# taz.de -- Bericht der Generalversammlung 2016: Kontroverse als Stärke | |
> Bundeswehranzeigen in der taz, taz-Ultras und die Geschichte von 25 | |
> Jahren Genossenschaft. | |
Bild: JedeR GenossIn hat eine Stimme | |
Ist es richtig, dass die taz Anzeigen der Bundeswehr abdruckt? Diese Frage | |
wurde von den 354 Genossen kontrovers diskutiert, die am Samstag zur | |
alljährlichen Generalversammlung in der Berliner Zentrale der | |
Heinrich-Böll-Stiftung zusammengekommen waren. Hartmut Louis aus Wuppertal | |
hatte beantragt, das Thema auf die Tagesordnung zu setzen: Es sei doch | |
gerade das Ziel der Genossenschaft, „auf solche Geldgeber verzichten zu | |
können“. | |
Für den Unmut hatte taz-Geschäftsführer Andreas Bull vollstes Verständnis: | |
„Ich finde diese Anzeigen auch eine Zumutung, aber ich habe gelernt, dass | |
ich diese Zumutungen aushalten muss.“ Denn die taz erzielt durch | |
Werbeeinnahmen etwa zwei Millionen Euro im Jahr. Allerdings kann sie sich | |
die Anzeigen nicht individuell aussuchen und „die Rosinen herauspicken“. | |
Viele Genossen sind ehemalige Kriegsdienstverweigerer. Dazu gehört auch | |
Joerg Goy aus Handewitt, der aber gleichzeitig feststellte: „Ich bin auch | |
Kaufmann.“ | |
Daher plädierte Goy dafür, die Anzeigen zu drucken: „Ich kann mir nicht | |
vorstellen, dass die Bundeswehr unter den taz-Lesern Rekruten gewinnt. Ich | |
würde dies als eine Subvention der Bundesregierung sehen.“ | |
Diese abgeklärte Haltung, die Bundeswehranzeigen als „fette Beute“ zu | |
betrachten, erhielt am Ende eine deutliche Mehrheit. Ein „Stimmungsbild“ | |
ergab, dass 194 Genossen dagegen waren, auf die Bundeswehranzeigen zu | |
verzichten. 53 wünschten sich ein Ende der Werbung, 12 enthielten sich. | |
Eine kreative Alternative schlug Hartmut Spiegel aus Paderborn vor: | |
Genossen könnten doch selbst Werbeflächen in der taz kaufen und ihre Namen | |
unter den Satz setzen: „Diese Genossen haben dafür gesorgt, dass hier keine | |
Anzeige der Bundeswehr steht.“ Sollte es zu einer derartigen Initiative | |
kommen, würde die taz dieses Inserat sofort drucken, versicherte Andreas | |
Bull: „Das wäre eine großartige Anzeige.“ | |
Debattiert wurde auch, was aus dem alten taz-Haus an der | |
Rudi-Dutschke-Straße werden soll. Geschäftsführer Kalle Ruch erklärte, dass | |
man eine „Vermietungslösung“ anstrebe, um regelmäßige und risikofreie | |
Einnahmen zu erzielen. | |
Die ehemalige taz-Aufsichtsrätin Adrienne Goehler schlug hingegen vor, ein | |
„taz-Hotel“ zu gründen, das auch Flüchtlingen und bedrängten Journalisten | |
Unterkunft bietet. taz-Redakteur Jan Feddersen wiederum plädierte für ein | |
queeres Bildungs- und Archivzentrum, das „Elberskirchen-Hirschfeld-Haus“ | |
heißen könnte. Den Gesamtetat will man beim Land Berlin beantragen; er soll | |
eine „Opulenz von ungefähr 40 Millionen Euro“ aufweisen. | |
Kalle Ruch blieb dabei, dass das alte taz-Gebäude vermietet werden soll: | |
„Wir wollen nicht Betreiber des Hauses werden. Die Projekte müssen in der | |
Lage sein, frisches Geld zu besorgen.“ Es gäbe auch schon Interessenten. | |
Nach dieser Aussprache folgte der formale Teil: Die dreijährige Amtszeit | |
der beiden Aufsichtsräte Johannes Rauschenberger und Hermann-Josef Tenhagen | |
war abgelaufen. Beide stellten sich zur Wiederwahl – und erhielten 99 | |
Prozent der abgegebenen Stimmen. | |
Rauschenberger, 66, ist inzwischen seit 21 Jahren taz-Aufsichtsrat. Der | |
Stuttgarter ist selbstständiger Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und | |
„würde gern diese Expertise weiterhin für die taz einbringen“. Es ist nic… | |
sein einziges Ehrenamt: Rauschenberger engagiert sich auch gegen das | |
Bahnprojekt Stuttgart 21, sitzt im Vorstand der Stiftung Stuttgarter | |
Friedenspreis und ist Finanzvorstand der Wochenzeitung Kontext. | |
Tenhagen, 53, ist seit 2004 im taz-Aufsichtsrat. 15 Jahre lang war er | |
Chefredakteur von Finanztest; jetzt leitet er das gemeinnützige | |
Verbraucherportal Finanztip. Die taz will er weiterhin aus der Verlustzone | |
heraushalten: „Ich bin ein Freund der schwarzen Null.“ | |
Derzeit geht es der taz gut. Geschäftsführer Ruch konnte „stabile Umsätze | |
und ausgeglichene Ergebnisse“ melden. Auch die Abonnenten sind zufrieden, | |
wie die neueste Umfrage von Bernd Blöbaum ergab. Der Medienwissenschaftler | |
aus Münster hatte in diesem Sommer die AbonnentInnen der Wochenend-taz | |
sowie die UnterstützerInnen von taz.zahl ich angeschrieben. | |
Eines seiner Ergebnisse: Die Wochenend-LeserInnen wünschen sich vor allem | |
Hintergrundinformationen. An Popkultur ist nur etwa die Hälfte | |
interessiert. „Das Team der taz.am Wochenende macht es also genau richtig“, | |
so Blöbaum. Kritik äußerten die Befragten kaum. Nur ein Problem tauchte | |
immer wieder auf: In einigen Gegenden erhalten manche ihre Wochenend-taz | |
erst am Montag. „Das ist Käse“, rügte Blöbaum. | |
Seine Befragung ergab zudem, dass 48 Prozent der taz-Abonnenten überzeugte | |
Hedonisten sind und 63 Prozent ebenso überzeugte Nonkonformisten. Bei | |
Wahlen entscheiden sich 49,1 Prozent für die Grünen, 36,5 Prozent stimmen | |
für die Linken – und nur 6,7 Prozent für die SPD. | |
Die taz Genossenschaft wird in diesem Herbst 25 Jahre alt. Vielleicht hätte | |
es sie nie gegeben, wenn nicht der damalige taz-Rechtsanwalt und heutige | |
grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele 1991 so energisch für dieses | |
Modell geworben hätte. | |
Auf der Generalversammlung erinnerte er an jene ferne Vergangenheit, als es | |
fast jährlich Rettungskampagnen gab. „Vor allem die Sommer waren das | |
Problem.“ Wenn die Leser in den Urlaub entschwanden, dann stellte sich | |
„spätestens im August die Frage, ob die Einnahmen noch reichen“. | |
Teile der Redaktion wollte damals eine GmbH gründen, um zahlungskräftige | |
Unterstützer anzulocken. Doch Ströbele warnte: „Ein Kapitalgeber wird es | |
nicht auf Dauer hinnehmen, dass es keine Profite gibt.“ Am Ende stimmten | |
132 taz-MitarbeiterInnen für die Gründung der Genossenschaft, 58 dagegen, 6 | |
enthielten sich. „Das führte zu heftigsten Reaktionen“, so Ströbele. | |
„Manche reden bis heute nicht mit mir.“ | |
Niemals hätte Ströbele erwartet, dass die taz Genossenschaft demnächst | |
17.000 Mitglieder zählen würde. „Wir können uns also jeder gegenseitig | |
danken.“ Da erhob sich der Saal. Die Versammlung endete mit Standing | |
Ovations für Ströbele, der sich selbst einen „einfachen Genossen“ nennt. | |
[1][ULRIKE HERRMANN], Wirtschaftsredakteurin der taz | |
18 Sep 2016 | |
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## AUTOREN | |
Ulrike Herrmann | |
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