# taz.de -- Aus dem taz Buch (2): Frauenredakteurin: Warum wir so gehasst werden | |
> taz-Frauenredakteurin? Das ist das Letzte! Ute Scheub rechnete schon 1998 | |
> mit jener Zeitung ab, die sie einst mitgründete. | |
Bild: „Taz-Männer paßt auf eure Schwänze auf!“ – Ein Graffiti an der F… | |
von [1][UTE SCHEUB] | |
Wir nennen sie Frauenbeaufragte, Frauenministerin, Frauenredakteurin. Die | |
Frauenbewegung hat sie hervorgebracht: die Weiblichkeits-Funktionärinnen. | |
Sie sollen für Chancengleichheit unter den Geschlechtern sorgen und werden | |
so zu Hüterinnen ihres hart erkämpften Reservats degradiert. Nur: Wie | |
rauskommen aus dem Dilemma? | |
Eine Weiblichkeitsfunktionärin war ich. Und weil das ein Scheißjob ist, | |
habe ich damit aufgehört. Ob wir nun Frauenredakteurinnen, | |
Gleichstellungsbeaufragte oder Frauenbeaufragte heißen: Wir sind | |
diejenigen, die mit unseren Forderungen nach mehr Frauenpräsenz überall und | |
allen auf die Nerven gehen. Wir brauchen den Mund überhaupt nicht mehr | |
aufzumachen, weil alle schon wissen, was wir zu beklagen haben: Seht her, | |
hier kommen die professionellen Opfer des Patriarchats. | |
Wir sind nicht nur einfach Frauen, wir sind Fraufrauen. Haben sowieso | |
nichts Neues zu sagen und leisten jeden Tag bedeutungslose Arbeit. | |
Anderseits: Wenn wir derart nichtige Existenzen sind, warum löst dann unser | |
Erscheinen solch massive Emotionen aus? Auch und gerade bei unseren | |
Kolleginnen? | |
## Mythos verbietende Frau | |
Wir sind die Spaßverderberinnen vom Dienst: Wir halten Pornographie für | |
Schweinkram, Erotik für sexuelle Belästigung, Sex für Nahkampf mit dem | |
Feind. Frauenbewegte sind die Oberzensiererinnen vom Dienst, würden am | |
liebsten überall schwarze Balken malen. Überhaupt ist der Feminismus eine | |
einzige Verbotswissenschaft. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, daß auch | |
taz-Frauen uns Feministinnen für frustrierte Weiber halten, die nur mal | |
ordentlich durchgevögelt werden müssen. | |
Woher rührt dieser unausrottbare Mythos von den verbietenden Frauen? | |
Psychoanalytisch betrachtet drängt sich eine Antwort auf: von den | |
strafenden Müttern. Mutti hat schon Doktorspiele verboten, Mutti will sich | |
immer noch einmischen, auch wenn die Kinder längst erwachsen sind. Weg mit | |
Mutti, weg mit all diesem moral-klebrigen Emanzenkram! | |
Wie alle antiautoritären Impulse, so wäre auch dieser eigentlich sehr | |
sympathisch, wenn er sich nicht gegen ein Wahnbild richten würde. Das ist | |
die Volte der Revolte: Mit ihren Vätern und Väterinstanzen – dem Staat, den | |
Institutionen – haben sich die brav gewordenen Ex-68er und ihre Kinder | |
längst ausgesöhnt. Gegen die Mütter aber lässt sich’s prächtig weiter | |
schimpfen. Rebellion im Westentaschenformat. | |
## Sieben Generationen Frauenredakteurinnen | |
Die ganze Wahrheit ist das zugegebenermaßen noch nicht. In Universitäten, | |
Redaktionsbüros und der Politik, überall tönt die gleiche Klage: Männer | |
haben ein leichtes Spiel mit uns. Sie setzen sich nur deshalb in breiter | |
Front durch, weil wir Frauen uns ständig in Lagerkämpfen verschleißen und | |
uns in den Haaren liegen, statt gemeinsam zu streiten. | |
Denn seit Beginn der Frauenbewegung gibt es auch den erbitterten Kampf | |
zwischen Frauen und Fraufrauen: Erstere finden „Frauenseiten“, | |
„Frauenthemen“, „Frauenbeaufragte“ und „Frauenquoten“ konsequent | |
überflüssig, öde, bieder und entsetzlich. „Berichterstattung aus | |
Frauensicht“ ist für sie bedeutend mit Sozialkitsch, „Quotenfrau“ ist f�… | |
sie eine böse Beleidigung. Sieben Generationen von Frauenredakteurinnen in | |
der taz, mich mit eingerechnet, sind daran schon verzweifelt. | |
Woher rührt so viel Abwehr? Ich behaupte: Aus einem Impuls, der | |
wahrscheinlich fast allen Frauen eigen ist, der die einen verrückterweise | |
in die Frauenkampfgruppen treibt und die anderen in die antifeministischen | |
Bataillone: Die Frauen wollen nicht auf ihr Geschlecht reduziert werden. | |
So wie die einen die Zähne fletschen, wenn Frauen in „sexistischer Werbung“ | |
mit ihrem Körper gleichgesetzt werden, so bekommen die anderen Zustände, | |
wenn an ihnen „nur das Geschlecht“ und „nicht die Leistung“ wahrgenommen | |
wird. | |
## In der Nische | |
Zwar sind die Zeiten und die Erziehungsstile milder geworden, aber die | |
irgendwann das eigene Leben grell beleuchtende Erkenntnis, nur ein Mädchen | |
zu sein, dürfe immer noch keinem weiblichen Wesen erspart bleiben. Aus | |
diesem subjektiven Gefühl der Erniedrigung und Entwertung gewinnen die | |
einen die Überzeugung, dass nur eine kollektive Anstrengung das weibliche | |
Geschlecht aufwerten könne. | |
Die anderen, die wohl auch nicht alle mit diabolischem Grinsen auf die Welt | |
gekommen sein dürften, sondern vielleicht nur kollektivmüde oder | |
geschichtsskeptisch sind, ziehen den individuellen Ausweg vor: Mit Händen | |
und Füßen wehren sie sich dagegen, in einer Nische Platz nehmen zu müssen, | |
die mit dem Schild „Nur für Frauen“ reserviert worden ist. | |
Dass ihr Geschlecht Schicksal sei, das wollen sie sich nicht bieten lassen. | |
In ihrer Wut werden sie zur Not deswegen auch noch Regierungschefin. Oder | |
auch Chefredakteurin. | |
28 Aug 2018 | |
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## AUTOREN | |
Ute Scheub | |
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