# taz.de -- Deutschlands erste Zeitung auf Arabisch: „Wir brauchen mehr Begeg… | |
> Wir sprachen mit dem „Abwab“-Chefredakteur Ramy Al-Asheq über die | |
> Notwedingkeit des Dialogs. | |
Bild: Chefredakteur Ramy Al-Asheq schmökert auch mal in der eigenen Zeitung. | |
taz: Herr Al-Asheq, Sie sind Chefredakteur der ersten Zeitung in | |
Deutschland, die auf Arabisch erscheint und sich an Geflüchtete richtet: | |
Abwab. Wie läuft das Projekt? | |
Ramy Al-Asheq: Sehr gut, es wird sogar immer größer: Die Auflage liegt für | |
die nächste Ausgabe, die am 2. März erscheinen wird, nicht mehr bei 45.000, | |
wie bei der vergangenen, sondern bei 60.000 Exemplaren. Das Bundesamt für | |
Migration und Flüchtlinge verteilt die Zeitung inzwischen schon in über | |
hundert Flüchtlingsunterkünften. Wir haben Anfragen aus anderen Ländern, | |
aus Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden. Bald geht zudem unsere | |
Webseite online – dreisprachig: auf Englisch, auf Deutsch und auf Arabisch. | |
Und auch der Kreis der AutorInnen weitet sich – wir waren mal fünfzehn, | |
jetzt sind wir schon vierzig | |
Woher kennen Sie die AutorInnen? | |
Sie gehören zu einem Netzwerk Geflüchteter, ich kenne alle persönlich. Wir | |
machen ja nicht nur eine Zeitung für Flüchtlinge, sondern auch überwiegend | |
von Flüchtlingen. Die Zeitung ist kostenlos – finanziert wird das durch | |
Anzeigen. Allerdings verdienen wir dabei nichts, sondern arbeiten | |
ehrenamtlich | |
Was wollen Sie mit der Zeitung erreichen? | |
Das Wort „Abwab“ bedeutet auf Arabisch „Türen“. Wir möchten Geflücht… | |
Türen öffnen in die deutsche Gesellschaft, jedes unserer Ressorts | |
funktioniert ja auch wie eine Tür. Dafür ist es wichtig für die | |
Geflüchteten, dass sie etwas lesen können, was sie verstehen. Wenn jemand | |
geflüchtet ist und neu nach Deutschland kommt, dann erreichen ihn zum Teil | |
Briefe von Behörden, aber nur auf Deutsch. Auch im Jobcenter: Englisch ist | |
nicht erlaubt, nur Deutsch. Auch arabische Dolmetscher gibt es viel zu | |
wenige. Wie sollen die denn bitte was verstehen? | |
In Ihrer Zeitung ist Feminismus ein wichtiger Bestandteil und hat sogar | |
eine eigene Rubrik. Glauben Sie, dass sich Chauvinisten und Sexisten | |
dadurch beeindrucken lassen? | |
Das ist in der Tat ein Problem und ein wichtiges Anliegen von Abwab. Ich | |
denke, auch wenn es schwierig ist, muss man das zumindest versuchen. | |
Was sagen Sie Leuten, die eine Zeitung auf Arabisch für ein potentielles | |
Integrationshemmnis für Geflüchtete halten? | |
Unsere Mission ist, den Geflüchteten die deutsche Gesellschaft zu erklären. | |
Hier ist ja vieles anders: So etwas wie ein Grundgesetz war unser größter | |
Traum, bevor wir hierherkamen; es gibt auch große kulturelle Unterschiede, | |
hier gibt es Freiheit, Schutz durch Gesetze, Polizei und Frauenrechte. | |
Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, den Deutschen unsere Sichtweise und | |
Kultur näherzubringen und zu erklären. | |
Und wie? | |
Viele wissen einfach nichts über Syrien oder andere arabische Länder. Sie | |
denken zum Beispiel, alle, die geflüchtet sind, wären Muslime. Wenn ich | |
jetzt sage, dass ich Alkohol trinke und Frauen respektiere, dann würden | |
viele Deutsche sicher denken: Der ist die Ausnahme. Dass es aber noch ganz | |
viele andere gibt, die meine Überzeugungen teilen, wissen sie gar nicht. | |
Wovor haben denn so viele Deutsche Angst? | |
Ich würde ganz klar sagen: vor dem Islam. Sie sind einfach schlecht | |
informiert. | |
Aber lassen die, die jetzt in Mobs marschieren und Gewalt gegen | |
Flüchtlingsheime ausüben, Fakten überhaupt an sich ran? | |
Ich habe neulich in der BBC mit einer Frau von „Pegida“ diskutiert, die | |
hatte massive Vorurteile gegenüber Einwanderern – aber wir kamen zumindest | |
miteinander ins Gespräch. Und so etwas brauchen wir häufiger: Chancen, mit | |
jedem zu reden. Wir brauchen mehr Möglichkeiten zur Begegnung, mehr Treffen | |
und Veranstaltungen, zum Beispiel bei gemeinsamen Essen. | |
Was erwarten Sie sich davon? | |
Wir müssen klarmachen,dass wir den Krieg nicht wollten, aber nun mal eben | |
aus einem Land kommen, wo Krieg herrscht. Viele Deutsche wollen uns | |
belehren. Sie halten uns für blöd, sie glauben, wir kommen aus einer dummen | |
Kultur. Sie sprechen mit uns in komplizierter Sprache und glauben: Wir | |
wissen mehr als ihr. Wir sind besser als ihr. Ihr seid nichts ohne uns. | |
Dabei haben sie keine eigenen Erfahrungen. Sie sollten nicht über uns | |
reden, sondern mit uns. | |
Das heißt auch, Geflüchtete sollen ihre Kultur hier nicht aufgeben? | |
Oft gibt es dieses Missverständnis – aber Integration bedeutet nicht, dass | |
alles so bleibt, wie es ist. Integration heißt vielmehr: Begegnung. Man | |
muss auf beiden Seiten Stereotype abbauen und voneinander lernen. Das | |
andere wertschätzen. Es gibt zum Beispiel zwei deutsche Seiten in Abwab, | |
sodass auch Leute von hier darin lesen können. | |
Interview: [1][ADRIAN SCHULZ], Redakteur des taz.lab | |
29 Feb 2016 | |
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## AUTOREN | |
Adrian Schulz | |
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