüchtigten | |
Laughtracks ist wie Pommes Frites ohne Mayonnaise. | |
29 Sep 1990 | |
## AUTOREN | |
manfred riepe | |
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