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# taz.de -- Über das Schaf: Die Unterschätzten
> Sind Schafe die neuen Schimpansen und was zählt für Schafe wirklich? Über
> das wohl europäischste Tier spricht Helmut Höge auf dem taz lab.
Bild: Kriegen sich nicht immer nur in die Wolle: Schafe sollen sich endlich auc…
von [1][HELMUT HÖGE]
Im Vergleich zur Literatur über Katzen ist die über Schafe nicht besonders
üppig. Zudem behandelt sie diese Tiere meist nur unter dem Aspekt der
Mehrung ihres Nutzens.
In einem Interview erklärte die kanadische Schafforscherin Thelma Rowells:
„Menschen, die diese Tiere züchten, werden weit gehen, um nicht akzeptieren
zu müssen, dass Schafe Beziehungen und Meinungen haben. Sie haben ganz
sicher Meinungen.“ Thelma Rowell gehörte auf einem Primatologen-Kongress in
Brasilien, zu den eingeladenen Feldforschern.
Ihr Beitrag trug den Titel: „A Few Peculiar Primates“. Es ging darin jedoch
nicht um Affen (Primaten), sondern um Schafe. Sie lebt in Kanada mit einer
kleinen Herde. „Ich weiß natürlich, dass meine [2][Schafe keine Schimpansen
sind]“, erklärte sie, „aber ich will mit dem Titel ausdrücken, dass es
sinnvoller ist, den Schafen die Möglichkeit einzuräumen, sich wie
Schimpansen zu verhalten, als davon auszugehen, dass sie langweiliger sind
als Schimpansen – dann haben die Schafe nämlich keine Chance.“
## Von Hierarchien und Versöhnungsgesten
Thelma Rowells Forschung an ihren 23 Schafen ist eine Art
wissenschaftliches Pastorat. Sie füttert ihnen 24 Portionen täglich, mehr
als genug also, sodass keines sich wegen Futter mit einem anderen streiten
muss. Wie gehen die Schafe damit um? Die Verhaltensforscherin fragt sich:
„Was zählt für sie“, also ihre 3 Böcke, 8 Mutterschafe und 12 Lämmer?
Normalerweise sieht man keine Böcke in den Herden, weil mehr als 95 Prozent
frühzeitig selektiert werden.
„Wo die Forscher in ihren Herdenstudien nur Hierarchie- und Dominanzkämpfe
sehen, sehe ich die Versöhnungsgesten. Die Böcke bleiben ja für sich,
kämpfen tun sie nur in der kurzen Deckzeit, einen Monat im Jahr. Hinterher
sind sie wieder zusammen, während die übrige Herde von einem alten
Mutterschaf angeführt wird.“ Thelma Rowell arbeitet an [3][einem anderen
Bild von Schafen], von ihrer Kommunikation in der Herde.
Dass die Forschung sich so lange auf „Konkurrenz“ und „Wettbewerb“
konzentriert hat, korrespondiere mit einem bestimmten politischen Kontext.
Sie lässt sich bei ihrer Schafforschung von einer „Tugend der Höflichkeit“
leiten, sagt sie. Dadurch werde sie gezwungen, kein Wissen hinter dem
Rücken derjenigen zu konstruieren, die sie untersucht.
## Vermenschlichen, um zu verstehen
Schafen habe man bisher die geringste Chance gegeben, ihre Fähigkeit zu
entwickeln, sich selbst sozial zu organisieren. „Dass kommt auch daher,
dass sie im Gegensatz zu anderen Nutztieren nicht wirklich effektiv
protestieren können. Sie sind die skandalösen Opfer eines hierarchischen
Denkens in der Verhaltensforschung.“
Thelma Rowells ist mit einer solchen Einstellung gegenüber ihrem
wissenschaftlichen Objekt eine große Ausnahme unter den Schafforschern. Es
gibt Tausende weltweit: Schafe lassen sich leicht „händeln“. Die meisten
Studien könnte man als eine „ekpathische Schafforschung“ (im Gegensatz zu
einer „emphatischen“) bezeichnen: Wenn zum Beispiel in einem Krankenhaus in
Philadelphia Forscher per Kaiserschnitt acht Lämmer aus ihren Müttern
herausoperieren und sie in einer „künstlichen Gebärmutter heranreifen
lassen“.
Oder wenn Schafe reihenweise erschossen werden, um neue Munition zu testen,
und Wissenschaftler anschließend die Durchschlagskraft analysieren. Der
Verhaltensforscher Karsten Brensing fordert, dass man die Tiere
vermenschlichen soll, um sie besser zu verstehen.
➡ Auf dem taz lab erzählt Soziologe und taz-Aushilfshausmeister Helmut Höge
noch mehr über [4][das Schaf und seine Ausbreitung in Europa].
24 Feb 2019
## LINKS
[1] /!a173/
[2] /Die-Wahrheit/!5468109/
[3] /Die-Kulturgeschichte-des-Schafes/!5025024/
[4] /programm/2019/HeimatEuropa/de/events/775.html
## AUTOREN
Helmut Höge
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