# taz.de -- Das Theaterstück „Seite Eins” : Was ist denn schon Realität? | |
> Ingolf Lück gibt einen zynischen Reporter, dem alles recht ist: ein | |
> Beitrag zum rechten Verständnis von Medienarbeit und Theater auf dem | |
> taz.lab. | |
Bild: Ein Mann, ein Smartphone, eine Bühne - Ingolf Lück als „Marco“ im T… | |
Die Figur, die wir bei diesem Stück kennenlernen, heißt Marco. Ein | |
Journalist. Einer, der nicht allein die schnelle Nachricht liebt, sondern | |
die menschlich zugespitzte. Er liebt die verkäufliche Geschichte, und sei | |
sie noch so manipulativ einem Privatleben abgerungen. | |
In „Seite Eins”, dem nach seiner Premiere in Gütersloh vorigen Herbst hoch | |
gelobten Theaterstück, ist dieser Marco dieser Journalist, der nach allen | |
Regeln seiner Kunst eine junge Frau mehr oder weniger geschickt zur Strecke | |
bringt, nur weil sie seinem Werben um ein mögliches Dasein als Star erliegt | |
– und zwar durchaus gern. | |
Autor Johannes Kram hat diesen Helden des Journalismus als Hanswurst seines | |
Metiers erfunden. Er kennt diese Spezies von Geschichtenerzählern im | |
Mediengewerbe, er hat mit ihr selbst zusammengearbeitet. | |
In diesem Marco ist alles enthalten, was die Wirklichkeitskonstrukteure | |
dieser Medien – die wir gern auf dem Boulevard verorten, wo es greller, | |
schreiender, mieser zugeht – so Tag für Tag in die Welt setzen. Der Plot | |
des Stücks kann natürlich nicht ganz und gar nacherzählt werden: Spannung | |
soll ja schließlich erhalten bleiben. | |
Aber was man bei „Seite Eins” – und das ist durchaus die Absicht des Auto… | |
– erkennen kann, ist, dass die Realität um Stars und Sternchen nicht | |
reportiert wird, weil der Stoff eben in der Luft liegt, weil er berichtet | |
werden muss wie ein politisch zwingendes Ereignis. | |
Die Marcos dieser Welt - die auch weiblichen Geschlechts sein können – tun | |
lediglich so, als bildeten sie das Wirkliche ab, sie backen sich ihre Chose | |
selbst, inklusive aller Klischees und Vorurteile, die sie in sich tragen. | |
Mit anderen Worten: „Seite Eins“ handelt von den unbewussten inneren, | |
menschlichen Voraussetzungen dessen, was diese Art des Journalismus | |
hervorbringt. | |
Ingolf Lück, den alle Welt als Comedian kennt, der aber als | |
Straßentheatermann in Bielefeld seine Laufbahn begann, spielt diesen Marco | |
beklemmend und auf jede Weise fern aller auf Lacher und Brüller setzenden | |
Komik. | |
Der Witz, den er verströmt, ist ein bitterer, und der liegt in dem Typus | |
des dauermobiltelefonierenden, buhlenden und drohenden Reporters selbst. | |
Auf dem taz.lab 2015 ist dieses von dem Kritiker Hans Hütt gepriesene | |
Schauspiel zu sehen. | |
Ein aktueller Anlass ist immer vorhanden, und sei es der jüngste, der | |
Absturz eines Flugzeugs in den französischen Voralpen. Die Story von der | |
jungen Frau, der versprochen wird, durch eine große Zeitung groß | |
herauskommen zu können, ist nur eine von vielen, die dieses Genre des | |
Journalismus zur Welt bringt. | |
Im Anschluss [1][an das Stück im Theatersaal des HKW] möchten wir mit | |
Ihnen, dem Publikum, ins Gespräch kommen: Ingolf Lück, Johannes Kram, Hans | |
Hütt und die taz-Chefredaktion freuen Sie und Ihre Gedanken. | |
[2][JAN FEDDERSEN] | |
14 Apr 2015 | |
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## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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