# taz.de -- Beruf und Familie: Ein Mann. Ein Wort. | |
> Horst Seehofer hat sich entschieden: für seine Ehefrau, gegen seine | |
> Berliner Freundin und das neugeborene Baby. Ob das für den CSU-Vorsitz | |
> reicht? | |
Bild: Eheleute Seehofer: Die Schräglage ist beseitigt. | |
Horst Seehofer hat sich also entschieden. Nicht für die junge Geliebte und | |
das gemeinsame, drei Wochen alte Kind, sondern für die Ehefrau, daheim in | |
Bayern, in Ingolstadt. 65 lokale CSU-Granden aus seiner Heimatstadt | |
erfuhren es als beinahe erste in der Partei. Am Samstagnachmittag saß die | |
Ingolstädter CSU-Familie im Kurort Bad Birnbach zusammen, hatte gerade die | |
Stadtratsliste beschlossen, als Horst Seehofer aus dem Nichts heraus | |
verkündete: "Die Familie Seehofer bleibt zusammen!" Nur Kanzlerin Merkel | |
und Noch-CSU-Chef Stoiber hatte der "polyamouröse" (Focus) | |
Bundesverbraucherschutzminister schon informiert. | |
Es ist nicht so, dass es die Menschen besonders viel anginge, wo ein | |
Politiker seine Nächte verbringt und wen er liebt. Doch bei Seehofer - und | |
auch in der CSU - ist das seit dem 16. Januar 2007 anders - seitdem nutzen | |
seine Konkurrenten das Privatleben als argumentative Brechstange. An diesem | |
Tag titelte die Bild-Zeitung mit der Nachricht, dass das CSU-Alphatier | |
Seehofer, 58, ein Kind erwarte - von einer Bundestagsmitarbeiterin. Zwei | |
Tage später, am 18. Januar, kam es auf einer anderen CSU-Front zum | |
Showdown, Stoiber wurde abgesägt vom putschenden Duo Huber/Beckstein. Die | |
beiden wollen die Nachfolge antreten - als bayerischer Ministerpräsident | |
der eine (Beckstein), als Parteivorsitzender der andere (Huber). Alles | |
stand fest, abgekartet war die Entscheidung, in der Nacht hatte sich sogar | |
Stoiber dem Schicksal ergeben. Doch Huber/Beckstein hatten die Rechnung | |
ohne Seehofer gemacht. Obwohl der nur Tage vorher durch die Meldung in der | |
Bild-Zeitung angeschossen worden war, verkündete er am Tag des | |
Stoiber-Rückzugs seinen Anspruch auf die Führung der Christsozialen. | |
Seehofer, der Einzelkämpfer, das Alphatier, gab nicht - wie wahrscheinlich | |
erwartet - nach, sondern begab sich ins Rennen. Und ist immer noch dabei. | |
Oder vielleicht beginnt das Rennen um den CSU-Chefposten jetzt erst | |
richtig, nach seiner Entscheidung für die eine, klassische Familie und | |
gegen die Geliebte und ihr Kind. | |
Denn seit beinahe sieben Monaten schwelt der Kampf zwischen dem bayerischen | |
Wirtschaftsminister Erwin Huber und Seehofer. Aber es war bisher selten | |
eine Auseinandersetzung um Sachfragen, stets stand Seehofers | |
Unentschlossenheit im Vordergrund. Stets war Seehofers Kampf mit sich | |
selbst im Fokus der Berichterstattung, forciert vor allem durch eine | |
Kampagne der Bild-Zeitung. Den Schwangerschaftsstatus hatte die | |
Bild-Zeitung vermeldet, im Februar spendierte die Springerpostille wieder | |
eine Titelseite: "Kardinal geht auf Seehofer los - Auch erste Ehefrau | |
spricht jetzt". Im Mai dann ein Doppelschlag: Erst Seehofer samt Ehefrau | |
beim EU-Agrarministertreffen, am nächsten Tag fragte Bild samt Foto von | |
Seehofers schwangerer Geliebten scheinheilig: Noch vier Wochen - wie muss | |
sich diese Frau fühlen? | |
Mittendrin immer der Vater, Seehofer, der kein Votum abgab. Ehefrau oder | |
Geliebte? Immer wieder kam die Frage an Seehofer. Seine parteiinternen | |
Gegner moralisierten so lange, bis dem eigentlich berechnenden | |
Machtmenschen Seehofer der Kragen platzte. Den Stern ließ er ein Zitat | |
schreiben, dessen Tragweite einem Politprofi klar sein muss: "Ich bin gut | |
informiert. Ich weiß viel. Ich habe viel Material", sagte Seehofer dem | |
Magazin mit Blick auf seine Kritiker. Affären gibt es viele in der | |
männerdominierten bayerischen Hegemonialpartei, kleine wie große: Von Franz | |
Josef Strauß Todesursache bis zur Berlinflucht des derzeit amtierenden | |
CSU-Chefs ranken sich Gerüchte, in denen Frauen - weniger die Ehefrauen - | |
eine zentrale Rolle spielen. Ungewohnt für die Bayern, die gemeinhin das | |
traute Familienglück, den weißblauen Himmel und den schönen Schein an sich | |
hochschätzen, dass einer der ihren so offen über die Doppelmoral spricht, | |
beinahe droht. Die Quittung folgte sogleich: Rücktrittsforderungen und ein | |
Stimmungseinbruch bei den bayerischen Wählern, die ihren "Herz-Jesu"-CSUler | |
bisher dem niederbayerischen Wirtschaftsmann Huber vorgezogen hatten. | |
Das also sind die bayerischen Rahmenbedingungen, drei Monate vor dem | |
CSU-Parteitag, an dem 1.100 Delegierte zwischen Seehofer und Huber wählen | |
müssen. Es ist eine Entscheidung, die nicht nur einen hohen | |
Unterhaltungswert bietet, sondern durchaus auch mit Tragweite nach Berlin, | |
in die große Koalition. Denn Günther Beckstein ist ein Sicherheits- und | |
Innenpolitiker - ein Sozialexperte ist er sicher nicht. Innerhalb der CSU | |
nimmt man deswegen an, dass sich die Doppelspitze - egal ob Beckstein/Huber | |
oder Beckstein/Seehofer - die politischen Themen aufteilen wird. Gerade die | |
Sozialpolitik wird der neue CSU-Chef betreuen und innerhalb der Berliner | |
Koalitionsrunden vertreten. Sicherlich wird es einen Unterschied machen, ob | |
ein wirtschaftsliberaler Huber dort sitzt, Haupturheber des | |
menschenfeindlichen Unions-Wahlprogramms von 2005. Oder ob Seehofer, der | |
Sozialverbandschef, mitredet in den Diskussionen zwischen SPD, CDU und CSU. | |
Welche Macht ein CSU-Parteichef haben kann auch ohne | |
Ministerpräsidentenamt, führte der Parteilehrmeister Franz Josef Strauß | |
immer wieder vor. Gegen den Willen des damaligen Ministerpräsidenten Alfons | |
Goppel zwang FJS die bayerische Staatsregierung 1973, eine Klage gegen den | |
deutsch-deutschen Grundlagenvertrag anzustrengen. | |
CSU-Chef - ein Posten also mit Gestaltungsmöglichkeit, gerade für | |
Machtmenschen. Und Seehofer ist solch einer. Zwar Einzelgänger, aber auch | |
jemand, der sagt, dass Politik kein Mickymausspiel sei. | |
Wo Seehofer ab Ende September, dem CSU-Parteitag, mitspielt, ist aber auch | |
nach seiner Familienentscheidung unklar. Aus der Partei gibt es dazu wenig | |
Reaktion. Der altvordere Alois Glück hat gratuliert zur Entscheidung, aber | |
sonst: vor allem Schweigen, auch von seinen Kritikern. | |
Eine böse Stimme gibt es zu lesen, im Donaukurier - Seehofers Hauszeitung. | |
Dort wurde gestern ein ominöser "Parteioberer aus dem Huberlager" zitiert: | |
"Wir warten sehnsüchtig darauf, dass die Freundin auspackt." Was in so | |
einem Fall passiert, ist fraglich. Schon am Montag reagierte Seehofer | |
deutlich entnervt auf Journalistenfragen. Was jetzt los sei mit der Familie | |
und ob die vermeldete Entscheidung stimme, wurde da am Randes des | |
Verbraucherschutztages gefragt. Seehofer schwieg, dachte nacht, | |
sekundenlang. Um dann gepresst mitzuteilen: "Sie haben doch immer eine | |
Entscheidung gefordert. Das habe ich jetzt getan. Jetzt muss Ruhe sein." Ob | |
es eine Drohung, eine Bitte, ein Hoffen war, das weiß man nicht. Das weiß | |
man bei Seehofer nie. | |
10 Jul 2007 | |
## AUTOREN | |
Max Hägler | |
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