# taz.de -- PORTRAIT: Faschist, Karrierist, Philatelist | |
> ■ Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Juan Antonio | |
> Samaranch, feiert in Barcelona seinen „Lebenstraum“ | |
Der Präsident kam mit dem Helikopter in die Bergwelt Andorras. Rein in die | |
Limousine, rüber ins Stadion, wo die „Olympiade der Kleinstaaten“ ihre | |
Eröffnung zelebriert. Ein wenig plauschen mit Prinz Albert von Monaco, ein | |
paar Wettbewerbe schaut er sich an, dann bahnen ihm breitschultrige Herren | |
wie ein Schneepflug den Weg durchs Publikum. Pressekonferenz, Lob für die | |
Organisatoren, gute Wünsche für die nächsten Tage, Empfang im ersten Hotel | |
am Ort, Häppchen, Champagner, dann entschwebt Juan Antonio Samaranch wieder | |
in seine nahegelegene Heimatstadt Barcelona. | |
So hat er's gern, der Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). | |
Gegen den umtriebigen Sportmanager war Hans-Dietrich Genscher nachgerade | |
ein Stubenhocker. Eine halbe Million Flugkilometer legt er jährlich zurück | |
— mindestens. Wie viele der über 170 Mitgliedsländer hat er noch nicht | |
besucht in den zwölf Jahren seiner Amtszeit? Eins, zwei — höchstens. | |
Goodwill ist alles: Hier Nicolae Ceausescu den olympischen Orden umhängen, | |
dort den x-ten Ehrendoktor entgegennehmen. Mit seinen Dienstreisen, staunte | |
die FAZ, „hängt er locker den Heiligen Vater ab“. | |
Doch das Reisen ist Samaranch kein Selbstzweck. Am internationalen | |
Flechtwerk aus Sport, Politik und Wirtschaft will eifrig geschafft werden. | |
Das erfordert den ganzen Mann. Vorbei die Zeiten, als Adlige wie Sir Avery | |
Brundage und Lord Killanin die olympische Familie wie eine Seniorenfreizeit | |
lenkten. Brundage etwa scherzte vor zwanzig Jahren zu Sitzungsbeginn: | |
„Gentleman, wir haben kein Geld, also haben wir auch keine Probleme.“ | |
Da hört bei Samaranch der Spaß auf. Bei seinem Dienstantritt 1980 — er | |
hatte sich als spanischer Botschafter in Moskau geschmeidig mittels Parties | |
und allerlei Zuwendungen die Stimmen osteuropäischer IOC-Mitglieder | |
gesichert — stand das olympische Vermögen bei 241.000 Dollar. Heute ist es | |
auf 118 Millionen Dollar gewachsen, allein dieses Jahr fließen der Zentrale | |
in Lausanne 200 Millionen Dollar zu, netto. Das IOC ist längst eine | |
„Geschäftsmaschine“ (Sports Illustrated). | |
Amateure sind da fehl am Platz. Geld zu nehmen ist keine Schande mehr: In | |
Seoul schlugen erstmals die Tennismillionäre den Ball, in Barcelona spielen | |
im Basketball die Dollargrößen der USA. Ein Wunder fast, daß da einer wie | |
Samaranch noch ehrenamtlich agiert — seine Spesenpauschale von einer | |
Million Dollar wird ihm als Bescheidenheit ausgelegt. | |
Denn Neid kommt nicht auf, der gelernte Diplomat Samaranch läßt teilhaben. | |
Mögliche Widersacher wie Fußballboß Havelange oder den eitlen wie mächtigen | |
Primo Nebiolo aus der Sparte Leichtathletik holt er als Mitglieder in den | |
olympischen Club. Fragen muß er dabei niemanden, die 94 IOC-Getreuen haben | |
sich selbst entmündigt und ihm für solche Aktionen praktischerweise | |
Blankovollmacht erteilt. Sie fahren nicht schlecht damit. „Nach einer | |
Sitzung in Lausanne“, schrieb der Spiegel, „mußte das IOC-Sekretariat | |
eigens Kisten besorgen, damit die unentwegt Nehmenden das Bestechungsgut | |
heimtragen konnten.“ | |
Gerade ist Samaranch 72 geworden, nun steht er im Zenit der Macht. Olympia | |
in Barcelona, das ist „einer meiner Lebensträume“. Die Spiele in der | |
Heimatstadt des Präsidenten, das gab's nur einmal — bei Coubertin, dem | |
Urvater Olympias. Na gut, Samaranch ist ein alter Faschist. Vierzig Jahre | |
aktiver Parteigänger von Franco, beste persönliche Beziehungen zu dessen | |
Familie, Parlamentarier, Sportminister, Stadtrat von Barcelona. Noch 1973 | |
erklärte er seine „absolute Loyalität“ gegenüber dem blutigen Diktator. | |
Andererseits, der leidenschaftliche Philatelist sammelt bunte | |
Sportsondermarken. Kann denn jemand mit diesem hübschen Hobby ein | |
schlechter Mensch sein? | |
PS: Am Donnerstag gab Samaranch überraschend früh seine erneute Kandidatur | |
bekannt. An seiner Wiederwahl besteht kein Zweifel. Von Herrn Thömmes | |
25 Jul 1992 | |
## AUTOREN | |
thömmes | |
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