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# taz.de -- Die neue Chefredaktion der taz: Weibliche Führung in der taz
> Co-Chefredakteurin Ulrike Winkelmann über linke Unhöflichkeit,
> Sprachpolitik und den Willen zur Gemeinsamkeit in der taz.
Bild: Ulrike Winkelmann
Interview von [1][JULIA BOEK]
taz: Du bist ein echtes taz-Gewächs, hast bei der taz Hamburg volontiert,
warst später in Berlin Redakteurin für Sozialpolitik und
Parlamentskorrespondentin und hast bis 2014 das Inlandsressort geleitet.
Mit welchem Gefühl kommst du zurück zur taz?
Ulrike Winkelmann: Mit großer Freude und tatsächlich mit dem Gefühl, nach
Hause zu kommen. Es geht dabei um Kommunikationsweisen, um eine
Vertrautheit beim Austausch, die ich lange vermisst habe. Was ich am
schönsten bei Gesprächen mit taz-Kolleginnen und Kollegen finde, ist, dass
die alle so klingen, wie ich gern spreche.
Und was macht diese Vertrautheit aus?
Ich finde, man merkt bei den tazlern und tazlerinnen sofort, dass sie im
Prinzip alle das Gleiche wollen. Bei allem, worüber wir uns in der taz
schon immer gestritten haben und streiten werden, gibt es eine gemeinsame
Grundlage. Das sind taz-Wertvorstellungen – wie das Bekenntnis, die Welt zu
einer besseren zu machen. Diese Ideale werden in einer Intensität gelebt,
die mich immer wieder überrascht.
Was, glaubst du, hat sich im Haus geändert, seitdem du 2014 zum
Deutschlandfunk gingst?
Die taz ist viel digitaler geworden. Es sind viele neue, jüngere Menschen
da, die so viel von dem verstehen, wie Medien im Netz funktionieren. Etwas
anderes ist, dass durch neue, jüngere Kolleginnen und Kollegen neue
Ansprüche an Kommunikation und auch inhaltliche Ansprüche dazugekommen
sind. Das wird gerade in dem Konflikt um die Kolumne von Hengameh
Yaghoobifarah („All cops are berufsunfähig“, Anm.d. Red.) ausgetragen. Ich
glaube, dass sich in diesem Konflikt der Wunsch zeigt, Rassismus stärker
als bisher durch Sprachpolitik zu bekämpfen. Die Idee dahinter ist: Wenn
wir die Sprache umgestalten, verändern wir auch das Denken und das
Zusammenleben der Menschen und sind dadurch weniger rassistisch. Ich
glaube, dass der Konflikt über die Mittel der Sprachpolitik innerhalb der
taz ausgetragen werden muss.
Welche Position vertrittst du?
Ich denke, dass die Mittel der Sprachpolitik von vielen – gerade bei denen,
die frisch von der Universität kommen – überschätzt werden. Ich frage mich
auch, ob der Nutzen bei jedem Eingriff in die Sprache groß genug ist, dass
wir in Kauf nehmen können, manche Menschen nicht mehr zu erreichen. Eben
weil sie uns einfach nicht mehr verstehen.
Mit welchen Ideen trittst du deinen Job als Chefredakteurin an?
Nachdem ich in der taz lange Zeit als Sozialredakteurin an Gesundheits-,
Renten- und Arbeitsmarktthemen gearbeitet habe, habe ich heute den
Eindruck, dass diese Schwerpunkte in den letzten Jahren etwas
vernachlässigt wurden. Jeder weiß, dass die Klima- und auch die Coronakrise
die soziale Frage wieder verschärfen werden. Das bedeutet: Die Fragen der
Umverteilung werden dringender. Wir haben wunderbare Sozialredakteurinnen
in der taz. Barbara Dribbusch etwa hat eine Art, Sozialpolitik menschlich
darzustellen, die wirklich unnachahmlich ist. Wir brauchen mehr davon.
Wie würdest du deinen Führungsstil beschreiben?
Als ich vor sechs Jahren von der taz wegging, rief ebendiese Barbara
Dribbusch mir nach: „Du wirst sie alle niederlächeln.“ Darüber habe ich
erst mal verlegen gelacht. Ich glaube aber, dass man mit unerschütterlicher
Freundlichkeit eine Menge erreichen kann. Autoritäres Gebaren hilft nicht,
wenn es um Sachfragen geht.
Und wie stehst du zur sprichwörtlichen linken Unhöflichkeit?
Die klassische linke Unhöflichkeit musste ich in der taz leider auch
kennenlernen, und sie geht mir kolossal auf die Nerven. An meinem
allerersten Tag in der taz in Berlin stieg ich die Treppe hoch und grüßte
jeden, der mit entgegenkam – niemand erwiderte mein „Guten Morgen“. Aber
die taz ist anders geworden: Insgesamt wird jetzt mehr Wert auf gute Laune,
Freundlichkeit und Höflichkeit im Umgang gelegt. Das verhindert natürlich
nicht, dass man sich in der Sache hart auseinandersetzt.
Im Vergleich zu anderen Verlagen bekleiden in der taz viele Frauen
Leitungsfunktionen. Warum sind Frauen die besseren Chefinnen?
Weibliche Führung hat in der taz einfach Tradition, und insofern stellen
wir drei – Katrin, Babs und ich – eine Fortführung des
taz-Traditionsprodukts „weibliche Führung“ dar. Angesichts der herrschenden
Geschlechterrollenverteilung kann es gut sein, dass Frauen andere
Fähigkeiten mitbringen, die nötig sind, um bei der taz Chefin zu sein. Ich
glaube, dass für die meisten Fragen im Leben gemischte Teams die beste
Lösung sind. Aber es ist schon möglich, dass aktuell Frauen noch eher
manche Talente und Mittel mitbringen, die es braucht.
Was braucht es denn?
Den Willen zur Gemeinsamkeit. Dass der oft fehlt, habe ich außerhalb der
taz häufig beobachtet. Es geht darum, dass niemand versucht, Erfolge für
sich zu vereinnahmen – und Misserfolge anderen unterzuschieben.
Die taz begreift sich mit ihren über 20.000 Genoss:innen als eine große
Familie. Welche Botschaft möchtest du an sie senden?
Vieles, was in den letzten Jahren auf den Weg gebracht wurde, harrt jetzt
der Umsetzung. Wir werden den Hebel umlegen müssen am Tag X, an dem sich
der Vertrieb der gedruckten Zeitung nicht mehr lohnt. Diese Aufgabe, den
guten, lebendigen, idealistischen Journalismus der taz in die digitale
Zukunft mitzunehmen und ihn dort sogar noch zu verbessern, nehmen Barbara
Junge und ich mit größter Leidenschaft und größter Zuversicht an. Unsere
Leitvokabel könnte Zugewandtheit sein. Auch am Beispiel des Streits über
die Kolumne merke ich, dass vertrauensbildende Maßnahmen nötig sind – also
Herzlichkeit, Vertrauen und Zugewandtheit.
19 Aug 2020
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## AUTOREN
Julia Boek
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