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# taz.de -- Ein Dorf am Scheideweg: „Die Gefahr ist real. Sie ist da.”
> Leere Räume, keine Infrastruktur: taz.meinland diskutiert in Dersau über
> die Zukunft des Dorfes.
Bild: Ein geschlossenes Restaurant in Dersau. Was ist noch zu retten?
von [1][LAILA OUDRAY]
„Dersau lebt!”, ruft ein Mann in den Raum, bevor er das Hotel Leibers
verlässt. Es ist das letzte Hotel und Restaurant im Dorf. Hier findet die
taz.meinland-Veranstaltung statt: „Wenn ein Dorf stirbt”. Gemeinsam mit
Bürgermeister Holger Beiroth, Gerd Reis (Projektgruppe Zukunft), Susanne
Elbert (Beisitzerin Grüne, Kreisvorstand Plön) und Gerd Ebsen (VR Bank
Ostholstein Nord), diskutierte die taz über die Zukunft des Ortes. Das
schien notwendig.
Wenige hundert Meter neben dem Veranstaltungsort steht ein leerstehendes
Gebäude: der Gasthof Appels. Dieses Restaurant wurde erst vor einem halben
Jahr dicht gemacht. Ab April schließt auch die letzte Bank im Ort, der
kleine Lebensmittelladen kämpft ums Überleben. Bäckereien, Fleischerei und
die Schule im Ort in Schleswig-Holstein gibt es schon seit ein paar Jahren
nicht mehr.
## Busse fahren selten
Um die grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen, müssen die Menschen in den
Nachbarort Ascheberg fahren, wo sie Ärzte oder Lebensmittelläden finden.
Doch Busse fahren vor allem am Wochenende selten. Die Menschen sind auf das
Auto angewiesen, was vor allem für die Senioren des Ortes ein Problem
darstellt.
Trotz dieser Probleme sind sich sowohl die geladenen Gäste, als auch die 40
Zuhörer einig: Der Titel "Wenn ein Dorf stirbt" trifft nicht auf Dersau zu.
Der Bürgermeister fasst zusammen: "Dersau stirbt nicht, sondern evaluiert
sich!" Tatsächlich scheint Dersau dem gängigen Klischee eines sterbenden
Dorfes nicht zu entsprechen.
## Alles gut in Dersau?
Noch nie haben so viele Menschen in Dersau gelebt wie jetzt, vor allem
junge Familien ziehen neu hinzu, vor einigen Jahren eröffnete ein
Kindergarten neu und in 2015 um eine weitere U-3-Gruppe erwartet. Die
Anwesenden zählen die verschiedenen kulturellen Veranstaltungen auf, die in
Dersau stattfinden: Lesetag, Picknick, Vernissage. Silke Korbmacher vom
Vorstand des Sportvereins verweist auf die vielen Sportangebote im Ort:
Zumba, Tischtennis und vieles mehr. Also doch alles halb so wild in Dersau?
Ein Mitarbeiter der Aktivregion warnt vor zu viel Optimismus: „Die Gefahr
ist real. Sie ist da.” Die Leerstände ließen sich nicht ignorieren. Schon
zum 1. April schließt die Bankfiliale. Gerd Ebsen hat die Entscheidung zur
Filialschließung eng begleitet. Vor allem wirtschaftliche Gründe hätten
diesen Schritt nötig gemacht, erklärt Ebsen.
## Keine leeren Räume
Damit gibt es ab nächsten Monat einen weiteren leeren Raum in Dersau, doch
die Runde scheint entschlossen, ihn nicht leer zu lassen. Eine Diskussion
über die Nutzungsmöglichkeiten entbrennt. Ein Café? Ein Treffpunkt? Ein
Lebensmittelladen?
An dieser Diskussion beteiligen sich auch Menschen umliegender Orte. Sie
teilen das gleiche Problem: auch in ihren Dörfern bricht die Infrastruktur
weg. Sie nutzen diesen Abend zur Vernetzung und erzählen von ihren
Erfahrungen. Ein Mann aus Kirckbarkau erläutert, wie in seinem Ort ein
Markttreff durch eine Bürgerinitiative entstand.
Vor einem Jahr sei der letzte Lebensmittelladen geschlossen worden, sodass
die Bürger einen Markttreff eröffnet hätten. Dort verkaufen Ehrenamtliche
die Lebensmittel. Ein Mann aus Grebin erzählt, wie Freiwillige in seinem
Ort ein Festival organisieren. Er bietet an, dieses auch in Dersau
stattfinden zu lassen
## Das Ehrenamt rettet den Ort – doch wie lange noch?
An diesem Abend wird deutlich: Die Engagierten sind zur Veranstaltung
gekommen. Dass das Ehrenamt überlebenswichtig für Dersau ist, weiß auch
Holger Beiroth: „Wenn die Ehrenamtlichen aufhören würden, wäre Dersau
wirklich tot”. Die Freiwilligen lindern die gröbste Not, wie beispielsweise
die Projektgruppe Zukunft, der Herr Reis vorsteht. Wegen des
Mobilitätsproblems haben sie sich eine besondere Lösung einfallen lassen:
Es gibt eine rote Bank im Ort, auf die sich jene setzen können, die nach
Ascheberg gefahren werden wollen. Autofahrer, die die Menschen auf der Bank
sehen, können sie einfach mitnehmen.
Der Haken: Die Ehrenamtlichen leiden unter einem Nachwuchsproblem. Gerd
Reis erzählt, dass gerade mal neun aktive Mitglieder in seiner Gruppe sind.
Die jungen Familien, die in den Ort ziehen, haben wenig Zeit, sich zu
engagieren. Eine Frau erzählt, dass sie sich erst engagieren konnte, als
ihre Kinder älter waren. Auch an diesem Abend ist sie später dazugestoßen,
da sie noch in Kiel gearbeitet hat. Fehlt den Familien also Zeit - oder
doch mehr?
## Es fehlt eine Begegnungsstätte
Eine Teilnehmerin meint: „Weil es keine Begegnungsstätte gibt, fehlt auch
der Kontakt zu den jungen Familien”. Ein junger Vater erzählt, dass er vor
dem Umzug nach Dersau gar nicht wusste, was es vor Ort gibt: „Die
Mindestanforderung für uns war der Kindergarten und damals noch die
Schule.”
Susanne Elbert (Grüne) macht darauf aufmerksam, dass sich Dersau besser
präsentieren müsse, um attraktiver zu werden. Auch sie wusste vorher wenig
über die Strukturen in Dersau und hatte sich auf dem Weg zur Veranstaltung
gar verfahren. Vielleicht müsse die Gemeinde offensiver mit ihren Angeboten
werben, um Menschen anzuziehen. Die von Holger Beiroth angeführte Homepage
reicht vielleicht nicht aus ...
## An die eigene Nase fassen
Zwei Stunden diskutieren die Menschen leidenschaftlich. Moderator David
Joram muss nur wenige Impulse geben. Das Mikrofon wird fleißig
herumgereicht, es werden Ideen geteilt und auch hinterfragt, wer an der
gegenwärtigen Situation Schuld hat. Holger Beiroth meint: „Wir müssen uns
alle an die eigene Nase fassen. Wenn wir nicht vor Ort einkaufen, müssen
wir uns nicht wundern, wenn das Angebot wegbricht.”
Es solle mehr vor Ort produziert werden, man müsse Arbeitsplätze durch
regionale Landwirtschaft schaffen. Vor allem müsse man sich entscheiden, in
welche Richtung sich Dersau entwickeln soll. Ein Schlafdorf? Oder besser
eines mit funktionierenden Strukturen? Erste Vorschläge gibt es bereits:
Zwei Frauen wollen einen Kochabend für Kinder initiieren. Dersau stirbt?
Weit gefehlt!
9 Mar 2017
## LINKS
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## AUTOREN
Laila Oudray
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