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# taz.de -- Finanzierung von Journalismus: Freisein im Netz
> Immer mehr Verlagshäuser zäunen ihre Inhalte im Internet ein. Es gibt
> bessere Wege.
Bild: Weissagung der taz.
von [1][ALINE LÜLLMANN]
Was bewegt Sie? Neulich sollte ich einen Vortrag darüber halten, was mich
bewegt. Aber es passiert so viel, dass es nicht zu greifen ist. Aleppo,
rassistisch motivierte und sexualisierte Gewalt, erstarkender
Rechtspopulismus, Anschläge des IS, Gewalt gegen LGBTIQ, die Türkei und
nicht zuletzt Trump.
Wenn wir emotional zugänglich sind, bewegen uns vor allem Schicksale von
Menschen. Und obwohl auch ich die Statistik gesehen habe, in der die
Behauptung widerlegt wird, dass es so viele Anschläge wie noch nie gibt,
fühlt es sich für mich erstmalig so an, als ob Meldungen im Minutentakt gar
nicht mehr aufhören.
## Artikel verbreiten, nicht einzäunen
Ereignisse müssen erfasst, recherchiert, beschrieben und verbreitet werden.
Es passiert viel, es wird immer schneller berichtet, und trotzdem dürfen
wir nicht alles glauben, was wir sehen. Fakten und Quellen müssen doppelt
geprüft werden. Bei der Masse der Inhaltsschaffenden ist die
Glaubwürdigkeit der Absender für die Bewertung der Nachricht wichtiger als
der Inhalt.
Artikel von glaubwürdigen Absendern müssen verbreitet, nicht eingezäunt
werden. Doch viele Verlagshäuser gehen derzeit genau den entgegensetzten
Weg. Die Begrenzung von Inhalten seriöser Nachrichtenseiten kann nicht gut
für eine diverse und ausgewogenen Berichterstattung sein. Nachrichten, in
denen nicht „die Fremden“ schuld sind, in denen es keine
Banalisierungsversuche für Vergewaltigungen gibt, in denen auch Themen und
Meinungen abseits vom Mainstream Beachtung finden, müssen für alle
zugänglich sein. Sofern wir es mit der Verantwortung der vierten Gewalt
ernst meinen.
Wir können uns nicht darüber mokieren, dass Menschen in ihren Filterblasen
leben, in denen ein Algorithmus die Beiträge auswählt, und gleichzeitig
darüber hinwegsehen, dass das Profitinteresse der Verleger darüber
entscheidet, welche Texte gelesen werden können und welche nicht,
Stichwort: Paid-Content-Modelle. Auch Artikel mit hohem Rechercheaufwand
müssen frei zugänglich sein und dürfen nicht als Köder dienen, um
Leser*innen Abos für vorgebliche Premium-Inhalte aufzuschwatzen. Anders
formuliert: Was sind das für Medien, die sozioökonomisch benachteiligte
Menschen von wichtigen Informationen ausschließen?
## Brüder und Schwestern im Geiste
Mit unserer Auffassung, dass alle Inhalte prinzipiell frei zugänglich sein
müssen, sind wir zum Glück nicht alleine. Wir haben Brüder und Schwestern
im Geiste, die ebenfalls lieber für die freiwillige Unterstützung
argumentieren, als Leser*innen zum Zahlen zu zwingen.
Das bekannteste Beispiel ist vermutlich der britische [2][Guardian], der
seit 2014 ein Mitgliedschaftsmodell hat, das die enge Verbindung zu den
Leser*innen widerspiegelt. Von 2016 bis heute ist die Zahl der Mitglieder
von 15.000 auf 230.000 rasant gestiegen, das liegt zum einen an den
turbulenten Zeiten, zum anderen daran, dass sich der Guardian große Mühe
gibt zu erfahren, was die Leser*innen wirklich lesen möchten.
Viel Zeit in den Dialog mit den Mitgliedern steckt auch der 2013 als
Crowdfunding-Projekt gestartete [3][De Correspondent] aus den Niederlanden.
Ungefähr die Hälfte der Belegschaft kümmert sich während des Normalbetriebs
um den Austausch mit den 56.000 Mitgliedern. Einen ähnlichen Weg, wenn auch
nicht den gleichen, geht das Projekt [4][Republik] in der Schweiz. Sie
setzen auf eine Mischfinanzierung von Investor*innen, Spender*innen und
Zahlungen von Mitgliedern, in letzterem Fall mit Vertrauensvorschuss durch
ein Crowdfunding. Über 12.000 Personen glauben an Republik und haben bis
Ende Mai 2017 Vorausabos abgeschlossen – ähnlich wie 1979 bei der taz.
## Vertrauen in die Leser*innen
Obwohl es Unterschiede in den verschiedenen Mitgliedschaftsmodellen gibt,
haben diese Ansätze gemein, dass den Macher*innen der Journalismus selbst
am Herzen liegt. Sie alle haben Vertrauen, dass die Leser*innen die
Relevanz unabhängiger Presse begreifen, dass sie Haltung und politisches
Bewusstsein beweisen und sich für eine starke vierte Gewalt im Internet
einsetzen. Wir haben das Glück, dass wir auf vielen Wegen unterstützt
werden. Wir haben Vertrauen und überlassen unseren Leser*innen die
Entscheidung, wie sie unseren Journalismus unterstützen möchten – ob mit
einem Abonnement, einer Spende, einem Genossenschaftsanteil oder einem
Förderbeitrag zu [5][taz.zahl ich].
1 Jun 2017
## LINKS
[1] /!s=Aline+L%25C3%25BCllmann/
[2] http://https://www.theguardian.com/international
[3] http://https://decorrespondent.nl/home
[4] http://https://www.republik.ch/
[5] /tazzahl-ich/!p4697/
## AUTOREN
Aline Lüllmann
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