# taz.de -- Workshop Nr. 19: Die TeilnehmerInnen | |
> Aus vielen interessanten Bewerbungen haben wir wieder ein buntes Team für | |
> den 19. taz Panter Workshop zum Thema „Schuld” zusammengestellt. | |
Bild: Die TeilnehmerInnen zeigen auf Sie, denn mit Ihrer Spende tragen Sie die … | |
Seit 2009 veranstaltet die taz.Panter Stiftung zweimal jährlich einen | |
[1][Workshop für NachwuchsjournalistInnen], Schreiber, Dichter und Denker. | |
Unter vielen interessanten Bewerbungen haben wir 20 TeilnehmerInnen | |
ausgewählt, die wir für vier Tage in die taz einladen, um hier mit ihnen | |
eine eigene Ausgabe zum diesjährigen [2][Thema Schuld] zu erstellen. Dabei | |
wird ihnen ein [3][Redaktionsteam] zur Seite stehen. | |
Bei der Auswahl der TeilnehmerInnen wird darauf geachtet, dass eine | |
interdisziplinäre Gruppe mit unterschiedlichen Vorkenntnissen im | |
Journalismus entsteht. JedeR kann sich bewerben. Die je zehn Frauen und | |
Männer pro Workshoptermin sind zwischen 18 und 28 Jahre alt und kommen aus | |
allen Regionen Deutschlands und aus dem Ausland. | |
#1 Annelie Meier, 26, lebt und liebt in Leipzig. Aktuell studiert sie dort | |
Ethnologie und arbeitet als Krankenschwester. Aufgewachsen auf dem | |
bayrischen Land bei Augsburg hat es sie als Erstes für ein paar Jahre nach | |
Hamburg verschlagen. Die jetzige Wahlheimat Leipzig verkörpert für sie | |
tiefe Erkenntnisse. Denn der Osten bietet viele „Aufarbeitungschancen” | |
sowohl aktuell‐politischer, als auch historischer Art. | |
„Schuld und Sühne”, das Werk des russischen Schriftstellers Dostojewski, | |
möchte man meinen, sei nie aus der Mode gekommen. Gewissenskonflikte | |
zwischen Wirklichkeit, Recht/Gerechtigkeit und Humanismus in einer | |
instabilen Umwelt. Diese Thematik kann in soziokulturellen Kontexten wieder | |
und wieder induziert werden. | |
#2 Nicolas Kienzler, 21, studiert Politik- und Verwaltungswissenschaften im | |
dritten Semester an der Universität Konstanz und ist auf verschiedene Weise | |
politisch aktiv – hin und wieder auch schreibend. | |
Das „Volk” skandiert plumpe Parolen, Flüchtlingsunterkünfte brennen und | |
„Gutmensch” wird zum Schimpfwort erklärt. Es wird kälter in Deutschland, | |
nicht nur meteorologisch. Wer hat Schuld daran, dass das so ist – die | |
Politik? Und wer hat Schuld daran, wenn das so bleibt – ich selbst auch? | |
#3 Sami David Rauscher, 24, Journalist, Musiker, Slampoet, hat mit 10 | |
Jahren angefangen, ein wenig Radio zu machen, dann kam irgendwann Fernsehen | |
dazu und ganz zuletzt ist er in der Print-Redaktion bei audimax am | |
Nürnberger Hauptmarkt gelandet. Seine fränkischen oder arabischen Wurzeln | |
dürften Schuld sein, dass er das „R” noch immer ein wenig rollen muss. | |
Ständig ist der Mensch irgendwem etwas schuldig: Der Mutter Dankbarkeit für | |
Schwangerschaft, Geburtsschmerz. Dem Staat die Bürgerpflichten. Gott oder | |
dem Gegenüber, das, was Moral sich so ausdenkt. Dazu Bildungskredite, | |
Arbeitspflicht, Miete. Hundsgemein beißt ihn das Gewissen. Wie wird er | |
frei? | |
#4 Jana Sauer, 25. Zur Zeit studiert sie Philosophie und Geschichte im | |
Master an der Uni Trier. Sie nennt sich „Kantianerin” und will irgendwann | |
ihrem eigenen Watergate begegnen. | |
Sie denkt, dass Schuld als konkrete Emotion existiert. Unsicher ist sie, ob | |
es sie tatsächlich als objektivierbaren Umstand oder überhaupt als Phänomen | |
gibt. Dafür bräuchte es eine kategorische Übereinkunft aller Menschen, die | |
eine Handlung als Verstoß und einen Zustand als „schuldig” definiert. | |
#5 Volkan Ağar, 25, nachdem er sich von den Fängen der Schwäbischen Alb | |
befreien konnte, lebt er in Wien, wo er Politik studiert. Weil ihn | |
Schreiben und Gesellschaft bewegen, engagiert er sich als Teil des | |
Zeitungsprojekts MALMOE. Neben den hiesigen Verhältnissen interessieren ihn | |
derzeit vor allem Entwicklungen in der Türkei. | |
Es gibt Schuld, die abzulegen es nicht reicht, sich in Gedenkritualen zu | |
inszenieren. Dann ist da Schuld, die in der „Generation Ich-AG” | |
individualisiert wird, ihre Ursprünge aber in einer Gesellschaftsordnung | |
hat. Kritik an letzterer lässt sich dabei nicht mit einfachen | |
Schuldzuweisungen ausüben. | |
#6 Maelene Carlotta Lindgren, 23, kreative Chaosfee mit strukturierten | |
Wurzeln, macht nach langem Auslandsaufenthalt nun Abitur in Kassel. Liebt | |
Lebewesen, Reisen und Kochen. Findet es wichtig, sich zu informieren, Dinge | |
zu hinterfragen und mitzureden, denn „die Menschen von heute beeinflussen | |
das, was in den Geschichtsbüchern von morgen steht”. | |
Schuld ist ein hochkomplexer, individueller und wandelbarer Begriff. Ob | |
Schuld einer Nation oder des Individuums – vor jeder Schuld steht eine | |
Geschichte, die sie für diese definiert. Schuld zu sein, ohne sich schuldig | |
zu fühlen ist ebenso möglich wie sich schuldig zu fühlen, ohne schuldig zu | |
sein. | |
#7 Alexander Triesch, 24, lebt schon immer in der Eifel und braucht morgens | |
keinen Kaffee sondern Twitter. Erste journalistische Schritte beim | |
Trierischen Volksfreund, nach dem Bachelor Praktika beim Tagesspiegel und | |
der Berliner Morgenpost. Gerade macht er in Trier den Master in | |
Demokratischer Politik und Kommunikation. | |
Im Leben machen wir uns ständig schuldig und trotzdem sind irgendwie immer | |
die anderen Schuld. Winston Churchill sagte mal, nur wer die Verantwortung | |
für sein Handeln übernimmt, erlangt wahre Größe. Vielleicht würde das der | |
modernen Gesellschaft ganz gut tun. | |
#8 Luisa Podsadny, 21, aus der Lüneburger Heide, verschlug es zum Studium | |
der Internationalen Beziehungen nach Dresden und zwischenzeitlich nach | |
Kirgistan. Die Euphorie über den schönen Studienort hat im letzten Jahr | |
gelitten. Mit Zentralasien beschäftigt sie sich noch immer sehr gern als | |
Redakteurin eines deutsch-zentralasiatischen Onlinemagazins. | |
Eine in Deutschland lebende russische Freundin erklärte mir neulich, warum | |
ich für die Aufnahme von Geflüchteten bin – Es sei der Schuldkomplex, den | |
meine Generation aufgrund des 2. Weltkriegs mit sich herumträgt. Das sehe | |
ich anders. Und frage mich: Darf Schuld die Motivation sein? | |
#9 Sören Götz, 25, macht nächstes Jahr seinen Abschluss in Politik, | |
Wirtschaft und Germanistik an der Uni Mannheim. Seit er 18 Jahre alt ist, | |
schreibt er als freier Mitarbeiter für Lokalzeitungen und will dieses Hobby | |
nach dem Studium zum Beruf machen. 2010/11 verbrachte er ein prägendes Jahr | |
in Malawi, Südostafrika. | |
Mit vielem, was wir täglich tun, schaden wir anderen: Wir kaufen Produkte, | |
für deren Herstellung Mensch, Tier und Natur ausgenutzt werden. Wir | |
beschleunigen mit unserer Mobilität den Klimawandel. Privilegiert, wie wir | |
sind, hätten wir jeden Tag die Wahl, verharren aber in bequemen | |
Gewohnheiten. | |
#10 Sarah Neugebauer, 20, studiert momentan in Passau Politik und | |
Italianistik, außerdem unterrichtet sie Englisch, Italienisch und Spanisch. | |
Politisiert wurde sie 2012 durch das Passauer Flüchtlingsbündnis. | |
Persönlich interessieren sie besonders die Themen Flüchtlinge, | |
Menschenrechte und TTIP. Wann immer sie die Möglichkeit hat, reist sie um | |
die Welt, um sie und die Menschen, die auf ihr leben, noch weiter | |
kennenzulernen. | |
Das Thema Schuld hat für sie immer damit zu tun, jemanden oder etwas für | |
eine Sache verantwortlich zu machen und damit auch eine Erwartung zu haben, | |
zum Beispiel Rache oder Reue. Gibt es Schuld per se überhaupt? Und ist | |
Schuld etwas anderes als Verantwortung? In der Politik wird mit | |
Schuldzuweisungen aktuell ja nicht gerade gespart. „Ich bin gespannt, zu | |
welchen Ergebnissen wir kommen ... ” | |
#11 Kadir Yildirim, über mich spricht der Mensch schon seit mehr als 8300 | |
Tagen. Meine Leidenschaft gilt der Literatur, der Kaffeebohne, der | |
Hansestadt Hamburg und der Sprache Frankreichs. Derweil befinde ich mich in | |
einer Ausbildung in Düsseldorf, kurz zuvor studierte ich Französisch in | |
Bonn. | |
„Schuld” – simpel gesagt, ist nicht der/die Einzelne, sondern sind WIR. | |
#12 Christoph Hedtke, 27, lebt, studiert und arbeitet derzeit vor allem in | |
Leipzig. Als quereinsteigender Geograph kam er vor etwa drei Jahren über | |
Umwege zum Journalismus. Seitdem arbeitet er neben dem Studium als freier | |
Fotojournalist mit einem Schwerpunkt auf den Themen Flucht und Migration | |
und soziale Bewegungen. | |
Schuld ist meist auch verbunden mit Schuldzuweisungen, denn schuld sind | |
bekanntlich ja immer die anderen. Doch genau diese fehlende Anerkennung | |
einer (Teil-)Schuld und daraus resultierender individueller wie | |
gesellschaftlicher Verantwortung führt uns geradewegs von einer in die | |
nächste humanitäre Katastrophe. | |
#13 Antonia Drews, 27, lebt und liebt in Witten das Leben, die vielen | |
kleinen Bühnen und Kinos einen Katzensprung entfernt, die | |
Lieblingsmenschen, mit denen Wohnraum, Rotwein und Geschichten geteilt | |
werden. Am Meer groß geworden zieht es sie immer auf ein Neues zum | |
Horizonterweitern: Berlin, Montréal und Heidelberg haben sie neben dem | |
Psychologiestudium auf glücklichen Umwegen wieder zum Schreiben geführt. | |
Hält die romantische Vorstellung, unser Wirtschaftssystem sei dem | |
Tauschhandel entsprungen, geschichtlicher Prüfung stand? Die Durchleuchtung | |
dieses Mythos hält viel bereit: Schuld als moralische Königin, unser | |
Urbedürfnis zu erklären und etwas oder jemanden auszumachen, der | |
verantwortlich, schuldig ist, die Sehnsucht nach Freiheit von Schuld. | |
#14 Robert Hofmann, 22, studiert Wissenschaftsjournalismus in Darmstadt. Er | |
liebt Sprachen, singt gern, ist überzeugter Fahrradfahrer und (leider nicht | |
ganz konsequenter) Vegetarier. Vom Schreiben, von Neugier leben, das ist | |
sein Traum. Es müssen nicht nur ernste Wissensthemen sein. Er schreibt auch | |
Satireartikel – einige waren schon im „Postillon” zu lesen. | |
Es scheint, dass jedes Problem konkrete Schuldige braucht, um es zu lösen. | |
Das macht komplexe Konflikte fast unlösbar. Doch Schuld sein kann offenbar | |
nicht jeder, fragt doch die Justiz nach „Schuldfähigkeit”. Immer noch das | |
einfachste Urteil: „Selbst schuld!” – Ein pauschaler Freispruch der | |
Anderen. | |
#15 Luisa Sophie Gröning, 18, in Berlin-Kreuzberg aufgewachsen mit einer | |
riesigen Patchworkfamilie an ihrer Seite ist sie ein turbulentes Leben | |
gewohnt. Jetzt nach dem Abitur erkundet sie mit wachsendem Vergnügen | |
Berufs- und Lebensmöglichkeiten. | |
Als Kind lernte sie, sich zu entschuldigen. Heute weiß sie, dass eine | |
Entschuldigung Schuld nicht tilgt. „Ich kann mich entschuldigen in einem | |
Industriestaat zu leben, der andere Länder ausbeutet oder dafür was die | |
Deutschen unter Hitler taten, aber Reden befreit nicht von Schuld sondern | |
Handeln.” | |
#16 Stefan Christoph, 27, hat in Leipzig und Regensburg Politik- und | |
Rechtswissenschaften studiert. Zur Zeit promoviert er zu einem | |
demokratietheoretischen Thema und arbeitet nach einem Fernseh- und | |
Onlinevolontariat als freier Journalist. Neben dem Texten interessiert ihn | |
auch die technische und gestalterische Komponente des Journalismus. | |
Schuld ist in der Welt der Ethik das, was man in (natur)wissenschaftlichen | |
Zusammenhängen auch Kausalität nennt. Der Schuldige wird also zur | |
unabhängigen Variable. Diese wird in einem wissenschaftlichen Experiment | |
normalerweise kontrolliert verändert. Ist der Mensch ebenso leicht | |
manipulierbar? | |
#17 Michelle Ostwald, 26, hat in ihrer Heimatstadt Hamburg Germanistik und | |
Ethnologie studiert, danach Umzug nach New York, jetzt glücklich in Berlin. | |
Die letzten sechs Monate hat sie für ihre Masterarbeit das Islambild in den | |
deutschen Printmedien erforscht. Ansonsten arbeitet sie beim Rundfunk | |
Berlin-Brandenburg oder als freie Journalistin. | |
Schuld ist für mich eine Last, die man sich durch falsches Verhalten | |
auflädt. Man kann sich dazu entschließen, die Schuld anzunehmen und | |
versuchen für Wiedergutmachung zu sorgen, aber letztendlich können Fehler, | |
die gemacht wurden, nicht wieder rückgängig gemacht werden. | |
#18 Sara Ziaabadi, 25, wohnt seit 7 Jahren in Hamburg. Gerade hat sie ihr | |
Geschichtsstudium abgeschlossen, der Fokus lag dabei auf der Neueren | |
Geschichte des Nahen und Mittleren Osten. Jetzt ist die große Frage: Was | |
ist das nächste Abenteuer? | |
Schuld lähmt und verfolgt dich wie ein Schatten. Daher sind Diskussionen um | |
Schuldigkeit im Privaten wie im Politischen häufig zäh und unproduktiv. Wie | |
kann man das Thema so diskutieren, dass sich Schuld in Verantwortung und | |
Verantwortung in Handlung weiterentwickeln kann? | |
#19 Jean Pierre Samedjeu, 23, hat ein Journalistikstudium in Kamerun | |
angefangen und studiert jetzt Politikwissenschaft in Hamburg. Nebenbei | |
tanzt und unterrichtet er Breakdance und schreibt den Blog „Café des | |
Infos”, wo er sich meistens mit Nachrichten abseits der europäischen Medien | |
auseinandersetzt. | |
Flüchtlinge aus dem Iran, Irak, Afghanistan, Somalia, Syrien, Libyen: Wer | |
fühlt sich schuldig, und warum? Ist sich Deutschland einer Schuld für die | |
Krisengebiete bewusst? Fühlen sich Individuen wegen „ihres” Wohlstands | |
schuldig an der „Armut” anderer? Und wer fühlt sich nicht schuldig? | |
3 Nov 2015 | |
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