# taz.de -- Jochen Wegner gegen Monster: Kleintierzoo der Erlösmodelle | |
> Ein Leserbrief vom Chefredakteur von ZEIT Online zur Zukunft des | |
> Journalismus. | |
Bild: Ein Tier aus dem Kleintierzoo | |
Liebe taz, | |
herzliche Grüße aus Brüssel. Gerade komme ich von einer Veranstaltung mit | |
EU-Digitalkommissar Günther Oettinger, den Verlage dazu drängen, in Europa | |
ein neues juristisches Monster zu erschaffen. Es soll der große Bruder des | |
kleinen Ungeheuers werden, das in Deutschland gerade aus gutem Grund einen | |
langsamen Tod stirbt: Das „Leistungsschutzrecht“ – ein kompliziertes | |
Konstrukt, um Google Geld abzuluchsen und an Verlage umzuverteilen. | |
Mit Parlamentariern und Vertretern der Digitalindustrie haben wir darüber | |
diskutiert, ob guter Journalismus wirklich mehr staatliche Interventionen | |
braucht, um überleben zu können. Spätestens als Günther Oettinger die | |
Unterstützung der Presse in einem Atemzug mit jener der | |
öffentlich-rechtlichen Sender nannte, begann ich, mir ernsthaft Sorgen um | |
uns zu machen: Wir dürfen nicht ruhen, bis wir unseren Journalismus auf | |
neue Füße gestellt haben, die Zwangssubventionierung durch Google, | |
Facebook, die nächste große Plattform oder gar den Staat unnötig machen. | |
Wie das gehen soll? | |
Liebe taz, Du bist ein gutes Beispiel dafür, wie das geht. Vielleicht | |
wunderst Du Dich selbst ein wenig, dass Du neuerdings zu den Hipstern der | |
Medienindustrie zählst, weil Du in den frühen 1990ern die heute so | |
angesagte Crowdfinanzierung entdeckt hast. „taz.zahl ich”, eine freiwillige | |
Digitalabgabe treuer Leser, für die Du heute wieder einmal wirbst, ist die | |
konsequente Fortsetzung des Genossenschaftsprinzips ins flüchtigere Medium. | |
Ich zahle gerne, obwohl ich meistens nur den ©TOM lese – bitte grüße ihn | |
herzlich von mir! – und ab und zu nachsehe, ob die Kriegsreporterin uns | |
beschimpft hat (keine Grüße!). Ich will zum Club der losen taz-Freunde | |
gehören, ohne Lebenszeit auf Genossenschaftsversammlungen zu vergeuden. | |
Auch den tazpresso finde ich großartig, die Fahrräder, ©TOM-Tassen, den | |
Ökodünger und das Café im Erdgeschoss. | |
Du hattest ohnehin nie nennenswerte Anzeigenerlöse und zeigst vielen | |
Verlagen, bei denen sie jetzt sinken, wie das alles in Zukunft zu | |
finanzieren ist: nicht mit dem nächsten großen Ding, sondern mit | |
eigenständigem Journalismus, einer begeisterten Leserschaft, einem | |
Kleintierzoo von Erlösmodellen und klugen Investments, und seien es | |
Immobilien. Journalismus, der sich nachhaltig selbst finanzieren kann, ist | |
mit Subventionen nicht aufzuwiegen. | |
Herzlich, Dein Jochen Wegner | |
8 Apr 2016 | |
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