# taz.de -- Frauen in Ostdeutschland: Wendegewinnerinnen | |
> Ostdeutsche Frauen haben das Land verändert, sagt die Autorin Sabine | |
> Rennefanz. Ein Gespräch über Sichtbarkeit, Anpassung und Emanzipation. | |
Bild: Von 120 Abteilungsleiter*innen in Bundesministerien sind nur drei ostdeut… | |
Interview: [1][NORA STRASSMANN] | |
taz: Frau Rennefanz, eine neue Studie besagt, dass Ostdeutsche in | |
Führungspositionen bundesweit stark unterrepräsentiert sind. Fühlen sich | |
Ostdeutsche vernachlässigt? | |
Sabine Rennefanz: Ostdeutsche haben einen Bevölkerungsanteil von 17 | |
Prozent, besetzen aber nur 1,7 Prozent der Führungsjobs. Es gibt eine | |
strukturelle Benachteiligung von Ostdeutschen in Führungspositionen, was zu | |
einem Gefühl der Fremdbestimmung führt. Ich finde es unglaublich, dass es | |
keinen ostdeutschen Hochschulrektor gibt, keine Bundesrichter. Von 120 | |
Abteilungsleitern in Bundesministerien sind nur drei ostdeutsch. | |
Selbst in den ostdeutschen Ministerien sind die meisten Abteilungsleiter | |
aus dem Westen. Kurz nach der Wende konnte man vielleicht noch | |
rechtfertigen, dass viele Posten an Westdeutsche gingen. Aber 30 Jahre | |
später? Da läuft was falsch, das merken die Leute. | |
## Unter den wenigen Ostdeutschen in Führungspositionen sind | |
überdurchschnittlich viele Frauen. Wie erklären Sie sich das? | |
Das hat mich nicht überrascht. Denn die ostdeutschen Frauen sind ja | |
womöglich das größte Erfolgsprodukt der deutschen Wiedervereinigung. Für | |
sie war es schon zu DDR-Zeiten selbstverständlich, Beruf und Familie zu | |
verbinden. Ostdeutsche Frauen trugen schon in den 80er Jahren 40 Prozent | |
zum Haushaltseinkommen bei. Die wirtschaftliche Unabhängigkeit gab ihnen | |
Selbstbewusstsein. | |
## Würden Sie sich persönlich als Ostdeutsche identifizieren? | |
1990 habe ich mich überhaupt nicht ostdeutsch gefühlt. Aber mit jedem Jahr, | |
das vergeht, fühle ich mich mehr als Ostdeutsche. | |
## Wie kommt das? | |
In den 90er Jahren wurden Ostdeutsche verspottet, der Begriff Jammerossi | |
kam auf. Es war peinlich, aus dem Osten zu sein. Ich lebte in Hamburg, und | |
das größte Lob, das mir jemand geben konnte, lautete: Du siehst gar nicht | |
aus wie aus dem Osten. | |
## Wie wollten Sie sein, als die Mauer fiel? | |
Ich war damals 15 Jahre alt und ging in Eisenhüttenstadt zur Schule, ich | |
wollte weg, meine Herkunft hinter mir lassen. Wenn man älter ist, merkt man | |
aber, dass man[2][ seiner Vergangenheit nicht davonlaufen kann]. Inzwischen | |
bin ich selbstbewusster geworden und sehe meine Herkunft als etwas | |
Positives, als etwas, das mich produktiv macht. | |
Ich habe eine andere Perspektive, auch auf Fragen der Emanzipation und | |
Gerechtigkeit, und eine andere Sensibilität im Hinblick auf die Frage nach | |
sozialen Brüchen und Klassenbewusstsein. | |
➡ Auf dem taz lab spricht Sabine Rennefanz über „[3][Europa zweiter | |
Klasse?]“: 12.15 Uhr, taz Panorama. | |
25 Mar 2019 | |
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## AUTOREN | |
Nora Strasssmann | |
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