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# taz.de -- Debatte über völkische Siedler: Freiräume für rechte Ideologien
> Sie geben sich friedlich und erdverbunden, doch die völkischen Siedler
> sind stramme Nazis. taz.meinland diskutierte in Güstrow über Gegenmittel.
Bild: Intensive Diskussionen im kleinen Saal des Haus der Kirche „Sibrand Sie…
GÜSTROW taz | „Mein Freund ist Ausländer”. So lautete eine
Anti-Rassismus-Kampagne des Deutschen Fußballbundes (DFB) in den 1990ern
Jahren. Rechte Gewalttäter hatten in diesem Jahrzehnt – Stichwort:
Rostock-Lichtenhagen '92 – Hochkonjunktur, das N-Wort galt (in den
Fußballstadien sowieso) als gar so schlimm nun auch wieder nicht. Und ein
Türke war prinzipiell erstmal ein Assi-Türke.
Für Mecklenburg-Vorpommern könnte das DFB-Motto im Jahr 2016 aber eher
schlecht funktionieren. Es gibt quasi keine Ausländer in diesem schönen
Flächenland. Vielmehr müsste es hier heißen: [1][Mein Nachbar ist Nazi].
Ein guter Grund für die taz, ihr Tourteam nach [2][Güstrow], 43 Kilometer
südlich von Rostock, zu schicken.
Rund um dieses Städtchen siedeln sich Nazis an, vorwiegend aus NRW, Bayern
und Niedersachsen zieht es sie in den Osten. Klar, ein paar einheimische
Exemplare gibt es auch. Doch es sind nicht diesselben, glattrasierten
Hohlschädel, die 1992 in Lichtenhagen ihre Fackeln auspackten. Die heutige,
rund um Güstrow gedeihende Sorte scheint fast schon harmlos, gar
freundlich.
## Rechte Nachbarn
In den kleinen, teilweise vom Aussterben bedrohten Dörfern, sorgen sie für
neuen Schwung; sie restaurieren alte Bauernhäuser, machen auf Öko und
stecken ihre Kinder in Lederhosen und lange Röcke statt in
Hello-Kitty-Kitsch. Völkische Siedler werden sie genannt. Die demokratische
Zivilgesellschaft wird deshalb vor die Frage gestellt, wie sie mit ihren
rechten Nachbarn umgehen soll.
Eine Frage, die viele interessiert. Um die 50 Menschen fanden sich im
[3][Haus der Kirche] „Sibrand Siegert“ ein, der Saal war damit voll. Ein
friedliches, taz-affines Publikum, für die vorab benachrichtigte Polizei
gab es erfreulicherweise nichts zu tun. Es diskutierten: Reinhard Knaack.
Der Linke ist Bürgermeister von Lalendorf. Bekannt geworden ist er über
seinen Ort hinaus, weil er 2010 einer Siedlermutter die Ehrenurkunde für
ihr siebtes Kind [4][nicht überreichen wollte].
## Ein fürchterlicher Ton
Er sagt: „Der Raum Güstrow ist ein beliebtes Zuzugsgebiet für Leute mit
rechtsextremistischem Hintergrund. In ländliche Kommunen fassen sie Fuß, da
ist der Freiraum größer als in der Stadt.“ Knaack setzt aber nicht auf
Konfrontation, im Gegenteil: „Wir müssen mit diesen Menschen reden, ihnen
in der Diskussion die Argumente entziehen.“
Karen Larisch, Geschäftsführerin [5][Villa Kunterbündnis] und
Lokalpolitikerin für die Linke in Güstrow, hält das für schwierig. „Hier
herrscht ein Ton, der ist ganz fürchterlich. Man muss die Probleme
benennen: Da werden rechte Gesinnungen aufgebaut und Verbindungen zur
Kameradschaftsszene und rechten Parteien geknüpft.“ Sie warnt daher, die
Siedler aus den Augen zu verlieren, auch wenn diese sich noch so
unauffällig verhielten.
Ralf Boldt, Direktor der [6][Freien Schule Güstrow], berichtet vor allem
viel über den Umgang mit Siedlerkindern. Wie man überhaupt bemerke, dass
ein Kind aus diesen Kreisen stamme, wollte taz-Redakteur Jan Feddersen von
ihm wissen. „Manchmal gar nicht“, sagte Boldt. Sie seien ordentlich,
unterschieden sich im Großen und Ganzen aber nicht von den anderen
SchülerInnen, höchstens die Kleidung sei abweichend. Ihm gehe es darum, den
Kindern demokratische Werte beizubringen. Ausschließen könne man sie nicht,
solange die Eltern keine demagogischen Anstrengungen an der Schule
unternähmen.
## Rechte Freiräume wieder schließen
Timo Reinfrank von der [7][Amadeu Antonio Stiftung] – sie tritt für eine
demokratische Zivilgesellschaft ein – meint: „Die Kinder sind nicht das
Problem. Vielmehr ist an den Rechten gefährlich, dass sie sich immer weiter
ausdifferenzieren. Die Siedler vermitteln ein agrar-romantisches Bild. Aber
sie sind rechte Pioniere, die patriarchalisch gestrickt sind und zum Teil
auch hochgradig aggressiv.“
Aus den Zuschauerreihen gab es ebenfalls zahlreiche Meldungen. Eine
Möglichkeit könne sein, den Freiraum wieder zu schließen, selbst, als
demokratische Gesellschaft, das Tempo zu machen. So wie dies etwa in
Qualitz der Fall sei, wo der Verein „[8][Allerhand e. V.]“ wirkt, ein
Werkstatthaus für freies gemeinsames Lernen.
Heidemarie Beyer von diesem Verein berichtet von guten Erfahrungen und
engagierten Mitstreitern. Hier hat man den Rechten nicht den Platz
überlassen, Kulturarbeit, gerade mit Jugendlichen, selbst übernommen. Rund
um Güstrow hoffen sie, die dörfliche Gesellschaft ebenfalls wieder stärken
zu können – ohne rechte Nachbarn. Denn Mecklenburg-Vorpommern – und darauf
wiesen einige BesucherInnen hin – werde viel zu sehr als rechter Fleck
wahrgenommen. Dabei sind die Akteure einer freien Gesellschaft bei Weitem
in der Überzahl!
[9][DAVID JORAM], Volontär der taz
NACHTRAG, 05.09.2016: Karen Larisch im neuen Landtag von
Mecklenburg-Vorpommern
Am 1. September diskutierte Karen Larisch in Güstrow bei taz.meinland über
völkische Siedlerfamilien in Mecklenburg-Vorpommern. Jetzt steht fest, dass
die Lokalpolitikerin der Linkspartei im nächsten Schweriner Landtag sitzen
wird. Larisch vereint 11,7 Prozent der Erststimmen auf sich, der Einzug in
den Landtag gelang ihr [10][über die Liste], auf der sie an neunter Stelle
stand. (dir)
5 Sep 2016
## LINKS
[1] /Voelkische-Siedler-in-MV/!5331777/
[2] http://https://www.google.de/maps/place/G%C3%BCstrow/@53.7934783,12.1738302…
[3] http://www.haus-der-kirche-guestrow.de/
[4] /Buergermeister-zeigt-Courage/!5131341/
[5] http://https://www.facebook.com/Villa-Kunterb%C3%BCndnis-347782935282169/
[6] http://https://freieschuleguestrow.wordpress.com/
[7] http://https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/
[8] http://www.allerhandverein.com/
[9] /David-Joram/!a23945/
[10] http://https://www.originalsozial.de/wahl_2016/landtagswahl/kandidaten/kar…
## AUTOREN
David Joram
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