# taz.de -- Neuen Journalismus wagen: Exkursion in deutsche Wirklichkeiten | |
> Auf Tour für die offene Gesellschaft – unsere Kampagne ist Journalismus | |
> neuer Form. | |
Bild: Mutig neue Ausblicke wagen | |
Hinterher, nachdem Donald Trump die US-Präsidentschaftswahlen gewonnen | |
hatte, wollten alle auch schon vorher schlau gewesen sein. In Wahrheit | |
hatten nur sehr wenige gegen alle demoskopischen Befunde den Sieg des | |
republikanischen Kandidaten über die haushohe Favoritin Hillary Clinton für | |
sehr gut möglich gehalten. | |
Das waren freilich weniger solche Medienarbeiter, die über besondere | |
Fähigkeiten zur Steuerung von Algorithmen verfügen, sondern Reporter*innen, | |
die durch die USA reisten und einfach nur beobachteten. Und dies notierten. | |
Sie mochten sich nicht auf die alte (Halb-)Wahrheit verlassen, dass Zahlen | |
nicht lügen. | |
In der Tat lag in den USA diese Wechselstimmung („Jemand ganz anderes“) in | |
der Luft, und sie wollte von liberalen Kreisen kaum nachgefühlt werden, | |
weil man das Resultat fürchtete: Ein Mann, der sich sprachlich weder an | |
Takt noch an Ton zu halten vermochte, der rassistisch und sexistisch sich | |
gern artikulierte – und durch diese drastischen Klänge mehr Sympathien als | |
Widerwillen erntete. | |
## Wie kann die taz für sich Reklame machen? | |
In besonderer Deutlichkeit artikulierte dies in der taz unsere | |
USA-versierte politische Korrespondentin, Bettina Gaus, die viele Monate | |
vor den Novemberwahlen zum Urteil fand, Donald Trump werde es machen. Man | |
verdächtigte sie der Unkenruferei – doch sie behielt, bitter und | |
deprimierend, recht. | |
Die taz überlegt sich Jahr für Jahr, seit ihrer Gründung Ende der siebziger | |
Jahre, mit welchen Slogans sie für sich wirbt. Klar: In erster Linie macht | |
diese Zeitung durch ihren Journalismus für sich selbst Reklame. | |
Tschernobyl, die Kampagne für den fatwaverfolgten Salman Rushdie und der | |
Fall der Mauer 1989 bis 1990 in frühen Jahren; die Reaktorimplosion in | |
Fukushima, der europäische Aufstieg der antidemokratischen Populisten oder | |
die Flucht der Millionen in jüngster Zeit nach Europa: Die taz hat alle | |
erschütternden Ereignisse journalistisch begleitet, analysiert und Kontexte | |
hergestellt. | |
Dennoch bewirbt die taz sich selbst. [1][In Kinospots], in anderen Medien – | |
und durch unsere Expertinnen und Experten aus der Redaktion in TV- und | |
Hörfunksendungen, in denen diese mit Kompetenz auffallen und damit eben | |
auch diese Zeitung öffentlich profilieren. Doch mehr noch: Seit 2009 feiern | |
wir einmal im Jahr den taz-Kongress – [2][das taz.lab]. | |
## Die Community erweitern | |
Im Haus der Kulturen der Welt an der Spree kamen [3][zum taz.lab 2016] | |
knapp 3.000 Menschen zu einem Tag mit 80 Panels, Workshops, Podien und viel | |
Geselligkeiten zusammen. | |
Das Volxfest trug die Überschrift „Fremde oder Freunde“: ein journalistisch | |
grundiertes Ereignis, welches jedoch aus dem taz-Marketingbudget bezahlt | |
wird. Das heißt zugleich, dass dieses Event mehr sein will und ja auch ist | |
als irgendeine Festivität. Das taz.lab ist, kühl formuliert – als Werbung | |
in eigener Sache – ein Tool, die taz-Community Jahr für Jahr zu erweitern. | |
Die Familie der alternativen Publizistik will ja nicht nur im eigenen Saft | |
schmoren. Eigenwerbung im Verständnis der taz heißt also immer: mit Witz | |
und Ernsthaftigkeit zugleich auf die Anliegen der eigenen Publizistik zu | |
verweisen. Die Welt verstehen, im Kleinen wie im Großen. Und: Menschen, die | |
sonst kein Forum finden, zu Wort kommen zu lassen. | |
## Raus aus der Haupstadtblase | |
Im kommenden Jahr wird die Kooperation zwischen Redaktion und | |
Werbeabteilung, wie wir sie bisher schon beim taz.lab freundschaftlich | |
praktizieren, noch gründlicher werden. | |
Und genau genommen läuft diese neue Zusammenarbeit schon seit September, | |
mit den ersten Veranstaltungen unsere Kampagne „[4][taz.meinland – taz on | |
Tour für die offene Gesellschaft]“, wofür wir bereits in [5][Saßnitz] auf | |
Rügen, [6][Güstrow] und [7][Rühn] in Mecklenburg, sowie [8][Schleife] in | |
der Oberlausitz zu Gast waren. | |
Ziel der Kampagne: taz-Leser*innen laden uns in ihre Orte ein, um dort mit | |
und von Bürger*innen zu erfahren, was dort, jenseits der in der Hauptstadt | |
ansässigen taz, die Probleme sind. Wo die Schuhe drücken. Wo es hakt, wo | |
mehr als nur üblicher Missmut zum politischen Ärger heranwächst. | |
Die Idee: Ins Land hinauszugehen und an Ort und Stelle Menschen zu | |
befragen, kennenzulernen, sie zu Wort kommen zu lassen, die in einer | |
Atmosphäre mächtiger Nervosität an einem gesellschaftlichen Miteinander | |
festhalten. Wir nennen diese bis zu den Bundestagswahlen 2017 dauernde | |
Aktion „taz.meinland“: ein für taz-Verhältnisse beinah umstürzlerisches | |
Motto, weil diese Zeitung doch in sehr frühen Zeiten sehr auf Ablehnung des | |
„Systems“ hielt. | |
## Keine Schlaumeier*innen | |
Inzwischen hat sich auch bei unserem Publikum das Verhältnis zur | |
Bundesrepublik weitgehend gewandelt: Man weiß offenbar, was dieses Land zu | |
einem, bei aller punktuellen Kritik, demokratischen macht, rechtsstaatlich | |
und freiheitlich orientiert. Oder wie der US-amerikanische Philosoph | |
Michael Walzer sagte: Linke müssen sich für ihr Land engagieren, wenn sie | |
Demokraten sind, sie müssen sich zuständig fühlen für das Gemeinwohl (auch | |
das ihrer politischen Kontrahenten), sonst machen es die Rechten und | |
Mächtigen. | |
Die Veranstaltungen, die wir 2017 Jahr planen und zu denen uns unsere | |
Leser*innen einladen, werden journalistisch in der gedruckten taz und auf | |
taz.de gespiegelt. Wir berichten davon, wie es vor Ort war und ist: | |
zuhörend, protokollierend, moderierend – ergebnisoffen. Wir werden keine | |
Schlaumeier*innen aus der Hauptstadtblase sein – das ist die Pointe unserer | |
Kampagne. Wir verstehen das als Exkursion in deutsche Wirklichkeiten. | |
Wir treffen Menschen, die wir noch nicht kennen und die allermeist uns | |
nicht kennen. Das müssen wir tun, mit Vergnügen, denn: Wir wollen Fühlung | |
aufnehmen mit einem Land, das viele Hauptstadtjournalist*innen allenfalls | |
theoretisch kennen. Keine andere überregionale Zeitung wird ein | |
vergleichbares Projekt wagen. Unsere Veranstaltungen sind, unsere taz on | |
Tour ist Journalismus in neuer Form. | |
[9][JAN FEDDERSEN] ist taz-Redakteur für besondere Aufgaben und leitet das | |
Projekt taz.meinland | |
[10][BARBARA JUNGE] ist stellvertretende taz-Chefredakteurin | |
2 Jan 2017 | |
## LINKS | |
[1] http://vimeo.com/170937432 | |
[2] /!p4905/ | |
[3] /lab2016/!p4982/ | |
[4] /meinland/!p5029/ | |
[5] /Wem-gehoert-die-Insel-Ruegen/!162823/ | |
[6] /Debatte-ueber-voelkische-Siedler/!162830/ | |
[7] /tazmeinland-in-Ruehn/!5361696/ | |
[8] /Braunkohlefoerderung-in-der-Lausitz/!5358104/ | |
[9] /!s=&Autor=Jan+Feddersen/ | |
[10] /Barbara-Junge/!a34179/ | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
Barbara Junge | |
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