# taz.de -- ■ Martti Ahtisaari ist Finnlands neuer Präsident: Kein Gruppen… | |
Es gibt kein Gruppenbild mit Dame. Zum großen Kummer der finnischen | |
Exportindustrie, die sich schon ausgerechnet hatte, wieviel Prozentpunkte | |
an Zusatzaufträgen eine sympathische Präsidentin als Repräsentantin ihre | |
Landes weltweit werde einsammeln können. Auf Fotomontagen hatte man schon | |
mal probeweise den Kopf von Maggie Thatcher durch den Elisabeth Rehns | |
ersetzt, um zu demonstrieren, wie gut sich beim EU-Gruppenfoto im nächsten | |
Jahr Finnlands First Lady inmitten ihrer männlichen Kollegen machen würde. | |
Zentral in der Mitte postiert, wie es Präsidentinnen allemal widerfährt, | |
wenn zum Bildtermin auf der Treppe gerufen wird. | |
Finnland wird nun wieder irgendwo am Rande landen. Unübersehbar zwar allein | |
wegen der Körperfülle des Kolosses Ahtisaari, aber trotzdem unauffällig. | |
Die Inselpräsidentinnen Islands und Irlands bleiben unter sich. Jenseits | |
des von den Medien hochgespielten Geschlechterkampfes haben die FinnInnen | |
aber eine logische Wahl getroffen. Elisabeth Rehn ist Repräsentantin einer | |
Regierung, die eigentlich längst wegen absoluter Erfolglosigkeit hätte | |
abtreten müssen – wenn es eine funktionierende Opposition gäbe. Ahtisaari | |
gehört dieser Opposition zwar an, aber er hat sich nicht in den unzähligen | |
Korruptionsaffairen zerschlissen. Wenn auch äußerlich einer dieser | |
„Grauen“, ist „Babyface“, wie er ebenso respektlos wie unübersehbar | |
zutreffend genannt wird, trotzdem Repräsentant einer neuen politischen | |
Kultur für Finnland. | |
Er gehört nicht zum politischen Establishment, das sich zwischen Politik, | |
Wirtschaft und Finanzwelt die Posten hinüber- und herübergeschoben hat. Die | |
Parteibasis der SozialdemokratInnen, deren Führung in diesem geschlossenen | |
Zirkel bislang munter mitmischt, hatte ihm als Außenseiter demonstrativ den | |
Vorzug vor dem eigenen Parteiboß gegeben und damit ganz gezielt ein Zeichen | |
gesetzt gegen den finnischen Korruptionssumpf. Bei allen Zufälligkeiten | |
dieser Wahlen, die den Sinn von Direktwahlen zum Präsidentenamt aufgrund | |
der vorangegangenen Schlammschlachten zunächst in Frage stellten, | |
letztendlich dann aber doch bestätigten, hat einer der annehmbarsten aus | |
der KandidatInnenschar gewonnen. | |
Finnland wird seiner geographischen Gegebenheiten wegen auch in Zukunft am | |
Rand stehen. Aber nicht mehr im Grenzland zwischen West und Ost, wo | |
Ahtisaaris Vorgänger das Land plaziert hatten. Sondern mit dem EU-Fan | |
Ahtisaari in einem Europa, dessen Schwerpunkt sich neuer zahlungskräftiger | |
Mitglieder wegen bald ein gutes Stück nach Norden verschieben dürfte. | |
Reinhard Wolff, Helsinki | |
8 Feb 1994 | |
## AUTOREN | |
reinhard wolff | |
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