# taz.de -- Interview mit David Mulindwa: Neue Kraft schöpfen | |
> Der ugandische Journalist wurde mehrfach verhaftet, verfolgt und | |
> gefoltert. Dank dem Refiugium bekam er eine Auszeit. | |
Bild: Kuratoriumsmitglied Andreas Lorenz und Stipendiat David Mulindwa Mukasa | |
Andreas Lorenz: David, wie oft hat Sie die Polizei in letzter Zeit | |
festgenommen? | |
David Mulindwa Mukasa: Vier Mal seit 2013. Die Polizei hat mich aber immer | |
nur wenige Stunden festgehalten. Hinter solch einem Arrest steckt nicht die | |
Absicht, Dich vor Gericht zu bringen. | |
Sondern? | |
Sie wollen verhandeln, entweder mit der Journalistenorganisation oder mit | |
Deiner Familie. Der Deal lautet: Lass die Recherchen zu dieser oder jener | |
Geschichte fallen und wir lassen Dich laufen. Dann sagen Deine besorgten | |
Familienangehörigen: Vergiss diese blöde Geschichte, dann kommst Du frei. | |
Können Sie ein Beispiel nennen? | |
Das letzte Mal landete ich hinter Gittern, weil ich fotografiert hatte, wie | |
Polizisten einen Kollegen verprügelten. Unter der Bedingung, dass ich das | |
Foto lösche, ließen sie mich wieder laufen. | |
Sie haben es also gelöscht? | |
Ja, meine Kollegen, die meine Freilassung verhandelten, sagten mir: „Lösch | |
es ruhig, wir haben eine Software, damit können wir das Foto auf der | |
Festplatte retten. “ | |
Sie haben die Polizei danach verklagt? | |
Ja, wir waren auf einer Polizeiwache, wo dieser Radiokollege saß, den sie | |
vom Mikrofon weg festgenommen hatten, weil ihnen nicht gefiel, was er | |
sendete. Nach dem Foto warfen sie mich in einen winzigen Raum, der voller | |
Pfefferspray war. Danach verklagte ich sie, sie reagierten mit einer | |
Gegenklage: Ich hätte einen Beamten bei der Ausübung seines Dienstes | |
behindert. | |
Was kam heraus? | |
Nichts, das Gericht stellte das Verfahren ein, weil die Polizisten nichts | |
gegen mich in der Hand hatten. Meine Klage läuft noch. | |
Eine Geschichte, die Sie ebenfalls in Schwierigkeiten brachte, waren die | |
Leichen am Viktoriasee ... | |
Richtig, das war nach Weihnachten 2015. Die Polizei fand dreizehn Tote am | |
Ufer und behauptete, alle hätten betrunken gebadet und seien ertrunken. | |
Was machte Sie misstrauisch? | |
Es stellte sich heraus, dass nicht 13, sondern 30 Menschen gefunden wurden. | |
Ich kenne die Gegend. Es gehen nicht so viele Leute zur gleichen Zeit | |
betrunken ins Wasser. Und es gab niemanden, der Alarm geschlagen hätte. | |
Wenn jemand ertrinkt, dann wird sein Körper wegen der Strömung in der Regel | |
erst nach Tagen irgendwo anders gefunden. Außerdem: Die meisten der Toten | |
waren Muslime. Welcher Muslim feiert christliches Weihnachten am | |
Viktoriasee und betrinkt sich so, dass er ertrinkt? | |
Was steckte nach Ihrer Meinung dahinter? | |
Wir wissen es nicht, Kollegen und ich arbeiten daran. Aber: Der | |
Präsidenten-Wahlkampf ... | |
Es ging um die Wiederwahl von Präsident Yoweri Museveni, der seit 1986 an | |
der Macht ist ... | |
... wurde damals heißer. Wir vermuten, dass diese Leute Gegner der | |
Regierung waren und umgebracht wurden. Einige hatten zusammengebundene | |
Hände, als sie aus dem Wasser gezogen wurden. | |
Was passierte bei den Recherchen? | |
Ich wurde beobachtet und verfolgt. Ich habe das nicht sehr ernst genommen. | |
Bis zu der Nacht, als Leute in mein Haus in Kampala einbrachen und meine | |
Ausrüstung stahlen: zwei Mobiltelefone, Laptop, zwei Kameras, zwei | |
Festplatten. Seltsamerweise waren andere Dinge, ein Fernseher, eine | |
komplett neue Musikanlage, noch da. | |
Sind Sie zur Polizei gegangen? | |
Ja, aber ich habe bislang nichts von Ihnen gehört – seit Januar 2016. Der | |
Diebstahl der Ausrüstung war ein harter Schlag für mich. | |
Wie würden Sie die Lage der Medien in Uganda beschreiben? | |
Das, was ich `unseriösen Journalismus` nenne, ist leider sehr verbreitet. | |
Diese Kollegen haben keinerlei Probleme mit der Obrigkeit. Für jene, die | |
seriösen Journalismus betreiben, wird die Lage von Tag zu Tag schlechter. | |
Kritischer Journalismus stirbt, weil Journalisten und Medienunternehmen | |
unter Druck gesetzt oder bestochen werden. Wir einzelne Journalisten müssen | |
stark bleiben, selbst wenn Redaktionen wegen des Drucks von oben | |
Geschichten in den Mülleimer werfen. Was uns zudem besorgt: Die Regierung | |
will dem Minister r für Kommunikation und Informationstechnologie mehr | |
Macht einräumen – schlecht für uns Journalisten. | |
Ist das ein Problem, das den ganzen Kontinent betrifft? Die Demokratie | |
scheint in Afrika auf dem Rückzug. | |
Ehrlich gesagt: Der Westen ist mitschuldig an dieser Situation. Er hat uns | |
beigebracht, was Demokratie ist, und wir haben es angenommen. Aber was | |
passiert nun? Die Europäer finden zum Beispiel heraus, dass Wahlen nicht | |
frei und fair sind, und dennoch rollen sie ein paar Wochen später eben | |
jenen Potentaten den roten Teppich aus. | |
Was sollte der Westen tun? | |
Aufrichtig sein. Diese Leute nehmen das Geld, das nicht Ihnen gehört, um in | |
anderen Ländern zu investieren, Geschäfte zu machen, Immobilien zu kaufen. | |
Und Ihr nehmt auch noch dieses Geld an! | |
Sie sind das erste Mal in Europa. Was hat Sie überrascht, was enttäuscht? | |
Ich hatte immer den Eindruck, dass die Leute hier, besonders die Deutschen, | |
etwas gegen Schwarze haben, ich dachte, sie würden sich im Zug wegsetzen, | |
wenn ich komme. Ich musste mein Vorurteil revidieren. Die Menschen sind | |
sehr freundlich – ein positiver Schock. | |
Und der negative Schock? | |
Es gibt eigentlich keinen. Was mich auch überraschte, und da sollten sich | |
unsere Politiker ein Beispiel nehmen: Der Sinn für das Gemeinwohl. | |
Wo haben Sie den gespürt? | |
Ein kleines Beispiel: Sie haben mich anfangs davor gewarnt, meine | |
Monatskarte wegen der Kontrollen zu vergessen. Aber ich habe in diesen drei | |
Monaten keinen einzigen Kontrolleur getroffen. Und dennoch: Die Menschen | |
kaufen immer Fahrkarten, selbst wenn sie riskieren, den Zug zu verpassen. | |
Wie sind Sie mit Kälte und Dunkelheit zu recht gekommen? | |
Ich war auf das Schlimmste vorbereitet, aber es war gar nicht so kalt. Um | |
16.00 Uhr dachte ich allerdings, dass der Tag vorbei wäre, weil es schon | |
dunkel war. | |
Nach fast drei Monaten in Berlin: Was könnte in unserem Auszeitprogramm | |
nach Ihrer Ansicht besser laufen? | |
Wenn jemand aus einer Umgebung kommt, in der er oder sie traumatisiert | |
wurde und er oder sie erhält die Gelegenheit zur Ruhe, wäre es gut, wenn | |
der Gast die Möglichkeit bekommt, sich zu beschäftigen – vielleicht zwei, | |
drei Stunden am Tag. Ich denke an Workshops oder Sprachunterricht. Sonst | |
kann diese plötzliche Ruhe sehr schwierig werden. | |
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mgh-auto-tablet"> Das taz Refugium ist ein gemeinsames Projekt der taz | |
Panter Stiftung und den Reporter ohne Grenzen. Das Interview führte | |
Kuratoriumsmitglied der taz Panter Stiftung Andreas Lorenz. | |
11 Jan 2017 | |
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