# taz.de -- Rebecca Maskos im taz.lab-Gespräch: „Es nervt die Schablone“ | |
> Wir trafen Journalistin Rebecca Maskos zum Interview. Ein Gespräch über | |
> die Rolle von Menschen mit Behinderung in den Medien. | |
Bild: Ein Rollstuhl fesselt nicht. Im Gegenteil, er befreit. | |
taz: Frau Maskos, Sie beschäftigen sich seit Jahren mit Menschen mit | |
Behinderungen und ihrer Darstellung in den Medien. Außerdem leben Sie | |
selbst mit der Glasknochenkrankheit. Was war das Schlimmste, was Sie dabei | |
erlebt haben? | |
Rebecca Maskos: Mir fällt ein TV-Auftritt ein – ich war zu Gast in einer | |
Talkshow zum Thema Glasknochen. Als ich dort angekündigt wurde, musste ich | |
schlucken. Die Moderatorin meinte: „Gleich sprechen wir mit Rebecca Maskos, | |
die schon fast 50 Knochenbrüche erlebt hat“. Da habe ich gemerkt: Es ist | |
die Sensationsmasche, für die ich herhalten muss. Man ist zum einen das | |
exotische Spektakel, zum anderen das bemitleidenswerte Opfer. Die meisten | |
JournalistInnen nehmen an, dass man ganz ungewöhnlich lebt. Aber dass viele | |
ein normales Leben führen, kommt bei einer Menge Leute gar nicht an. Das | |
war zwar keine schlimme Erfahrung, aber eine interessante, aus der ich | |
gelernt habe. | |
Welche Floskeln nerven denn am meisten? | |
Es nervt die Schablone. Entweder ist man das Opfer, das sein Leben tapfer | |
meistert, oder man hat viel Lebensmut und wird damit zum Held. Die | |
Vorstellung ist aber gleich: Behinderung bedeutet Leiden. Wenn man anders | |
ist, ist das direkt eine negative Erfahrung – also leidet man darunter. Wer | |
mit Behinderung ein normales Leben führt, muss besondere Kräfte haben: Das | |
ist das Klischee. Der Klassiker ist die Formulierung „an den Rollstuhl | |
gefesselt“. Doch das stirbt zum Glück aus. Viele denken trotzdem, einen | |
Rollstuhl zu haben bedeute eine Einschränkung, die einen passiv macht. Das | |
ist natürlich Quatsch. Ein Rollstuhl befreit ja. Wenn ich meinen Rollstuhl | |
nicht hätte, müsste ich getragen werden. Das zeigt, was Sprache eigentlich | |
ausmacht. | |
Aber wie konkret soll die Berichterstattung aussehen? | |
Genauso wie bei allen anderen. Wir machen Dinge nicht trotz, sondern mit | |
unserer Behinderung. Wir wollen ernst genommen werden. Oft werden zum | |
Beispiel Menschen mit Lernschwierigkeiten mit Vornamen angesprochen, als ob | |
sie Kinder wären. Ernst genommen werden nur die Angehörigen oder | |
BetreuerInnen. Bei so etwas fehlt die Augenhöhe. Es sind erwachsene | |
Menschen, mit denen man ein normales Gespräch führen kann. Sie möchten | |
nicht auf die Behinderung reduziert werden. Häufig haben behinderte | |
Menschen, wenn sie sich an die Medien wenden, ein Anliegen. Trotzdem geht | |
es dann oft nicht darum, sondern um die Behinderung. Das finde ich | |
ärgerlich. Es macht einen wieder zu etwas anderem – und eben nicht zu einer | |
ganz normalen Person. | |
Um gegenzusteuern, haben Sie das Projekt leidmedien.de mit ins Leben | |
gerufen: eine Website, die JournalistInnen hilft, über behinderte Menschen | |
zu berichten. | |
Wir möchten eine neutralere Sprache. Statt „an den Rollstuhl gefesselt“ | |
beispielsweise „ist im Rollstuhl unterwegs“. Wichtig ist, diesen | |
Sensationalismus herauszunehmen. Man muss nicht von einer „Tragödie“ | |
sprechen, sondern kann es einfach „Leben“ nennen. Die Behinderung sollte | |
nicht im Fokus stehen. Jede JournalistIn sollte sich außerdem fragen, ob er | |
oder sie denn selbst gern mit so einer Sprache beschrieben werden möchte. | |
Hat sich seit der Gründung von leidmedien.de im Jahr 2012 etwas daran | |
geändert? | |
Das ist schwer zu sagen, aber ich würde behaupten: ja. Ich habe den | |
Eindruck, dass die Seite etwas bewirkt hat. Man merkt, dass in vielen | |
Berichterstattungen der Ton neutraler ist als vor ein paar Jahren. Trotzdem | |
gibt es noch welche, bei denen man sich nur an den Kopf fasst. Aber der | |
Trend ist positiv. | |
Lässt sich das auch auf das Fernsehen übertragen? | |
Na ja, es gibt inklusive TV-Formate. Die laufen aber alle zu | |
nichtprominenten Sendezeiten. Im Fernsehen ist die Berichterstattung über | |
Menschen mit Behinderung immer noch eine Randsparte. Dennoch gibt es auch | |
dort einen Umbruch. | |
Sport erregt mediale Aufmerksamkeit. Was erhoffen Sie sich von den | |
Paralympics dieses Jahr? | |
Man hat schon in London gesehen, dass die Paralympics mehr Aufmerksamkeit | |
bekommen haben als in den Jahren zuvor. Viele Menschen sehen durch sie | |
erst, wie viele Sportarten es gibt – und dass die total spannend sind. Der | |
nächste Schritt ist, dass diese Sportarten gesellschaftlich anerkannt | |
werden und Menschen ohne Behinderung dort mitmachen. Im Rollstuhlbasketball | |
ist das schon so. Diese Inklusion auszubauen, das wäre schon cool. | |
Interview: [1][TILLMANN BAUER], Redakteur des taz.lab | |
7 Mar 2016 | |
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## AUTOREN | |
Tillmann Bauer | |
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