# taz.de -- US-Militärbasis in der Pfalz: Kein Synonym für Krieg | |
> Ramstein-Miesenbach: Hier sorgt eine US-Airbase für erhitzte Gemüter. Die | |
> taz fragte, welche Wünsche die BewohnerInnen haben? | |
Bild: Spaltet sie wirklich die Gemeinde? Die US-Militärbasis Ramstein erhitzt … | |
von [1][PAUL TOETZKE] | |
Eine graue Linie zieht sich durch die braungrüne Landschaft. Wie eine Insel | |
liegt die US-Airbase Ramstein inmitten der Pfalz, ein dunkler Waldumriss | |
trennt sie von der Außenwelt. Vom Bismarckturm in Landstuhl kann man ihr | |
ganzes Ausmaß erahnen. Gerade bereitet sich ein Tankflugzeug auf die | |
Landung vor. Die Motorengeräusche schallen durch den Pflälzer Wald. | |
Doch es nicht nur die Lärmbelästigung, die die Menschen in der Region | |
Kaiserslautern beschäftigt. Kampfflugzeuge starten und landen hier, | |
Drohnensignale werden weitergeleitet, Munition gelagert. Von hier aus | |
werden Kriege geplant und durchgeführt. Immer noch leben über 50.000 | |
Amerikanerinnen in der Region, Tendenz: steigend. | |
Gerade wird ein neues Militärhospiz gebaut, ein weiterer Anbau ist in | |
Planung. Die Airbase scheint auch weiterhin fester Bestandteil der | |
amerikanischen Außen- und Verteidigungspolitik zu bleiben. Wie gestaltet | |
sich das Zusammenleben? Welche Wünsche haben die Bewohner? Und wie stellen | |
sie sich ihre Zukunft vor? | |
## Neubauten statt Abriss | |
Um darüber zu diskutieren, war taz.meinland in [2][Ramstein-Miesenbach], | |
einer Gemeinde am Rande der Militärbasis zu Gast. Fünfzig bis sechzig | |
Menschen folgten der Einladung der taz in das „Haus des Bürgers“. Das | |
Publikum ist divers, es mischen sich Jung und Alt ebenso wie Einheimische | |
und Menschen aus anderen Gemeinden. | |
Die Moderatoren, die taz-Redakteure [3][David Joram] und [4][Tobias | |
Schulze], befragen Bürgermeister Ralf Hechler zunächst nach den aktuellen | |
Entwicklungen. Denn seit ein paar Tagen weiß man: die Airbase soll bis zum | |
Jahr 2021 erweitert werden. | |
Der Bau von zwei neuen Nebengebäuden ist bereits geplant, fünfzehn weitere | |
Tankflugzeuge sollen hier bald stationiert werden. „Für uns als Gemeinde | |
bedeutet das konkret, dass 750 neue Dienstposten geschaffen werden. Das | |
heißt zusammen mit Familienangehörigen, werden hier etwa 2.000 neue | |
Menschen leben“, sagt Hechler. | |
Detlev Besier ist Pfarrer für Frieden und Umwelt. Er sieht die Erweiterung | |
der Airbase skeptisch: „Wann fangen wir endlich an über Konversion | |
nachzudenken?“ Er hätte sich erste Schritte in diese Richtung gewünscht. Im | |
Publikum gibt es zustimmendes Nicken. Die Mehrheit hier sind | |
Friedensaktivisten und Gegner der Airbase – das wird schon zu Beginn der | |
Diskussion deutlich. | |
## Was passiert mit der Umwelt? | |
Ein weiteres wichtiges Thema bei der Vergrößerung der Militärbasis sind die | |
Auswirkungen auf die Umwelt. Karl-Heinz Klein vom BUND kritisiert die | |
mangelnde Einbeziehung der Umweltverbände. Sie hätten Fragebögen zu der zu | |
rodenden Fläche eingereicht, doch diese seien nicht ernsthaft beantwortet | |
worden. Eine Untersuchung zum Fledermaus-Vorkommen steht noch aus. „Wir | |
werden noch einmal genau hinschauen“, sagt er. Doch ist die Erweiterung | |
dann überhaupt noch zu stoppen? | |
Genau das sei das Problem, erklärt Freia Jung-Klein. Sie sitzt für die | |
Grünen im Kreistag und engagiert sich schon seit Langem gegen die Airbase. | |
„Das ist ein top-down Modell. Es gibt kaum Mitspracherecht. Wir werden | |
meistens erst informiert, wenn die Entscheidung schon getroffen ist.“ | |
Das sei schon beim Bau des neuen Militärhospitals so gewesen, das sich | |
teilweise in einem Wasserschutzgebiet befindet. Doch natürlich geht es auch | |
um eine ethische Frage. „Wir haben hier einige Flüchtlinge. Wenn ich denen | |
erkläre, dass hier Kampfflugzeuge beladen werden, dann wird mir übel“, sagt | |
sie. | |
Einer, der das Zusammenleben mit den Amerikanern erforscht und dokumentiert | |
ist Michael Geib. Er leitet das Dokumentationszentrum zur Geschichte der | |
US-Amerikaner in Rheinland-Pfalz. „Die Amerikaner sind seit 60 Jahren hier. | |
Das war noch nie unumstritten.“ Doch gespalten sei die Region deswegen | |
nicht. Viele würden das auch als etwas Besonderes sehen. Ein kultureller | |
Austausch, den es sonst so nicht auf der Welt gibt. „Man hat sich daran | |
gewöhnt“, sagt er. | |
## Die Gefahr von oben | |
Meike Schubert kann auch von diesem Austausch berichten. Sie abeitet für | |
das Military Counseling Network, das amerikanische Armeemitarbeiter beim | |
Ausstieg aus dem Militär berät. Seit Beginn des Irakkriegs 2003 hat sie | |
hunderten Menschen geholfen. | |
Es ist die einzige Organisation, die so eine Beratung außerhalb der USA | |
anbietet. Der Andrang sei entsprechend groß. „Trotzdem muss man sagen, dass | |
es den Mitarbeitern der Airforce generell besser geht als anderen“. Hier in | |
der Region habe sie deswegen auch hauptsächlich mit Familien zu tun. | |
[5][Wolfgang Jung ist Friedensaktivist] und sammelt seit vielen Jahren | |
Informationen zur Airbase Ramstein. Er weist darauf hin, dass die hier | |
stationierten Flugzeuge sehr alt und riskant seien. Hinzukommt, dass sie | |
mit dem gefährlichen und gesundheitsschädlichen Treibstoff JP8 betankt | |
werden. | |
„Stellen Sie sich einmal vor, so ein Flugzeug stürzt ab und landet in einem | |
der Munitionslager auf der Airbase“, spricht er das Publikums an. Um ihn | |
herum herrscht zunächst betretenes Schweigen, dann Applaus. | |
## Ein emotionales Thema | |
Warum sollte man hier also wohnen bleiben, fragt Tobias Schulze. Für Ralf | |
Hechler, den Bürgermeister der Region, ist es wichtig, dass man | |
differenziert. Zum ersten Mal an diesem Abend wird deutlich, wie emotional | |
die Debatte ist. Ihn stört es vor allem, dass die Region immer wieder durch | |
den Dreck gezogen wird. | |
„Manche Menschen wissen gar nicht, dass Ramstein auch ein Ort ist“, ruft er | |
in die Runde. Viele Zuschauer nicken. Er erinnert an die hohen | |
Investitionen in die Trinkwasserbereinigung, die erfolgreiche Integration | |
von Flüchtlingen. „Warum schreiben sie in der [6][LUFTPOST] nicht | |
darüber?“, fragt er Wolfgang Jung. | |
Kurz scheint es, also könne die Diskussion aus dem Ruder laufen. Doch nach | |
kurzer Zeit kehrt wieder Ruhe ein. Ralf Hechler fügt noch hinzu, dass die | |
Genehmigungen schließlich von der Bundesregierung kommen. Das Schimpfen auf | |
die Amerikaner helfe niemandem weiter. | |
Im Publikum sitzt auch Konni Schmidt, Mitglied der Gruppe „Entrüstet euch“ | |
ehemals „Stopp Ramstein“. Er ist in Miesenbach geboren, inzwischen lebt er | |
in Kaiserslautern. „Dass jährlich 40.000 Flugzeuge über mein Haus fliegen | |
könnte ich noch ertragen“, sagt er, „aber nicht, dass wir zehn Minuten nach | |
dem Beginn eines Kriegs alle tot wären. Dann hilft mir das ganze Geld für | |
die Verteidigung überhaupt nichts.“ Auch er erntet Beifall aus dem | |
Publikum. Man müsse endlich darüber reden, wie eine wirtschaftliche | |
Umorientierung für die Region aussehen könnte. Konkrete Ideen für eine | |
Konversion gebe es immer noch nicht. | |
## Das Grundgesetz gelte für alle | |
„Ich möchte eine Brücke schlagen“, sagt Jochen Marwede, auch Mitglied der | |
Grünen. Man müsse klarmachen, dass die Amerikaner und Angehörige anderer | |
Nationen hier als Menschen, Nachbarn und Gäste willkommen seien. Auch halte | |
er die NATO in ihrer Funktion als Verteidigungsbündnis für eine sinnvolle | |
Einrichtung. „Aber alle völkerrechtswidrigen Aktionen – insbesondere die | |
Drohnenangriffe – müssen abgestellt werden“, sagt er. Das Grundgesetz gelte | |
hier für alle. Außerdem solle man die wirtschaftliche Abhängigkeit vom | |
Militär abbauen. Stattdessen solle man mehr von den amerikanischen | |
Kontakten profitieren, um die Konversion von militärischen Liegenschaften | |
voranzutreiben. | |
Gibt es eine wirtschaftliche Abhängigkeit? Eine Frage, bei der es | |
gegensätzliche Meinungen gibt. Meike Schubert glaubt nicht daran. „Das wird | |
uns vorgemacht“, sagt sie. Inzwischen gebe es einen Einstellungsstopp im | |
amerikanischen Militär und die Militärangehörigen würden viel schlechter | |
verdienen als früher – insbesondere die der restlichen NATO-Mitglieder. Das | |
Geld komme inzwischen größtenteils vom deutschen Steuerzahler. „Die Amis | |
sind pleite.“ | |
Ralf Hechler sieht das anders. „Ich bin nicht hier, um die Amerikaner | |
heilig zu sprechen“, sagt er. Aber es gebe immer noch über 5.000 | |
Einheimische, die bei der Airbase angestellt sind. Außerdem würden | |
Amerikaner genauso öffentliche Verkehrsmittel nutzen wie Deutsche. Man habe | |
sich das hier nicht ausgesucht, aber man habe sich arrangiert mit der | |
Situation. „Leider!“, hallt es aus dem Saal. | |
Doch es gibt auch Mitgefühl für den Bürgermeister. „Ich weiß, dass Sie in | |
der Zwickmühle sind“, sagt Frau Jung aus dem Publikum. Die Kritik sei nicht | |
gegen ihn persönlich gerichtet. Trotzdem: So könne es nicht weitergehen. | |
## Die Jungend scheint offener | |
Viele Zuschauer starren ins Leere. Es herrscht Ratlosigkeit. Das große | |
Problem: Die Entscheidungen werden nicht vor Ort getroffen. Sie kommen aus | |
Washington, Berlin oder Brüssel. Der Einfluss darauf ist minimal. „Wir | |
müssen das als Ehrenamtliche ausbaden“, sagt Freia Klein-Jung in Richtung | |
Ralf Hechler. Gespalten seien nicht die Menschen in der Region, sondern | |
„wir und die große Politik." | |
Und was sagen die Jungen? „Ich glaube, wir bleiben alle hier“, sagt ein | |
junger Mann, „ich lebe gern mit den Amerikanern zusammen.“ Ein junge Frau | |
meldet sich zu Wort. Sie sei auch antimilitaristisch eingestellt und hätte | |
trotzdem viele Kontakte zu Amerikanern. | |
„Wir können das nur gemeinsam schaffen“, sagt eine andere Zuschauerin. Sie | |
reicht einen Holzstab mit dem Gewicht eines russischen Gewehrs aus dem 2. | |
Weltkrieg durch die Reihen. Man müsse sich an die Geschichte erinnern. An | |
dem Stab klebt ein Zettel mit der Aufschrift „Widerstand ist Pflicht.“ | |
Fast alle im Raum wünschen sich, dass der Gesprächsfaden weiter bestehen | |
bleibt. Denn verändern wollen sie alle etwas. Initiativen gibt es genug. | |
Wichtig ist, dass sie gehört werden. Auch von den Entscheidungsträgern in | |
Washington und Berlin. | |
Korrektur: Das Zitat von Jochen Marwede wurde verkürzt wiedergegeben. Wir | |
haben daher die entsprechenden Stellen korrigiert. | |
17 Mar 2017 | |
## LINKS | |
[1] /Paul-Toetzke/!a30618/ | |
[2] http://www.ramstein-miesenbach.de/vg_ramstein_miesenbach/de/Home/ | |
[3] /David-Joram/!a23945/ | |
[4] http://https://www.taz.de/Tobias-Schulze/!a2557/ | |
[5] /Ramstein-Gegner-ueber-US-Militaergelaende/!5388452/ | |
[6] http://www.luftpost-kl.de/ | |
## AUTOREN | |
Paul Toetzke | |
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