Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Südafrika macht Schule: Malawis Diktator Banda gibt die Macht ab
> ■ Der neue Präsident Muluzi läßt sich vor einer feiernden Menge
> vereidigen und verspricht eine Politik der Versöhnung
Berlin (taz) – Machtwechsel in Malawi: Vor 80.000 begeistert feiernden
Bürgern übernahm Bakili Muluzi am Samstag im Stadion der Hauptstadt
Blantyre das Amt des Präsidenten. Es war ein Tag des Aufbruchs nach 30
Jahren Diktatur. Freiwillig hatte Kamuzu Hastings Banda, malawischer Despot
seit der Unabhängigkeit 1964, nach den ersten freien Wahlen in der
Geschichte des Landes seine Niederlage eingestanden.
Die Vereidigung Muluzis durch Malawis Obersten Richter Richard Banda fand
ohne Zwischenfälle statt, im Zeichen eines demokratischen
Selbstbewußtseins. „Eine neue Ära der Toleranz und des Pluralismus“
kündigte der Sieger an. Und Muluzis siegreiche Partei UDF (Vereinigte
Demokratische Front) ließ ihre Anhänger durch die Straßen ziehen mit einer
veränderten Parole: „Es ist anders geworden!“ statt, wie im Wahlkampf: „…
muß anders werden.“
Personenkult, Willkürherrschaft und eine selbst für afrikanische
Verhältnisse außerordentliche Vetternwirtschaft hatten Malawi in den
Jahrzehnten zuvor geprägt – Kompromißbereitschaft und Souveränität
kennzeichneten den Machtwechsel. Die UDF hat die absolute
Parlamentsmehrheit mit 84 von 177 Sitzen knapp verfehlt und wird vermutlich
die Zusammenarbeit mit der bisherigen Staatspartei MCP
(Malawi-Kongreßpartei) anstreben.
Die radikalere Oppositionspartei Aford (Allianz für Demokratie), die vom
lange inhaftierten Gewerkschaftsführer Chafukwu Chihana geführt wird,
liebäugelt schon mit der Rolle einer konstruktiven Opposition. „Ich hoffe“,
sagte Muluzi, „daß die politischen Parteien Freunde bleiben, nicht Feinde.“
Nach der Wahl von Sam Nujoma in Namibia 1990, Frederick Chiluba in Sambia
1991, Albert Zafy in Madagaskar 1993 und Nelson Mandela in Südafrika 1994
ist die Amtseinführung des Muslim Muluzi in Malawi der vierte friedliche
demokratische Übergang im südlichen Afrika in den letzten Jahren.
Der Schwung der Demokratisierung ist hier offenbar nicht schon wieder
erlahmt wie in anderen Teilen Afrikas. Ist das der Sonderweg einer Region,
die sich nach dem Ende von Kolonialismus und Apartheid Hoffnungen auf eine
goldene Ära des Wachstums und des Fortschritts macht? Daß Kooperation
zwischen den einstigen Gegnern der Schlüssel ist, gilt als Binsenweisheit;
das Bürgerkriegsland Angola ist abschreckender Beweis, und auch die
Schwierigkeiten Sambias, wo solche Zusammenarbeit nicht stattfindet,
stellen eine stark beachtete Lehre dar. Hoffnungsvoll blickt die Region
jetzt auch auf Mosambik, wo im Oktober pluralistische Wahlen die blutige
Ära des Bürgerkriegs beenden sollen.
## „Afrikanisierung des Kapitalismus“
Zum Teil spielt sicher auch eine Rolle, daß der Impuls nationaler Befreiung
hier aufgrund hartnäckiger weißer Herrschaft noch stärker ist als anderswo,
und daß die Fehler anderer Afrikaner beachtet werden.
Von „Sozialismus“ sprechen die Sieger im bitterarmen Malawi genausowenig
wie Südafrikas ANC oder Namibias Swapo. Stattdessen geht es den einstigen
Regimegegnern und heutigen Regierenden darum, auch schwarze Unternehmer zum
Zuge kommen zu lassen: „Positive Diskriminierung“ heißt das in Südafrika,
„Afrikanisierung des Kapitalismus“ in Malawi.
Selbst der Chefideologe der linken Aford, Mapopa Chipeta, definiert das
Ziel seiner Partei als „Entwicklung einer dynamischen einheimischen
Kapitalistenklasse“, mit der die bisher von Banda und seinen Verwandten
beherrschte Wirtschaft geöffnet und der nationalen Entwicklung zugeführt
werden kann.
Lonrho, der in Malawi sehr mächtige britische Multi, hat bereits die
Zeichen der Zeit erkannt: Er produzierte im Wahlkampf nicht mehr wie früher
Gewänder mit dem aufgedruckten Bild Präsident Bandas, sondern T-Shirts in
der Oppositionsfarbe Kanariengelb.
Politischer Wille reicht jedoch in den seltensten Fällen aus, wenn die
anfangs beschworene Einmütigkeit irgendwann hinter der Last der Probleme
verschwindet. Ob Muluzi so weit gehen muß wie Sambias Chiluba, der im
Herbst 1992 nach angeblichen Putschversuchen seiner Vorgänger den
Ausnahmezustand verhängte, wird einerseits von seinem Fingerspitzengefühl
abhängen – und von dem seiner Anhänger, die sich in den letzten Tagen
bereits vor den Häusern verhaßter Figuren aus der Banda-Ära wie
Sicherheitschef John Tembo versammelten und Sprüche wie „Your party is
over“ riefen. Andererseits gilt jedoch in Malawi wie in Südafrika: Ob die
nationale Versöhnung von Dauer ist, hängt nach dem Machtwechsel vor allem
vom Verhalten der Entmachteten ab. Bandas MCP muß ihre alte Parole
„Einheit, Folgsamkeit, Disziplin, Loyalität“ ab jetzt vor allem auf sich
selber anwenden. Dominic Johnson
24 May 1994
## AUTOREN
dominic johnson
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.