# taz.de -- Modelle im Online-Journalismus: Einfach mal bitte sagen | |
> Als erste britische Zeitung setzt der „Guardian“ auf die freiwillige | |
> Unterstützung seiner Leser*innen. Für das Medienhaus ein noch etwas | |
> ungewohntes Modell, wie die Community-Redakteurin berichtet. | |
von NATALIE HANMAN | |
Die globale Medienlandschaft verändert sich rasend schnell. Während sowohl | |
Printauflagen als auch die Gewinne aus Print- und Digitalangeboten stetig | |
zurückgehen, sehen sich Nachrichtenunternehmen auf der ganzen Welt | |
gezwungen, neue Geschäftsmodelle zu erkunden. | |
Unsere Leser*innen schreiben uns oft, wie sehr sie die Qualität des | |
[1][Guardian] schätzen, unseren unabhängigen, investigativen Journalismus. | |
Und viele sind bereit, etwas dafür zu bezahlen. Wenn man mich also fragt, | |
warum wir nicht, wie viele andere, einfach eine Bezahlschranke einrichten, | |
antworte ich: Warum sollten wir Menschen zwingen, für unsere Arbeit zu | |
bezahlen, wenn wir sie einfach darum bitten können? Wir wollen Menschen | |
dazu bewegen, unseren Journalismus zu unterstützen – er soll aber weiterhin | |
allen zugänglich sein. | |
Gerade im Hinblick auf die aktuelle politische Lage scheint das dringend | |
nötig. Nach der historischen Entscheidung der Brit*innen, die Europäische | |
Union zu verlassen, nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten, und vor | |
der permanenten Herausforderung, die der Klimawandel und die | |
Flüchtlingskrise darstellen, spielt die faire und sachliche | |
Berichterstattung einer progressiven und liberalen Zeitung wie dem Guardian | |
eine größere Rolle denn je. | |
## Den Journalismus neu ausrichten | |
Im Vereinigten Königreich sind wir das erste Medienunternehmen, das einen | |
solchen Ansatz verfolgt. Durch unsere einzigartigen Eigentumsverhältnisse – | |
wir haben keinen Milliardär als Eigentümer, unser einziger Teilhaber ist | |
der Scott Trust Limited – fließt das Geld unserer LeserInnen ohne Umwege in | |
unseren Journalismus. | |
Doch bei diesem Ansatz geht es nicht nur um ein neues Geschäftsmodell für | |
den Guardian. Hier bietet sich eine neue Möglichkeit, unseren Journalismus | |
auf das auszurichten, was sowohl für uns als auch für unsere Leser*innen am | |
wichtigsten ist: eingehende, detaillierte Berichterstattung, die sich | |
positiv auf die Welt auswirkt. Über die letzten 18 Monate haben wir hart | |
daran gearbeitet, unser Mitgliedschaftsmodell, das 2014 eingeführt wurde, | |
umzugestalten, sodass es die enge Verbindung zu unseren Leser*innen | |
widerspiegelt und fest im Journalismus, dem Ethos und der Weltanschauung | |
des Guardian verwurzelt bleibt. | |
Wir haben unseren Leser*innen zugehört, neue Formate und Möglichkeiten | |
entwickelt und optimiert, um sie, neben unserem bestehenden Print- und | |
Digital-Angebot, um ihre Unterstützung zu bitten. Teams aus | |
Mitarbeiter*innen aller Abteilungen und Ressorts des Guardian – | |
Journalist*innen, Softwareentwickler*innen, User-Experience-Designer*innen, | |
Vermarkter*innen und Grafiker*innen – haben zusammengearbeitet, um | |
verschiedenste Wege zur Unterstützung unserer Arbeit zu schaffen. Und wir | |
haben versucht zu verstehen, wie wir unseren Journalismus für die Menschen, | |
die sich darauf verlassen, nützlicher und sinnvoller gestalten können. | |
Insgesamt erhalten wir mittlerweile etwa genauso viel Geld von unseren | |
Leser*innen wie durch Werbung. Sowohl der Brexit als auch die US-Wahlen | |
haben uns geholfen, die Zahl der Interessent*innen in kurzer Zeit sehr zu | |
vergrößern – im Januar 2016 hatten wir noch 15.000 Abonnent*innen für | |
Newsletter, freiwilliges Bazhlmodell und Co., jetzt sind es schon über | |
230.000. | |
## Freie Wahl bei der Unterstützung | |
Uns ist klar, dass die Unterstützung des Guardian auf verschiedene Arten | |
möglich sein muss. Während manche eine Mitgliedschaft bevorzugen – und für | |
unser Angebot regelmäßig Geld bezahlen – möchten uns andere lieber nur dann | |
unterstützen, wenn sie sich dazu bewogen fühlen, oder gerade dazu in der | |
Lage sind. Also haben wir die Möglichkeit erprobt, dass uns Leser*innen | |
einmalige Beiträge bezahlen, und haben bis heute fast 200.000 solcher | |
Beiträge erhalten. | |
Darüber hinaus haben wir neue Wege erkundet, Geschichten zu erzählen, die | |
tiefergehende Beziehungen zu unserer treuesten Leser*innenschaft aufbauen. | |
Dazu haben wir eng mit unseren Leser*innen an vier gemeinschaftlichen | |
Projekten der Berichterstattung zusammengearbeitet, die sich mit der | |
Politik im Vereinigten Königreich und den USA befassen sowie mit den | |
spezifischen Themen Rente und der zunehmenden Zahl von Messerstechereien. | |
Für unsere Reportage-Serie [2][„The view from Middletown“] verbrachte einer | |
unserer talentiertesten Autoren, Gary Younge, im Vorfeld der US-Wahlen | |
einen Monat in Muncie, Indiana – weit weg von den großen Stationen der | |
Wahlkampftouren, den Kundgebungen und den Umfragen – nicht um | |
herauszufinden, für wen die Menschen stimmten, sondern warum. Er hörte den | |
Menschen zu, auch denen, die Trump wählen wollten, und nahm sich Zeit, eine | |
Reihe von Themen eingehend zu erörtern, wobei er sich von den Anregungen | |
unserer Leser*innen leiten ließ. Die Resonanz war überwältigend. Doch diese | |
innovativen, gemeinschaftlichen Projekte sind nur ein Art, dafür zu sorgen, | |
dass die Berichterstattung des Guardian unverwechselbar bleibt – durch ein | |
langfristiges Engagement für unterrepräsentierte Themen und Stimmen, das | |
unsere Leser*innen gemeinsam mit uns bestimmen und formen. | |
## Die Stimmen der Mitglieder | |
Mithilfe unseres wöchentlichen Newsletters können wir unseren Mitgliedern | |
veranschaulichen, was wir tun und weshalb wir es tun. Das beinhaltet zum | |
Beispiel die Geschichte der Woche, einen Podcast mit Stimmen unserer | |
Mitglieder, eine Einladung an diese, uns ihre Meinungen mitzuteilen und uns | |
Feedback zu geben zu Entscheidungen, die wir in der Redaktion getroffen | |
haben, oder einen Artikel, der Einblicke in die Arbeitsweise unserer | |
Journalist*innen gibt. | |
Unsere Leser*innen um Unterstützung zu bitten – sei es durch eine | |
Mitgliedschaft oder durch einmalige Beiträge – ist ein relativ neues | |
Konzept für uns in das wir langsam hineinwachsen und immer noch viele neue | |
Erfahrungen machen. | |
Es ist jedoch ermutigend zu sehen, das bereits jetzt Hunderttausende | |
unserer Leser*innen, im Vereinigten Königreich, den USA, in Australien, | |
Europa und dem Rest der Welt, ihre Unterstützung für den Guardian bekunden, | |
und dass sie gewillt sind, uns dabei zu helfen, dass der Journalismus des | |
Guardian auch in diesem neuen Zeitalter gedeihen kann. | |
7 Jun 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://https://www.theguardian.com/international | |
[2] http://https://www.theguardian.com/membership/series/the-view-from-middleto… | |
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