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# taz.de -- Domina vs. Femen: Ziel: Sexueller Kommunismus
> Eine Adhoc-Begegnung auf dem taz.lab 2015 mit Femen-Gründerin Anna Hutsol
> und der Domina Lady Velvet Steel.
Bild: Lady Velvet Steel oder bürgerlich Fabienne Freymadl im Gespräch.
Das tazlab ist bekannt-berüchtigt dafür, spannende Menschen
zusammenzubringen, die in ihren Ansichten kaum unterschiedlicher sein
könnten. Dieses Jahr haben wir zwei vermeintliche „natürliche“ Feinde
zusammen gebracht, um über Prostitution zu sprechen.
Anna Hutsol, Co-Gründerin von FEMEN diskutierte morgens auf dem Panel
„Freiheit ist eine linke Utopie“ und Fabienne Freymadl gab als Domina Lady
Velvet Steel und politische Sprecherin des Berufsverbandes für erotische
und sexuelle Dienstleistungen e.V Auskunft zu Sexarbeit.
Wir treffen die beiden Frauen in der nachgebauten Sexkabine von Fabienne.
Das Licht ist gedimmt, über uns hängen Lichterketten, auf dem Boden liegen
orientalische Teppiche und Kissen. Auf kleinen Beistelltischchen sind
Dildos, Peitschen, Desinfektionsmittel und andere weniger bekannte Sex-Toys
in diversen Grössen und Formen ausgestellt.
Als wir die beiden miteinander bekannt machen und über den langen Namen des
Berufsverbandes stolpern, fasst Fabienne Freymadl freimütig zusammen: „Wir
sind eine Huren-Gewerkschaft.“
Wir sprechen die beiden auf Prostitution an. Fabienne Freymadl betont,
Prostitution sei ein ganz gewöhnlicher facettenreicher Beruf, wie jeder
andere auch: „Solange die Arbeit freiwillig ausgeübt wird, stehe ich ihr
sehr positiv gegenüber.“
Hutsol hält dagegen, man müsse zwischen Sex-Industrie und Prostitution
unterscheiden. Sex-Industrie bedeute Kriminalität, Zwangsprostitution und
Beschäftigung Minderjähriger, was FEMEN stark verurteilten und wogegen sie
energisch kämpften.
Natürlich würden sie dagegen Prostitution als freiwillige, selbstbestimmte
Ausübung der Sex-Arbeit befürworten. Allerdings kenne man das so in der
Ukraine nicht und halte selbstbestimmte Prostitution deshalb für unmöglich.
Auch hierzulande, so Fabienne, sei die Prostitution nicht komplett
entkriminalisiert – will heissen: nicht mehr strafgesetzlich relevant, aber
auch nicht unreguliert.
Zwar hafte ihr hier nicht mehr den Status „Sittenwidrigkeit“ an, es
bestehen allerdings weiterhin zu viele Sonderverordnungen und Vorschriften,
die diesen Beruf von anderen unterscheidet. Diese abzubauen und die Rechte
der Sex-ArbeiterInnen zu stärken, sei deshalb erklärtes Ziel ihres
Verbandes.
Einig sind sich die beiden darin, dass eine ideale Gesellschaft eine wäre,
in der es keine Prostitution mehr geben müsse. Geld als Tauschmittel sollte
grundsätzlich obsolet werden, wenn jeder und jede sowieso genügend sexuelle
Befriedigung und Erfahrung findet – ganz nach dem altbekannten
kommunistischen Prinzip: „S kazhdogo po vozmozhnostjam, kazhdomu po
potrebnosjam“ / „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen
Bedürfnissen.“
Die Frage, ob denn eine Domina nicht eigentlich das Frauenideal von FEMEN
verkörpere, weil sie ja schließlich den Spieß der männlichen Dominanz
umdrehe, amüsiert beide Frauen. Das sei naiv zu glauben, meint Freymadl,
schließlich finde SM-Sex in einem festen, von vornherein abgesprochenen
Rahmen statt und basiere auf Freiwilligkeit von beiden.
Und Hutsol ergänzt, für Femen sei Sex nur eine Dimension ihres Kampfes,
vielmehr ginge es ihnen um die grundsätzliche Stellung der Frau in
Gesellschaft und Politik. Da widerspricht ihr Fabienne Freymadl.
Ihre Vorstellung von Feminismus sei eine andere: Femen trenne zu strikt
zwischen den Kategorien Mann und Frau, sie selbst gehe von einer viel
breiteren Palette an Geschlechtsidentitäten aus und interessiere sich mehr
für die Zwischentöne denn für klare Zuschreibungen.
Zum Abschied umarmen sich die beiden und kaum aus der Kabine, zieht sich
Fabienne Freymadl das Lederkorsett aus und steht nur noch im schwarzen BH
vor uns.
Lachend ruft sie uns nach, sie ziehe sich nicht immer bei Abschieden aus,
sondern sterbe gerade vor Hunger und müsse eiligst zur Mittagspause –
lieber nicht im knallengen Lederkorsett mit üppigem Dekolleté, sondern in
zivil.
Anna, in Jeans und T-Shirt übrigens, schmunzelt und meint nur: „Naja, für
FEMEN-Proteste hättest du noch immer viel zu viel an.“
GINA BUCHER, DMITRY SHIGAEV
27 Apr 2015
## AUTOREN
Gina Bucher
Dmitry Shigaev
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