# taz.de -- Die „Hölle des Nordens“ beerdigt | |
> ■ Mit 2:2 endete nach 90 Jahren das letzte Spiel im Donnerschwee-Stadion | |
Als vor vielen, vielen Jahren Anna Boschen, die jungfräuliche Schwester des | |
damaligen VfB- Präsidenten, die Zeit ihres Lebens darauf bestand, Fräulein | |
Boschen genannt zu werden, nach dem letzten Auswärtsspiel des VfB die | |
blau-weiße Fahne über dem Stadion hißte, war das das Zeichen für die | |
Donnerschweer: der Aufstieg war geschafft. Als gestern gegen 17 Uhr die | |
blau- weiße Vereinsflagge vom Mast geholt wurde, wurde den zahlreichen | |
Episoden, die sich in der 90jährigen Geschichte des Oldenburger | |
Donnerschwee-Stadions angesammelt haben, das letzte Kapitel hinzugefügt. | |
Mit dem Abpfiff des Spiels gegen den SC Freiburg wurde auch die | |
heißgeliebte Fußball-Arena zu Grabe getragen. 10.000 Zuschauer gaben ihr | |
gestern bei Nieselregen, Freibier und Gratiswürstchen das letzte Geleit. | |
Das Donnerschwee-Stadion — als „Hölle des Nordens“ von den Gegnern mit | |
Respekt bedacht, als „Freudenhaus der Zweiten Liga“ vom eigenen | |
Vizepräsidenten bezeichnet, als „Stadion mit Seele“ von seinen unzähligen | |
Liebhabern angehimmelt, die so oft die 20.000 Plätze füllen und zu den | |
Spielern Nähe suchten oder auf umliegenden Balkonen Menschentrauben bilden. | |
Was vor rund 90 Jahren als Radrennbahn von einer ortsansässigen Brauerei | |
angelegt, in den 20er Jahren zum Fußballplatz mit Aschenbahn umgebaut | |
wurde, ist heute nur noch Spekulationsobjekt für die einen, Manövriermasse | |
im Kommunalwahlkampf für die anderen. Und wenn das Stadion, zu Beginn des | |
letzten Jahres vom VfB für 2,8 Mio Mark und unter noch aufzuklärenden | |
Umständen an die Bremer Briefkastenfirma „Gesellschaft zur Vermittlung von | |
Finanzierungen“ um den Notar Ernst Sennhenn verkauft, tatsächlich | |
abgerissen wird und einem Parkhaus oder Supermarkt weichen muß, dann stirbt | |
nicht nur ein Stück Fußballgeschichte, sondern auch eine leidenschaftliche | |
Stadtkultur. | |
Donnerschwee — das war alle 14 Tage in der Saison Fiebern und Feiern, | |
Gucken und Klönen. Ein bißchen Jugendzentrum für alt gewordene | |
Fußball-Fans, Marktplatz, Nachrichtenbörse und Heimat mit dem | |
unübertrefflichen Charme einer brüchigen Bretter- Bude. Wer in den | |
bescheidenen VIP-Raum wollte, mußte an den überfüllten Toiletten und den | |
Mannschaftskabinen vorbei, oder sich durch Urin- und Schweißschwaden zu | |
belegten Brötchen durchschlagen. Die Blasierten, die Piekfeinen und | |
snobistischen Möchtegerns haben sich dort nie sehen lassen. Die Atmosphäre | |
war hemdsärmlig, der Umgangston nie manieriert. Und wenn in der Halbzeit, | |
wie beim Spiel gegen Waldhof Mannheim, der Präsidiumstisch von sechs Typen | |
in Lederjacken und ausgefransten Bärtchen belegt ist, alle die Flasch' Bier | |
am Hals und ein Brötchen in der Hand, dann mokiert sich keiner. Torfrock | |
ist zu Gast, na und. | |
Andreas Hoetzel | |
P.S.: Mit einem Platzverweis für Radek Drulak und einem 2:2 —Unentschieden | |
erkämpfte sich der VfB Oldenburg als zweitbeste niedersächsische Mannschaft | |
den 12. Platz in der 2. Bundesliga. | |
17 Jun 1991 | |
## AUTOREN | |
andreas hoetzel | |
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