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# taz.de -- Wem gehört die Insel Rügen?: Ärger im Paradies
> Auf Rügen läuft ein erbitterter Disput um die touristische Aufwertung der
> Insel, den Umgang mit dem Nazi-Erbe und die Interessen der Bevölkerung.
Bild: Am großen Küchentisch im Sassnitzer Grundtvighaus
SASSNITZ taz | Mecklenburg-Vorpommern steht am 4. September 2016 vor einer
richtungsweisenden Wahl. Von rechts machen AfD und NPD Druck, auch auf der
Ostseeinsel Rügen. Die Sandstrände sind dort besonders fein, saftige Wiesen
und dichte Wälder vervollständigen das Bild vom Paradies.
Aber es gibt eben [1][auch große Sorgen], politische, vielmehr aber
strukturelle. Die taz wollte genau wissen, was die Rüganer umtreibt – und
machte im Rahmen von „taz.meinland – taz on tour für die offene
Gesellschaft“ deshalb zuerst in Sassnitz Station. Vorab: Es hätte wohl
keinen besseren Standort zum Tourstart geben können!
Viel Harmonie war dort, im Kulturzentrum Sassnitz’, dem charmanten und
einladenden, hoch über der Ostsee gelegenen Grundtvighaus, gegeben, um über
ein Thema zu diskutieren, das auf der Insel für einige Kontroversen sorgt:
Prora, das ehemalige KdF-Bad der Nazis. Seit wenigen Jahren bauen
Investoren dort im großen Stil um.
Diverse Projekte stoßen auf wenig Gegenliebe bei den Rüganern, die
fürchten, dass ihre Insel nachhaltig, aber ohne Nachhaltigkeit verändert
werde, während strukturellen Verbesserungen, etwa nachhaltigen
Industriezweigen, bezahlbarem Wohnraum oder dem ÖPNV, indes wenig Bedeutung
beigemessen wird.
Die taz-Redakteure Julia Boek und Jan Feddersen baten deshalb zum runden
Tisch ins Grundtvighaus. Sie wollten wissen, wohin sich Rügen entwickelt,
wie es in 15 Jahren hier aussieht und – natürlich – was denn nun Stand der
Dinge in Sachen Prora ist. Block V, der letzte über den der Landkreis noch
entscheiden kann, soll schließlich ebenfalls an Investoren verkauft werden.
Wie sich gleich zu Beginn der Veranstaltung herausstellte, bewegen diese
Fragen viele auf der Insel, mehr als 85 Zuhörer*innen, wollten den
Austausch verfolgen und auch mitdiskutieren. Den runden Tisch besetzten
gleich 15 Diskutierende, darunter engagierter Bürger*innen aber auch
[2][Investoren in den KdF-Bauten], [3][Bauplaner] eines umstrittenen 104
Meter hohen Wohnturms, Journalisten der [4][Ostseezeitung] und
[5][Naturschützer vom WWF].
Welch Glück die Rüganer mit ihrer Insel hätten, zeigte anfangs der
Schriftsteller, Theologe und CDU-Politiker Frieder Jelen auf: „Die Insel
hat eine Seele, die sich von der See nährt, sie hat Charakter und Werte,
durch die Natur und die Menschen, die hier arbeiten. Aber die Schönheit
kann verloren gehen“, warnte Jelen angesichts immer vollerer Straßen.
[6][Kerstin Kassner], Linke-Vorsitzende des Kreisverbands und
Bundestagsabgeordnete, argumentierte ähnlich: „Durch den Bauboom lastet ein
enormer Druck auf Rügen. Dem müssen wir uns entegegenstellen, damit die
Insel Heimat bleibt und für Gäste nicht an Attraktivität verliert.“
Der Binzer Bürgermeister Karsten Schneider ([7][Wählergemeinschaft Pro
Binz]) erwiderte: „Ich glaube, dass sich die Insel in den nächsten 15
Jahren verändern wird. Es würde Stillstand herrschen, wenn sie das nicht
täte.“ Kontrovers diskutierten Karsten Schneider und
Hiddensee-Bürgermeister Thomas Gens ([8][Achtsame Demokraten/
Hiddenseepartei]) indes über das fehlende Infrastrukturkonzept angesichts
der geplanten 10.000 neuen Betten in Prora.
[9][Bäckermeister Nils Peters], ein großer Arbeitgeber auf der Insel, gab
zu bedenken, dass die Gemeinden mehr bezahlbare Wohnungen, Arbeitsplätze
und kulturelle Angebote für die InselbewohnerInnen schaffen sollten, der
Fokus lokaler Akteure aus Politik und Wirtschaft liege zu stark auf den
Touristen.
Die historische Bedeutung Proras betonte unterdessen Susanna Misgajski,
Leiterin des dortigen [10][Prora-Zentrum]: „Wir machen uns Sorgen, dass wir
nicht unterkommen, wenn Block V an private Investoren verkauft wird.“
Darüber, dass diese ungemein wichtig ist, waren sich alle einig. Ob eine
Lösung gefunden wird, die allen Wünschen gerecht wird, steht nicht fest.
Die Diskutierenden stimmten letztendlich darüber ein, einen Ausverkauf der
Insel verhindern zu wollen, man möchte keine Verhältnisse „wie in den
zugebauten Seebädern der Lübecker Bucht“ schaffen. Vielmehr gelte es Rügens
Natur zu erhalten.
Nach dem runden Tisch sind die Gespräche zwischen politischen,
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Trägern offenbar wieder neu
angelaufen. Ein Erfolg und ein guter Start für die taz on tour.
[11][JULIA BOEK], Redakteurin der taz, und [12][DAVID JORAM], Volontär der
taz
2 Sep 2016
## LINKS
[1] /Ruegen-vor-der-Wahl-in-MV/!5331506/
[2] http://www.irisgerd.de/site/index.php?option=com_properties&view=property&c…
[3] http://www.drebingehmke.de/2016/01/wohnturm-prora/
[4] http://www.ostsee-zeitung.de/
[5] http://www.wwf.de/themen-projekte/projektregionen/ostsee/ostseekueste/
[6] http://www.kerstin-kassner.de/start/presse/aktuelles/
[7] http://pro-binz.de/
[8] http://www.hiddenseepartei.de/
[9] http://www.baeckerei-peters.de/
[10] http://www.prora-zentrum.de/
[11] /Julia-Boek/!a24179/
[12] /David-Joram/!a23945/
## AUTOREN
Julia Boek
David Joram
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