# taz.de -- Interview mit Diane Nininahazwe: „Ich glaube an die Vierte Gewalt… | |
> Diane Nininahazwe, 26, ist Rundfunkjournalistin aus Burundis Hauptstadt | |
> Bujumbura. | |
Bild: Diane Nininahazwe und Kuratoriumsmitglied Andreas Lorenz | |
Andreas Lorenz: Frau Nininahazwe, Anfang September sind Sie aus Afrika nach | |
Berlin gekommen. Wie ging es ihnen damals? | |
Diane Nininahazwe: Ich bin hierher gereist, um Ruhe zu finden. Die Wälder | |
in dieser Großstadt haben mir dabei geholfen. | |
Hatten Sie sich Berlin so vorgestellt, wie Sie es dann erlebten? | |
Ich wusste, dass Berlin eine geteilte Stadt war – und eine Stadt, die | |
schwer unter dem Krieg gelitten hat. Wir hatten 1993 auch Krieg in Burundi, | |
aber bei uns ist er nicht zu Ende. Das ist ein großer Unterschied zwischen | |
unseren Ländern. Wir müssen unser Land wieder aufbauen, wie es Berlin | |
geschafft hat. Ich sah in Berlin auch die Reste der Mauer. Wir haben bei | |
uns nicht solche Gedenk- oder Erinnerungsstätten. | |
Sind Sie zum ersten Mal in Europa? | |
Nein, das zweite Mal. Das erste Mal war ich in Polen. Ich nahm in Warschau | |
an einer Konferenz zum Klimawandel teil. | |
War es schwierig für Sie, sich an die neuen Umstände hier in Berlin zu | |
gewöhnen? | |
Nein, ich traf auf sehr freundliche Menschen, bei der taz und bei Reporter | |
ohne Grenzen, die mir halfen, mich zurechtzufinden. Auf der Straße traf ich | |
immer wieder Menschen, bei denen ich spürte, dass sie wissen wollten, woher | |
ich kam. Aber sie haben sich nicht getraut, mich zu fragen. | |
Wie haben Sie Ihren Alltag verbracht? | |
Ich bin in Berlin herumgestreift und habe Bekannte besucht. Ich versuchte, | |
mich auf dem Laufenden zu halten. Weil ich leider kein Deutsch spreche, war | |
ich auf den französischen TV-Kanal angewiesen. Außerdem hielt ich stets | |
Internet-Kontakt zu meiner Familie. Aber alles, was ich tat und sah, half | |
mir, Ruhe zu finden. | |
Sie hatten keine Probleme? | |
Natürlich, das war die Sprache. Als meine Tante mir Geld über Western Union | |
schickte, konnte ich mich dort nicht einmal auf Englisch verständigen. | |
Gibt es etwas, was Sie besonders überrascht hat in Berlin? | |
Was mich sehr erstaunt hat: Ich sah Menschen, die schon am Morgen auf der | |
Straße Alkohol tranken. So etwas gibt es bei uns nicht. | |
Hielten Sie Kontakt zu Ihren Kollegen in Burundi? | |
Das ist schwer, denn sie sind mittlerweile in alle Winde verstreut. Nur | |
zwei Prozent aller Journalisten sind im Land geblieben. Die Regierung sieht | |
uns Journalisten als ihr Hauptfeind an. | |
Wie haben Sie denn Informationen aus Burundi erhalten? | |
Über das Internet, über WhatsApp und Facebook. Es gibt ja kein unabhängiges | |
Radio mehr. Also senden Kollegen aus Kigali, der Hauptstadt des | |
Nachbarstaats Ruanda. Sie verbreiten ihre Nachrichten über WhatsApp, | |
Facebook oder das Internet. Aber wer hat in Burundi schon Smartphones, um | |
die Sendungen zu hören? | |
Wie hat sich die Lage in Burundi verändert, seitdem Sie in Berlin sind? | |
Die Situation ist schlimmer geworden. Stellen Sie sich vor: | |
Regierungsgegner werden nicht nur getötet, sondern ihnen wird auch noch das | |
Herz herausgerissen oder ihnen wird der Kopf abgeschlagen. Das passiert auf | |
offener Straße. Gerade heute habe ich Fotos davon über das Internet | |
erhalten. | |
Hat dieser Hass mit den verschiedenen Völkern in Burundi zu tun? | |
In Burundi leben Tutsi und Hutu. Aber im Gegensatz zu Bevölkerungsgruppen | |
in Kenia sprechen wir dieselbe Sprache, essen dasselbe Essen. Aber jetzt | |
herrscht die Gewalt, es wird gemordet. Wer sich für Menschenrechte einsetzt | |
oder wer der Regierung nicht passt, riskiert sein Leben. Es ist höchste | |
Zeit, dass die internationale Gemeinschaft eingreift. Viele Leute, wie ich, | |
schauen jeden Morgen bange auf das Smartphone, ob es nicht wieder schlechte | |
Nachrichten gibt: Dein Freund, dein Cousin, dein Vater ist umgebracht | |
worden. | |
Wie hatten Sie vom Auszeitprogramm erfahren? | |
Nachdem unser Radiostudio von Regierungssoldaten in Bujumbura angegriffen | |
worden war, versteckte ich mich, ich schlief jede Nacht woanders. Eines | |
Tages traf ich eine deutsche Journalistin. Sie berichtete mir von dem | |
Projekt. Und sie bat mich, möglichst viele Kollegen zu informieren. | |
Was könnten die taz Panter Stiftung und Reporter ohne Grenzen besser | |
machen? | |
Dieses Programm ist wirklich eine große Hilfe. Aber mit seinen drei Monaten | |
ist es zu kurz. Es wäre besser, es zu verlängern. Stellen Sie sich vor, was | |
wir Journalisten in Afrika derzeit durchmachen. Von einem Kollegen sind | |
jüngst Eltern und Kinder umgebracht worden. Da reichen drei Monate Auszeit | |
nicht. Und es wäre gut, die Teilnehmer mit anderen Journalisten in Kontakt | |
zu bringen, die Ähnliches erlebten oder erleben. | |
Was könnte man noch verbessern? | |
Ein Teilnehmer im Jahr ist, wenn ich das sagen darf, nicht genug. Ich | |
allein kenne viele Kollegen und Kolleginnen, die eine Auszeit benötigen. | |
Wenn es im Jahr fünf Journalisten wären – Gott würde es Ihnen danken. | |
Dieses Projekt hat das Leben einer Journalistin aus Burundi verändert, ich | |
war die Glückliche. Aber es sollten mehr sein. | |
Was werden Sie tun, wenn Sie nach Afrika zurückkehren? | |
Ich kann noch nicht nach Burundi zurück. Also werde ich nach Kigali reisen. | |
Meine Zukunft als Journalistin ist es zu beweisen, dass wir unsere | |
Gesellschaft verändern können. Wir Journalisten sind die Vierte Gewalt, | |
daran glaube ich felsenfest. Viele Geschichten, die ich in Burundi gemacht | |
habe, haben Menschen gerettet. | |
Zum Beispiel? | |
Regierungssoldaten sind zu mir gekommen und haben gesagt: Wir haben den | |
Auftrag, diesen oder jenen zu töten. Warnen Sie diese Leute bitte, wir | |
selbst können das nicht tun. Das kann man natürlich nicht veröffentlichen. | |
Was konnten Sie denn senden? | |
Frauen von verschwundenen Männern kamen zu uns. Wir veröffentlichten deren | |
Namen. Das ließ die Regierung zurückschrecken: Sie brachte diese Männer | |
nicht um. Eine Frau kam zu mir und sagte: Diane, „sie haben meinen Mann | |
freigelassen. Das haben wir dir und dem Radio zu verdanken.“ | |
Schauen Sie mal in die Zukunft. Wie sieht sie aus? | |
Mein Traum ist es, nach Burundi zurückzukehren und die Gesellschaft durch | |
das Radio zu verbessern. Und ich weiß: Dieser Traum wird wahr werden. | |
Das taz Refugium ist ein gemeinsames Projekt der taz Panter Stiftung und | |
den Reporter ohne Grenzen. Das Interview führte Kuratoriumsmitglied der taz | |
Panter Stiftung Andreas Lorenz. | |
3 Nov 2016 | |
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