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# taz.de -- Kriegshetze - Friedenshetze
> ■ Wolf Biermann: Damit wir uns richtig mißverstehen: Ich bin für diesen
> Krieg am Golf 2. Teil
Der erste Teil des Textes von Wolf Biermann
erschien in der gestrigen Ausgabe der taz/DDR.
Die drei Soldaten erinnern mich, wie sie da liegen, an das berühmte Sonett
des Arthur Rimbaud. Mit siebzehn Jahren schrieb der französische Dichter
dieses Meisterwerk, das in France mancher Schüler auswendig hersagen kann:
La Dormeur du Val (Der Schläfer im Tal). Dreizehn Zeilen lang schildert
Rimbaud einen schlafenden jungen Soldaten, aber in der letzten, der
vierzehnten Zeile kommt die erschreckende Wahrheit heraus: Der Junge ist
tot.
Der Schläfer im Tal
Das ist die grüne Mulde, da murmelt der Bach
und schmückt
Das Ufergezweig mit
silberflirrendem Fetzengewirre
Dort, wo vom kahlen Gebirge die Sonne und wie verrückt
Ins kleine Tal reingleißt, schäumt auf das
Strahlengeflirre
Ein junger Soldat, Mund offen, die Stirne bloß und bleich
Läßt seinen Nacken im saftigen blauen Kressekraut
baden
Er schläft da hingestreckt. Und eine Wolke
schwimmt leicht dahin
Er schläft im Bett aus Grün, wo Lichtschauer
sich entladen
In Schwertlilien stecken die Stiefel. Er lächelt so brav
Wie'n krankes Kind wohl lächelt. Er nimmt 'ne Mütze
voll Schlaf
Ihn friert. So wärme ihn doch, Natur, in seiner Not!
Und seine Nüstern, sie beben in all dieser Nasenlust nicht
Die Hand ruht auf der Brust, er schläft im Licht
Zwei Löcher hat er an der Seite rechts. Und die sind rot.
Das Schlimme, das Schöne und Geniale an diesem Gedicht ist nun dies: Wenn
du die blutige Pointe erst einmal kennst, dann hat das Sonett beim zweiten
Lesen nicht etwa einen langen Bart wie ein alter Witz. »Er liegt da
hingestreckt« — solche Doppeldeutigkeiten kündigen deutlich genug eine
Katastrophe an, die längst geschehen war. Und du schlägst dich vor die
Stirn und sagst: Hätte ich doch merken müssen! Klar wie Kloßbrühe! clear as
mud! Aber ich habe eben mal wieder geglotzt statt hingeschaut.
Und nun das Photo mit den drei toten Amerikanern in der Werbeanzeige der
PDS gegen den Krieg am Golf. Versuchen wir also, zu sehn und nicht zu
glotzen. »Schickt die Politiker in die Wüste — nicht Soldaten!« steht groß
ins Photo montiert. Und außerdem rechts unten ein Kästchen mit acht Zeilen
aus dem bekannten Deserteurlied von Boris Vian.
## Ein Photo vom Anti-Hitler-Krieg — nun mißbraucht gegen den
Anti-Saddam-Hussein-Krieg
Was ist das für ein gemischter Ideologie-Salat in der
PDS-Propaganda-Schüssel? Clear as mud!
Erstens ein Photo vom Anti-Hitler-Krieg, nun mißbraucht gegen den
Anti-Saddam-Hussein-Krieg. Zweitens ein französisches Lied aus der Zeit des
algerischen Kolonialkrieges der Franzosen, neu mißbraucht gegen die
UN-Streitmacht am Golf. Drittens meine deutsche Übersetzung. Ich hatte sie
gemacht, um junge deutsche Soldaten des Warschauer Pakts und der NATO in
der Zeit des Kalten Krieges zum Desertieren zu ermuntern. Nun werden die
Verse mißbraucht gegen alliierte Armeen, die ein Regime bekämpfen, das fest
versprochen hat, Israel auszulöschen. Und als Salatsauce eben diese
friedensfreudige Standardlosung: Schickt die Politiker in die Wüste — nicht
Soldaten.
Wir sollen also gegen Saddams Okkupationsheer den verfetteten Kohl in die
Wüste schicken, den herzkranken Genscher, Graf Lambsdorff am Stock,
Minister Schäuble im Rollstuhl und den falschen Fallschirmspringer Gregor
Gysi. Das ist der kabarettistische Vorschlag einer Partei, die grade eben
selbst vom WirsinddasVolk- Volk in Wüste geschickt wurde und dabei weich im
Bundestag gelandet ist. Es stinkt, der Appell ist demagogisch.
Infam: Die drei toten alliierten Soldaten vom D-Day werden gegen die
lebenden alliierten Soldaten ins Feld geführt. Diese drei Toten haben mein
Leben gerettet, wie könnte ich das aus lauter Friedensliebe vergessen! Wenn
die Soldaten der Roten Armee und der US-Army nicht gegen sie gekämpft
hätten, würden die Deutschen heute noch Heil Hitler schrein. Statt dessen
schrein sie jetzt im Osten »Russen raus!« und im Westen »Amis raus aus
Arabien!«
Der Krieg begann weder an diesem 15. Januar noch am Tag des Überfalls auf
Kuwait. Dieser Krieg ist nur der Punkt aufs »I«. Zu spät unser Geschrei.
Alles begann, als Breschnew den Irak mit Panzern, Raketen, Mig-Düsenbombern
und schwerer Artillerie und Kalaschnikows ausrüstete. Der Krieg begann, als
die Franzosen dem Irak die Atombombenfabriken bauten und die
Mirage-Düsenjäger lieferten. Alles war gelaufen, als deutsche
Kriegsprofiteure dem Irak wie auch Libyen Giftgasfabriken verkauften. Und
alles war verdorben, als die Amerikaner alle Augen zudrückten, weil ihr
Todfeind Chomeini geschwächt werden sollte. Das Verbrechen wurde schon
begangen, als die Stasi des Markus Wolf dem irakischen Diktator einen
mehrfach verschachtelten Spitzelapparat gegen das eigene Volk installierte:
ein Machtmittel, mit dessen Hilfe Saddam Hussein jede innere Opposition im
Keime ersticken konnte. Und so hatte das irakische Volk immer weniger
Chancen, sich selbst von dieser Tyrannei zu befreien. Noch unter PDS-Modrow
und CDU-Eppelmann wurde korrekt geliefert und unterstützt. Es wurden sogar
palästinensische Terroristen im PDS-Staat bis zum Ende ausgebildet und
ausgerüstet — Vertrag ist Vertrag. Bis heute arbeiten Militärberater der
sowjetischen Armee im Dienste des Irak.
Wer sah nicht die rührenden Fernsehbilder, als Willy Brandt ein Flugzeug
voll deutscher Geiseln befreit hatte. Nun hören wir, daß etliche von diesen
losgebettelten Technikern und Ingenieuren wieder zurückgeflogen sind, weil
sie im Irak für 60.000 Mark Lohn im Monat die unterbrochene Arbeit
fortsetzen wollten. Vertrag ist Vertrag. Ich denke, solche Menschen müßten
erhängt werden wie Kriegsverbrecher. Und die feinsinnigen Rechtsanwälte,
die wasserdichten Notare, die hanseatischen Kaufleute und respektablen
Geschäftsführer, die alle am Geschäft mit dem Tod verdient haben, verdienen
den Tod, genau wie Göring und Krupp und Eichmann.
## Das Pentagon brannte schon lange darauf, seine Waffen auszuprobieren...
Der Golfkrieg ist wie eine blutige Karikatur der Völkergemeinschaft. Alle
haben zusammengearbeitet. Die Sowjets liefern die Scud-Rakete, und die
Deutschen verbessern sie so, daß sie den Weg über Jordanien bis nach Israel
schafft. Grade weil er so schön komplex ist, führt uns dieser Krieg
modellhaft das Perpetuum mobile unserer Selbstvernichtung vor. Die
Rüstungskonzerne in aller Welt liefern an alle Welt Waffen, zu deren
Bekämpfung sie dann aber neue und noch mehr Waffen liefern müssen. Die
armen Völker bezahlen die Waffen mit Hunger, Durst, Krankheiten und
Unwissenheit. Die reichen Länder bezahlen mit genau dem Überfluß, den sie
den armen Ländern abgeben könnten und müßten, damit die Welt nicht vollends
in eine arme und eine reiche Hälfte zerbricht.
Kein Blut für Öl — das ist nun die antiamerikanische Losung. Heilige
Einfalt! Natürlich geht es auch den Amerikanern ums Öl. Noch schlimmer: Das
Pentagon brannte schon lange darauf, seine Waffen auszuprobieren. Noch
perverser: Die US-Rüstungslobby braucht dringend den Beweis dafür, daß die
Billionen Dollars kein rausgeschmissenes Steuergeld waren. Der lukrative
Ost-West-Konflikt ist ihnen verdorben, aber die Aktionäre der
Kriegsindustrie wollen, daß das Wettrüsten trotzdem weitergeht. Und bei den
Präsidentschaftswahlen will kein Kandidat die jüdischen Stimmen verspielen.
Alles niedrigste Motive. Und ich sage mir: zum Glück! Denn wenn es um die
hehren Prinzipien der Menschlichkeit ginge, um Freiheit und Demokratie,
dann würde Präsident Bush seine Jungs nicht kämpfen lassen. Die USA sahn ja
auch gelassen zu, als Iran und Irak sich zerfleischten. Saddams Völkermord
an den Kurden war denen eine häßliche Lappalie, und Saddams Terror gegen
das eigene Volk war ein totalitäres Kavaliersdelikt. Die USA hatten schon
so viele unglückliche faschistische Liebschaften in der Welt. Auch wenn
jeder ratlose Kommentator es so ähnlich wiederholt, ist es doch wahr: Wenn
in Kuwait nicht Öl gefördert würde, sondern nur die Kunst des Kamelreitens,
dann hätten sie dem Dieb aus Bagdad die wertlose Beute gelassen.
## ... Ja, ich bin froh, daß es solche zuverlässigen Interessen gibt,
Israel stünde sonst allein da
Ja, ich bin froh, daß es solche zuverlässigen Interessen gibt, Israel
stünde sonst allein da. Saddam würde den Judenstaat auslöschen, wenn nicht
heute, dann morgen mit einer deutsch-französischen-britischen Atombombe.
Es gibt zwei Beteiligte an diesem Weltkonflikt, deren Lage ähnlich
verzweifelt und heillos ist: die Juden und die Palästinenser. Sie sind auch
die einzigen, die echte, will sagen: existenzielle Interessen haben und die
deshalb auch eigentlich Verbündete sein sollten.
Weder der jordanische König noch der syrische Diktator, nicht der
schwachsinnige Tyrann in Libyen und schon gar nicht der größenwahnsinnige
Despot an Euphrat und Tigris interessieren sich für das Schicksal der
Palästinenser.
Das einzig Echte an Saddam, scheint's, ist sein Revolver unter der Wampe,
mit dem er bei Disskussionen im Führungsstab gelegentlich einige seiner
Kumpane erschießt. Ich glaube, nicht einmal sein Haß gegen Israel ist echt.
Der Haß auf die Juden und die Liebe zu den Palästinensern sind nur zwei
Seiten derselben falschen Münze, mit der er die Einheit der arabischen Welt
unter seiner Führung kaufen will.
## An Menschenverachtung werden diese Gestalten nur von Arafat übertroffen
An Menschenverachtung werden all diese blutigen Trauergestalten nur noch
von Arafat übertroffen. Ihm sind die Selbsterhaltung und eine Pirouette bei
der Selbstdarstellung auf der Weltbühne offenbar wichtiger als seine
gequälten Landsleute. Er leckt mit Bruderküssen seinen Todfeind, den
kleinen König von Jordanien, ab, der 1970/71 die Kämpfer der PLO zu
Abertausenden niedermetzeln ließ. Arafat ermuntert die Kinder der Intifada,
gegen schwerbewaffnete Soldaten mit dem Stein in der Hand vorzugehn. Arafat
ist ein Feigling in der Pose des Kämpfers, Revolutionsschwadroneur, der in
New York operettenhaft in die Decke schießt, eine Lebemann, der
fanatisierte Unglücksmenschen im Gaza-Streifen in den Tod schickt. Von
Luxushotel zu Luxushotel jettet er um den Erdball, ein alt und fett
gewordener Phrasendrescher mit immer demselben falschen Siegerlächeln. Er
ist ein Verlierer auf Kosten seines Volkes, eine blutige Witzfigur der
Weltgeschichte, eine Witzbudenfigur aus der Zeit des Kalten Krieges.
Eins haben wir gemeinsam: Auch ich singe einen Geschichtsoptimismus, der
aus Niederlagen gemacht ist. Aber immerhin reite ich nicht mit dem Arsch
anderer Menschen durchs Feuer.
Ja, ich bin Partei in diesem Streit, und ich bin kein Jude. Die aus mir
einen hätten machen können, sind alle ermordet worden.
Das begeisternde Erlebnis meines Vaters in den zwanziger Jahren war, daß er
eben nicht Jude ist, sondern Mensch. Als Kommunist und Werftarbeiter
verdrängte er das Judentum seiner Kindheit. Nach Hitlers Machtergreifung
kämpfte er im illegalen Widerstand und wurde verhaftet. Als er im Hamburger
Hafen Waffenschiffe sabotierte, die Nachschub für Hitlers Legion Condor
nach Spanien bringen sollten, kämpfte er auf seiten der spanischen
Republik. Er tat auf seine Weise dasselbe wie seine Genossen, die in den
Internationalen Brigaden gegen Franco kämpften und starben. Der
faschistische General hatte ja auch seine Unterstützung in aller Welt.
Allein die Tatsache, daß er den ganzen Krieg nur machen konnte, weil die
US-amerikanische Texaco ihm auf Pump 1936 bis 1939 alles an Flugbenzin und
Diesel für die Panzer lieferte, das werde ich auch nicht vergessen, wenn
eine Dea- Tankstelle am Straßenrand winkt.
Eine Gerichtsverhandlung gegen meinen Vater begann mit den üblichen
Formalitäten. Name? — Biermann, Dagobert. Geboren? — 1904 in Hamburg.
Beruf? — Maschinenschlosser. »Religion keine« — ergänzte der Richter. Ne…
schrie da mein Vater, ich bin Jude! — Idiot! Lieber Idiot! Meine alte
Mutter weinte in diesen Tagen wie eine junge Frau, als wär's grad eben
passiert: Hätte er doch geschwiegen! Vielleicht wäre er durchgekommen! Sie
hätten es vielleicht übersehn.
Das stimmt. Im Gefängnis hätte er überleben können, er wäre vielleicht gar
nicht entlassen worden ... nach Auschwitz. Wäre hätte könnte. Er saß noch
sicher im Knast Bremen-Oslebshausen, als seine Eltern, als seine
Geschwister und deren Ehegatten und alle Kinder auf die große Reise nach
Osten gingen. Über zwanzig Hamburger Juden, die 1942 ermordet wurden. Mein
Vater hatte sich gewehrt gegen das Unrecht, und so lebte er ein Jahr
länger.
Wohnte ich in Israel, würde ich wahrscheinlich zu den Kritikern der
Regierung gehören. Ich wäre einer von vierhunderttausend Menschen dort, die
gegen den Libanonkrieg ihrer eigenen Regierung protestierten. Ich stünde
auf seiten derer, die immer wieder versuchen, mit den Palästinensern zu
reden, und ich würde gegen die aggressive Siedlungspolitik der orthodoxen
Eiferer öffentlich ansingen.
Allerdings würde mich diese Haltung nicht viel kosten, denn in Israel ist
die Opposition zur Regierung ungefähr so teuer, will sagen: so billig wie
hier. Stell dir eine religiöse oder soziale Intifada in irgendeinem
arabischen Land vor, sie würde keine zwei Stunden dauern. Im März 1982 trat
in der syrischen Stadt Hama eine radikal islamische Gruppe gegen die
Politik von Hafis el-Assad auf. Er ließ, nachdem diese Opposition erledigt
war, noch zwanzigtausend Menschen in dieser Stadt prophylaktisch umbringen.
Um die Herrschaften in den Scheichtümern ist es so wenig schad wie um die
faschistischen Militärdiktaturen. Ob die Reichtümer des Landes von
lebenslustigen Parasiten verpraßt oder von totalitären Fanatikern vergeudet
werden, nimmt sich nicht viel. Das Erbe der französischen und britischen
Kolonialpolitik, die Hypotheken des Kalten Krieges der Großmächte, die
ätzende Krankheit religiöser Intoleranz — all dies lastet auf den Ländern
dort. Frieden? Ja, lieber heute als morgen, wenn diese Völker eine Chance
kriegen, brüderlich nebeneinander zu leben mit Israel. Und Israel selber?
Die Araber können nicht fordern, daß es seine Politik gegenüber den
Palästinensern radikal ändert und die Juden dort gleichzeitig mit der
Ausrottung bedrohen. Solange die Existenz Israels nicht anerkannt ist, kann
es die besetzten Gebiete nicht denen übergeben, die auf ihre Fahnen
geschrieben haben: Bewerft die Juden mit Giftgas! Ich höre schon die
dialektischen Einwände gegen diese Ursache-Wirkung-Logik. Aber die Logik
kommt aus mehreren Kriegen, in denen arabische Staaten versucht haben,
Israel zu vernichten — aufgerüstet und angestachelt von der Sowjetunion.
Seit Gorbatschow sich von dieser zynischen Außenpolitik abwendet, könnte
manches besser werden, wie in Europa. Aber wir sehn es ja: Die
westdeutschen Geschäftemacher verscheuerten aus Profitgier prompt und in
besserer Qualität alles, was die Sowjetunion nicht mehr liefert.
## Bindet euer Palästinensertuch fester, wir sind geschiedene Leute
Mein Vater ist so jung geblieben. Längst bin ich älter als er. Ich
überholte ihn an dem Tag, als ich vor fast fünfzehn Jahren in den Westen
kam. Für den russischen Dichter Julij Daniel schrieb ich noch in der DDR
vier Zeilen, die jetzt mich einholen und die eine schöne Musik brauchten:
Ich bin zu müd fürs Schlausein und zu alt
Zu stolz für euern Harlekin
Den Tod nicht mehr, ich fürchte nur
Das Leben auf den Knien.
Für mich schließt sich ein Kreis zu meinen frühen Kinderjahren in diesem
geschichtsdummen Land. Ich komme wieder an in den Kälten einer
altvertrauten feindseligen Fremdheit. Nach über zwei Generationen hat sich
das alte deutsche Farbmuster auf historisch höherer Stufe wieder
eingemendelt. Gregor Mendel, der Naturforscher und Prälat mit seinen
Generationen gekreuzter Erbsen, Bohnen und Stiefmütterchen im Klostergarten
zu Brünn, war kein Kämpe im Historikerstreit und wollte uns nichts
beweisen. Aber ich bin auch kein festgewachsenes Pflänzchen im
großdeutschen Schrebergarten. Ihr überdeutschen Deutschen, egal ob
Kriegsgewinnler oder Friedensengel, ich weiß, ihr könnt sehr gut ohne mich.
Aber ich kann auch ohne euch.
Heute ist Montag, der 28. Januar. Man mag nur noch in Tagen denken in
dieser Endzeit. In den Nachrichten kam eine Neuigkeit, die mich entsetzt
und gar nicht wundert: Saddam kündigt nach dem konventionellen
Raketenvorspiel nun den nichtkonventionellen großen Vernichtungsschlag
gegen Israel an. Er wird also meinen Freund Walter Grab und seine Frau Ali
in Tel Aviv der erste Mal im Leben vergasen und meinen toten Vater zum
zweiten Mal. Und ich höre schon den lapidaren Kommentar von einigen
besonders fortschrittlichen deutschen Friedensfreunden: selber schuld. Na
dann! Bindet euer Palästinensertuch fester, wir sind geschiedene Leute.
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung der ZEIT
7 Feb 1991
## AUTOREN
wolf biermann
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