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# taz.de -- Unruhe in Deutschland: Die offene Gesellschaft retten
> Was tun gegen gesellschaftliche Nervosität? taz diskutiert mit Anetta
> Kahane, Zefar Senocak und Harald Welzer.
Bild: Zafer Senocak, Barbara Junge, Anetta Kahane und Harald Welzer (v.l.n.r.)
BERLIN taz | „Wir müssen über eine neue Gesellschaft sprechen“, fasst
Anetta Kahane, Chefin der Amadeu Antonio Stiftung, früh den Sinn dieser
Diskussion zusammen. Sie meint: Durch die Wahlerfolge der Rechtspopulisten
der AfD ist es mit der politischen 'Gemütlichkeit' nach rechts vorbei - die
Konturen einer Bewegung gegen die, wie es aus der AfD heißt,
"links-rot-grün-versifften" Gesellschaft werden deutlich.
Mit der Kampagne [1][„meinland – taz on Tour für eine offene Gesellschaft�…
wollen wir als taz fragen und zuhören. Ein offenbar prima gewähltes Thema,
im sehr gut gefüllten Cafè war für diese Debatte kaum noch ein Platz frei.
Wer zu spät kam, musste die lebendige Diskussion im Stehen verfolgen.
Applaudierend, nickend, kopfschüttelnd, aber auch laut lachend, begleiteten
87 Interessierte die Diskussion.
Wenn die Fernsehsender der Republik am kommenden Sonntag um 18.10 Uhr die
ersten Hochrechnungen publik machen, wird die AfD abermals die
5Prozent-Hürde überwunden haben. Kein Vergleich zur
Mecklenburg-Vorpommern-Wahl vor knapp zwei Wochen, aber ein weiterer
Fingerzeig der Partei um Petry, von Storch, Gauland und Höcke. Jede*r
siebte wählende Berliner*in würde demnach für die Rechtspopulisten an die
Urne treten.
## Die Rechten waren immer da
Für Harald Welzer vom Projekt Futurzwei, selbst Initiator einer Bewegung
für die offene Gesellschaft, keine Überraschung. „Es gab früher einfach nur
keine Partei, die sie hätten wählen können.“ Eine These, der Anetta Kahane
von der Amadeu Antonio Stiftung zustimmt. Die Rechten im Land, die immer da
waren, werden nun sichtbarer, zeigten ihr Potential.
„Die Welt ist nicht rosa,“ stellt auch Schriftsteller Zafer Senocak fest.
Die AfD als - für einige - gesellschaftsfähige Partei des rechten Randes
sei im Gegensatz zur NPD wählbar. „Eine offene Gesellschaft muss das
ertragen,“ sagt Welzer. Es gilt, dass „die 20 Prozent nicht 80 Prozent vor
sich hertreiben“, pflichtete Senocak ihm bei.
Die eigentliche Gefahr sei „das Kippen derjenigen, von denen man es
eigentlich nicht glauben sollte“, sagt Welzer. Freunde, Verwandte, Bekannte
– Menschen in der Mitte der Gesellschaft, die vom braunen Sog mitgezogen
werden.
Doch wie damit umgehen, wenn immer mehr Menschen sich einer offenen
Gesellschaft verweigern? Vielleicht ist es in bestimmten Teilen
Deutschlands schon zu spät. „Die größte Bankrotterklärung der Politik ist…
hält Kahane fest, „dass Rechte ein Klima erzeugen konnten, das Migranten
davon abgehalten hat, in diese Regionen zu ziehen.“ Parallelwelten, in die
die Politik nicht eingreift und diese immer stärker werden lässt.
Fremdenfeindlichkeit gedeiht hier, die offene Gesellschaft wird zu einer
geschlossenen.
Wenn die Anwesenden nun eine Diskussion in Eintracht erwartet hatten,
wurden sie eines Besseren belehrt. Der Ton wurde rauer, die Debatte
hitziger. Die Feststellung Kahanes „Es ist momentan eine starke
Polarisierung zu spüren“, ließ sich auch auf das Podium übersetzen.
Welzer hat jedenfalls keine Lust „mit Arschlöchern über Arschlöcher zu
sprechen.“ Parteien wie die AfD schließt er grundsätzlich aus,
Fremdenfeindlichkeit ebenso. Nur durch die mediale und politische
Auseinandersetzung mit diesen Randerscheinungen würden diese groß gemacht.
Ihr Erfolg wird herbeigeredet. Mit diesen besorgten Leuten zu sprechen, sei
deshalb nicht nur sinnlos sondern kontraproduktiv. In diesem Fall handle
Merkel richtig.
Für Senocak inakzeptabel: „Wir müssen über alles, immer reden.“ Das
Gespräch mit solchen Gruppen müsse gesucht werden, mit Rechtspopulisten,
überhaupt aber mit allen, die mit einer pluralen, bunten Gesellschaft
aggressiv hadern. Sonst würden die Probleme nur tiefgründiger und
irgendwann explodieren. „Ihr könnt keine Denkverbote ausstellen“ wirft er
Welzer lautstark vor. Die bestehenden Probleme und Ängste ließen sich nicht
einfach ignorieren. Echokammern wirken hier nur verstärkend. Rechtes
Gedankengut manifestiert sich.
Nach einem minutenlangen Schlagabtausch kehrte wieder Ruhe ein. Man kämpft
für die gleiche Sache, vielleicht mit unterschiedlichen Ansätzen. „Wir
brauchen Freundinnen und Freunde, um gemeinsam etwas zu bewegen“, sagt
Welzer. Barbara Junge, stellvertretende taz-Chefredakteurin und Moderatorin
der Podiumsdiskussion ist am Ende der Veranstaltung jedenfalls zufrieden:
„Ich hatte es schon vorher gesagt: Wenn wir streiten, ist alles gut.“
[2][SÖREN HABERLANDT], Mitarbeiter der taz
13 Sep 2016
## LINKS
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## AUTOREN
Sören Haberlandt
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