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# taz.de -- Das Attentat auf Monica Seles
Hamburg (taz/dpa) — Auf Monica Seles wurde beim Viertelfinalspiel des
Tennisturniers am Rothenbaum Freitag abend ein Attentat verübt. Ein
38jähriger Thüringer stieß ihr in einer Spielpause ein Messer mit einer
zwölf Zentimeter langen Klinge in den Rücken. Die Weltranglistenerste mußte
mit einer etwa eineinhalb Zentimeter tiefen Fleischwunde in der
Rückenmuskulatur ins Krankenhaus eingeliefert werden. Sie hat keine
lebensgefährlichen Verletzungen davon getragen, wird aber nach Angaben des
Turnierarztes zwischen vier Wochen und drei Monaten pausieren müssen.
Gegen den Attentäter wurde Haftbefehl wegen versuchten Mordes erlassen. Er
wurde in ein Untersuchungsgefängnis gebracht. „Die Haftrichterin sah
offenbar keine Anhaltspunkte dafür, den Mann in eine psychiatrische Anstalt
einzuweisen“, sagte Hamburgs stellvertretender Polizei-Pressesprecher
Dankmar Lund. Tags zuvor hatte er mitgeteilt, der Täter habe auf die
Polizeibeamten einen „psychisch gestörten Eindruck“ gemacht. Er sei ein Fan
von Steffi Graf und könne es deshalb nicht länger ertragen, daß Monica
Seles die Nummer eins der Weltrangliste ist, hatte der arbeitslose Dreher
bei der ersten Vernehmung durch die Polizei gesagt. Töten wollte er Seles
nicht, nur spielunfähig machen, damit die Deutsche die Poolposition
zurückerobern kann.
Sowohl die Eltern von Monica Seles als auch die Mediziner und Steffi Graf,
die ihre verletzte Kollegin in der Universitätsklinik Eppendorf (UKE)
besucht hatte, äußerten sich besorgt über den seelischen Zustand der
19jährigen. „Das psychische Befinden der Patientin ist angegriffen“, hieß
es in einem UKE-Bulletin. Diesen Eindruck hatte auch Steffi Graf, die,
selbst von dem Vorfall sichtlich mitgenommen, nach ihrer Visite bei Monica
Seles sagte: „Ich glaube, es geht ihr sehr schlecht. Das Problem ist nicht
die Wunde. Das Problem ist, was sich bei ihr jetzt im Kopf abspielt.“
Als Konsequenz des Anschlages werden die Sicherheitsvorkehrungen
verschärft. In Hamburg gab es zusätzliche Kräfte von Polizei und
Ordnungsdienst, während der Spiele waren Zivilbeamte unmittelbar hinter den
Spielerbänken postiert. Beim Turnier in München wurde Michael Stich von
zwei uniformierten Polizeibeamten auf das Spielfeld geleitet. Auch die
Organisatoren der Grand-Slam-Turniere von Paris, Wimbledon und Flushing
Meadow kündigten an, ihre Sicherheitsvorkehrungen einer Überprüfung zu
unterziehen. In Erwägung wurde gezogen, hinter den Spielerbänken Wände aus
Plexiglas aufzubauen. „Ein Verrückter hat angefangen, vielleicht machen es
jetzt einige nach“, befürchtet Michael Stich.
In Serbien wurde der Anschlag auf die jugoslawische Spielerin ungarischer
Abstammung, die aus der ehemals Autonomen Provinz Vojvodina stammt, aber
schon seit ihrer Kindheit in den USA lebt, kurzerhand in ein politisches
Attentat umgedeutet. Monica Seles hatte — ebenso wie ihre Eltern —
politische Stellungnahmen stets verweigert, wird jedoch in Serbien als das
letzte sportliche Aushängeschild Rest-Jugoslawiens verehrt. „Radio Belgrad“
sprach von einem „Resultat großdeutscher antiserbischer Hetze“, vor der
Anlage am Rothenbaum riefen Demonstranten „Serbia“ und trugen Transparente
mit der Aufschrift „Gestern Juden, heute Serben“.
Derweil ging das Turnier ohne weitere Mordversuche zu Ende. Im Finale
gewann die Spanierin Arantxa Sanchez-Vicario gegen Steffi Graf mit 6:3,
6:3.
3 May 1993
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