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# taz.de -- taz.lab-Interview mit Femen : Sexismus gegen Sexismus
> Femen-Gründerin Anna Hutsol über feministische Konkurrenz, politische
> Machos, und warum Sexappeal wichtig ist.
Bild: Mit Titten und Fingerfarbe: Femen-Aktivistinnen beim Protesttraining im A…
taz: Anna, vor sieben Jahren gründeten Sie Femen, und bis heute sind Sie
dabei. Wird Ihnen nicht langweilig? Anna Hutsol: Langweilig? Grade jetzt
wird es doch so richtig spannend! Uns gibt es jetzt weltweit, und unsere
neue Strategie des Sextremismus nimmt Gestalt an. Der Kampf für die
Befreiung des weiblichen Körpers nimmt an Schwung auf, was man auch an der
Vielzahl neuer Organisationen sieht: GoTopless, Free the Nipple, SlutTalk …
Arbeitet Femen mit diesen Gruppen eng zusammen? Nicht wirklich, denn viele
von ihnen sind vorwiegend in den USA aktiv, wo Femen bisher nur schwach
vertreten ist. Und vielleicht herrscht da auch eine Art gesunder, manchmal
auch ungesunder Egoismus und Wettbewerb vor. Jede Organisation denkt ja,
ihr Feminismus sei feministischer als der der anderen.
Hat Femen Berührungspunkte mit anderen sozialen Bewegungen? Wir haben einen
sehr breiten Berührungspunkt mit der LGBT-Community. In Frankreich
unterstützen wir sehr energisch das Gesetz zur Einführung der Homo-Ehe.
Dieser Berührungspunkt ist leicht zu verstehen – wir sind im gemeinsamen
Kampf für die Freiheit der Sexualität und der sexuellen Auswahl vereint.
Außerdem sind uns jegliche Gruppe sehr nah und vertraut, die Religion
kritisiert, wie zum Beispiel Charlie Hebdo – unsere sehr gute Freunde.
Wie viel Feminismus steckt denn in Ihrem, wie Sie es nennen, Sextremismus?
Wenn wir von Sextremismus sprechen, meinen wir damit ein neues Bild von
Widerstand, in dessen Zentrum entblößte protestierende Frauen stehen. Damit
weichen wir natürlich von ursprünglichen feministischen Strömungen sehr
weit ab.
Ergibt die Strategie im liberalen Europa überhaupt Sinn? Auch in Europa
werden unsere Aktivistinnen verhaftet und bestraft, selbst im ach so
liberalen Frankreich und Deutschland. Es gibt kein einziges richtig
feministisches Land auf der Welt, alle sind patriarchal. Das macht unsere
Strategie global und allgemein verständlich - für jede Frau.
Wer inspiriert Sie am meisten? Frauen an sich. Frauen, die nicht nur über
Feminismus schreiben oder reden, sondern auch tatsächlich kämpfen, wie zum
Beispiel Angela Davis. Trotz der Veränderung ihrer Ansichten inspiriert sie
mich – als Kämpferin und als besonderes Vorbild.
Und Männer gibt's da keine? Aktuell leider gar keine! Dafür zeigt die
Geschichte wie ein Mann ein Feminist sein und Frauen helfen kann, ihr
Potential zu entfalten. Das ist eindeutig August Bebel! Er und vor allem
sein Werk „Die Frau und der Sozialismus“ haben mich zum Feminismus
allgemein und zu der Femen-Bewegung gebracht.
Hat Femen ein Hauptziel, oder ändert es sich ständig? Unser übergeordnetes
Ziel bleibt konstant: Befreiung und Gleichstellung der Frauen.
Und was ist mit Männern? Viele denken sich: Femen ist ein Feminismus, zu
dem man onanieren kann. Solchen Typen ist nicht mehr zu helfen! Viel
interessanter ist hingegen die Ablehnung vieler Frauen. Leider fällt es vor
allem ihnen schwer, den Feminismus und die eigene sexuelle Freiheit zu
akzeptieren und zu leben.
Können denn auch Männer an Femen-Aktionen teilnehmen? Männliche Nacktheit
ist doch längst kein Problem mehr. Femen ist deshalb ein Protest von Frauen
für weibliche Nacktheit. Jungs laufen ohne T-Shirt rum und posten
selbstverständlich ihre Bilder auf sozialen Netzwerken. Frauenbrüste, ihre
Brustwarzen werden hingegen zensiert, wie beispielsweise Facebook ja erst
vor Kurzem in seinen Nutzungsbedingungen erneut verdeutlicht hat.
Muss eine Femen-Aktivistin jung und sportlich sein? Es ist bewusster Teil
unserer Strategie, das vorherrschende Schönheitsideal und die damit
verbundenen sexuellen Gelüste auszunutzen. Man stelle sich vor: Selbst eine
sexy Frau, der es in einer patriarchalen Gesellschaft doch gut geht,
protestiert lautstark.
Dank diesem Widerspruch - mit Sexismus gegen Sexismus - funktioniert Femen.
Die sportliche Kondition ist aber auch wichtig, wenn man schnell vor der
Polizei wegrennen will.
Warum sind Femen für die Freiheit der Sexualität, aber gegen Legalisierung
von Prostitution. Das ausbeuterische System der Sexarbeit hat nichts mit
der Freiheit der Frauen zu tun. Welche Frau setzt denn bitte
„Prostituierte“ auf den ersten Platz ihrer Traumberufsliste?
In der Schweiz stammen die meisten Prostituierten aus Osteuropa - spiegelt
die Legalisierung also wirklich die Freiheit der schweizerischen Frauen
wider?
Femen entstand 2008 in der Ukraine. Zufall? Die Ukraine war damals einfach
der richtige Ort zum richtigen Zeitpunkt. Die orange Revolution hat die
Entstehung von Femen erst ermöglicht. Als uns die gegebene Demokratie und
Freiheit 2010 wieder beschnitten wurden, wussten wir, wofür es sich zu
kämpfen lohnt.
Wird eine Frauenbewegung durch den Kriegszustand erschwert? Definitiv. Das
Land wurde auf einmal erschreckend maskulin. Jeder ist jetzt Kämpfer und
Verteidiger der Heimat. Wir fühlen uns da nicht mehr sicher und verschieben
unsere Aktivitäten ins Ausland.
Und als Feministin kümmert mich das spanische Gesetz gegen Abtreibung mehr
als dieser Krieg, der keine Bedeutung für Frauenrechte hat.
Was will Putin letztendlich? Macht! Er ist ein Megamacho: Von Putin werden
doch alle rangenommen, selbst die Kerle. Unser Kampf gegen die Diktatur ist
damit ein Kampf gegen Obermachos.
Die übertrieben aggressive Gegenreaktion nach unserem Protestangriff auf
Putin hat uns gezeigt, wie richtig wir damit liegen.
Das Gespräch führte DMITRY SHIGAEV.
19 Mar 2015
## AUTOREN
Dmitry Shigaev
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